# taz.de -- Afghanistan-Politik Großbritanniens: Fassungslosigkeit im Parlament
       
       > Das Parlament macht der britischen Regierung schwere Vorwürfe.
       > Oppositionsführer Starmer und Ex-Premier May greifen Boris Johnson an.
       
 (IMG) Bild: Unverständnis auf der Straße: Demo auf dem Parliament Square
       
       London taz | Mit dem Versprechen, 20.000 Flüchtlinge aus Afghanistan
       aufzunehmen, wollte die britische Regierung von [1][Premierminister Boris
       Johnson] einer Sondersitzung des britischen Parlaments am Mittwoch zum
       Afghanistandebakel zuvorkommen.Doch es nutzte wenig. Der konservative
       Premier konnte vor den Abgeordneten nur unter einem andauernden Hagel von
       Zwischenrufen sprechen. Sie ließen Johnson am Ende lädiert und geschlagen
       aussehen.
       
       „Wie konnte es sein, dass er noch im Juli im Parlament verkündete, eine
       Niederlage der afghanischen Streitkräfte gegen die Taliban sei
       unwahrscheinlich?“, fragte nicht nur Labour-Oppositionsführer Keir
       Starmer. Auch Johnsons Vorgängerin im Amt, [2][die ehemalige konservative
       Premierministerin Theresa May], fragte: „Waren unsere Nachrichtendienste
       wirklich so schlecht, unser Verständnis so schwach, unsere Kenntnisse so
       unzureichend? Oder dachten wir einfach, wir können den USA folgen und
       irgendwie wird es schon gutgehen?“, so May, die vor ihrer Zeit als
       Premierministerin jahrelang als Innenministerin für Terrorbekämpfung
       zuständig gewesen war.
       
       Schelmisch fügte May hinzu, dass die Vision eines „globalen Großbritannien“
       (Global Britain) – ein Lieblingsslogan Johnsons, aber auch Mays vor ihm –
       keineswegs auf den Straßen Kabuls zu sehen war. Starmer merkte hierzu an,
       dass seit der Ankündigung des Abzugs durch Donald Trump 18 Monate vergangen
       seien – genug Zeit, um sich vorzubereiten.
       
       Auch der Plan, erst mal 5.000 Menschen aus Afghanistan aufnehmen zu wollen
       und weitere 15.000 in den nächsten drei Jahren, wurde wiederholt
       kritisiert. Sowohl May als auch die Grüne Caroline Lucas forderten, dass
       alle Hilfsbedürftigen baldmöglichst Hilfe erhalten.
       
       ## Afghanistan-Veteranen im Parlament
       
       Die Regierung werde keine Asylbewerber mehr aus Afghanistan abschieben,
       versicherte Johnson immerhin und unterstrich, dass die Aufnahme von 20.000
       Flüchtlingen zur Aufnahme von 3.000 Ortskräften hinzukomme. Viele verwiesen
       in der Debatte auf den Entwurf des neuen Grenzschutzgesetzes, welcher
       beabsichtigt, in Zukunft illegal Eingereisten – etwa jenen, die auf Booten
       über den Ärmelkanal kommen, dieses Jahr bereits über 10.000 – einen Status
       zweiter Klasse zu erteilen. Sie fragten, ob das auch Afghanen betreffen
       werde. Die unterstünden den normalen Verfahren, sagte Innenministerin Priti
       Patel am Morgen der BBC.
       
       Im Gegensatz zu Johnson wurde Labourführer Starmer bei seiner Rede kaum
       unterbrochen. Er wirkte sogar ehrwürdig, vor allen mit seinem Dank an das
       britische Militär. Zudem las er parteiübergreifend die Namen aller
       Unterhausabgeordneten vor, die in Afghanistan gedient haben. „Ihr verdient
       Besseres und auch die Menschen Afghanistans tun das“, erklärte er.
       
       Am meisten Eindruck machten die Reden dieser Veteranen. Der Konservative
       Tom Tugendhat, Veteran und Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses im
       Unterhaus, bestätigte ein verbreitetes Gefühl unter Soldaten,
       fallengelassen worden zu sein. Auch er wollte keine Obergrenze zur
       Flüchtlingsaufnahme setzen, die Leute müssten einfach nur gerettet werden.
       Tugendhat kritisierte zudem die Bemerkung von US-Präsident Joe Biden, das
       afghanische Militär habe einfach die Flinte ins Korn geworfen.
       
       Nach Tugendhat ergriffen weitere Afghanistanveteranen das Wort. Alle übten
       scharfe Kritik an der Abzugsstrategie der USA – und wollten von ihrer
       eigenen Regierung wissen, ob sie dieser Strategie je in Beratungen mit
       Washington widersprochen habe.
       
       18 Aug 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Grossbritanniens-Premier-Boris-Johnson/!5781951
 (DIR) [2] /Streit-um-Brexit-in-Grossbritannien/!5708108
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Afghanistan
 (DIR) Taliban
 (DIR) Schwerpunkt Afghanistan
 (DIR) Großbritannien
 (DIR) Boris Johnson
 (DIR) Großbritannien
 (DIR) Großbritannien
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Schwerpunkt Afghanistan
 (DIR) Schwerpunkt Afghanistan
 (DIR) Protest
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Großbritanniens Labour-Opposition: Endlich Parteitag, endlich Streit
       
       Für Keir Starmer ist der Präsenzparteitag die Gelegenheit, öffentlich mit
       der Corbyn-Linken zu brechen. Doch es läuft nicht ganz wie geplant.
       
 (DIR) Neue Außenministerin in Großbritannien: Die Rebellin
       
       Liz Truss hat was gegen links. Großbritanniens Konservative handeln sie als
       künftige Premierministerin.
       
 (DIR) Flucht aus Afghanistan: Zurück zu #RefugeesWelcome
       
       Statt zu flüchten sollten die Menschen in Afghanistan lieber für ihr Land
       kämpfen, fordern Wohlstandsdeutsche. Menschenleben scheinen ihnen egal zu
       sein.
       
 (DIR) EU nach Abzug aus Afghanistan: Hilflosigkeit und Angst
       
       Groß ist die Sorge in der EU vor neuen Flüchtlingen aus Afghanistan.
       Brüssel signalisiert frühzeitig eine Kooperation mit Ankara, Islamabad und
       Teheran.
       
 (DIR) Aktuelle Nachrichten zu Afghanistan: 600 Soldaten für Evakuierungsaktion
       
       Iran befürchtet eine Zuspitzung der Corona-Lage durch afghanische
       Flüchtende. Die Bundesregierung billigt den Einsatz von 600 Soldaten in
       Afghanistan. Der Überblick.
       
 (DIR) Afghanistan-Demo in Berlin: „Holt sie raus“
       
       Mehr als 2.000 Menschen fordern vor dem Bundestag eine Luftbrücke für
       Menschen in Afghanistan: Nicht nur für Ortskräfte, sondern für alle
       Gefährdeten.