# taz.de -- Corona-Proteste in Frankreich: Für Macron ungefährlich
       
       > Frankreichs Demonstrant:innen sind zu heterogen, als dass sie der
       > Opposition für die Wahlkampagne nützen könnten. Die Regierung kann
       > gelassen bleiben.
       
 (IMG) Bild: Die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen werden wütender
       
       Wenn plötzlich nicht mehr bloß ein paar Dutzend „Spinner“ demonstrieren,
       sondern [1][eine Viertelmillion oder mehr], und dies zum dritten Wochenende
       in Serie, hätte eigentlich jede Regierung allen Grund zu größter Sorge.
       Nicht so in Frankreich. Minister und Ministerinnen fahren gelassen in den
       Urlaub. Staatspräsident Emmanuel Macron verbringt die Ferien im Fort
       Brégançon an der Côte d’Azur.
       
       Nur hat er dieses Mal die Mitglieder seiner Regierung gebeten, wegen der
       Coronapandemie auf Abruf telefonisch erreichbar zu bleiben. Und um mit dem
       guten Beispiel voranzugehen, sollen sie, wenn möglich, in Frankreich
       bleiben und nicht in Länder reisen, wo die Prävention weniger ernst
       genommen wird als daheim. Keine Panik also im Élysée-Palast.
       
       Denn zum einen rechnet Frankreichs Zentralmacht damit, dass der Großteil
       der Wutbürger*innen, die da seit drei Wochen gegen [2][Impfkampagne],
       Schutzmasken, Ausgehverbote, Tests und andere Einschränkungen ihrer
       individuellen Freiheit auf die Straße gehen, früher oder später selbst in
       den Urlaub fahren wird. Zum anderen weiß die Staatsführung in Sachen
       Coronamaßnahmen eine Mehrheit der Bevölkerung hinter sich.
       
       Man hatte ihr zu Recht viele Fehler und einen krassen Mangel an
       Antizipation vorgeworfen. Heute aber sprechen sich 60 Prozent der
       Bevölkerung laut einer [3][Ipsos-Umfrage für die Zeitung Le Parisien] für
       die Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie aus. Am stärksten ist die
       Zustimmung bei den Älteren ab 55, aber auch von den 18- bis 30-Jährigen
       unterstützt gut die Hälfte der Befragten das Impfobligatorium des
       Pflegepersonals.
       
       ## Was sind schon 30.000 Demonstrierende?
       
       Macron wird sich außerdem sagen: Was sind schon 15.000 oder 30.000
       Demonstrierende in der Hauptstadt und jeweils ein paar Hundert in kleinen
       Provinzstädten, wo doch in den letzten Jahren wegen anderer Anliegen oft
       das Vielfache dieser Zahl auf der Straße sich vergeblich die Kehle heiser
       schrie.
       
       Sicher ist, dass Frankreichs Staatspräsident mit deutlich gewaltigeren
       Protesten als jetzt wegen der letztlich geradezu populären Covid-19-Politik
       rechnen müsste, wenn er – wie angedroht – nochmals einen Anlauf für seine
       [4][Rentenreform] unternehmen sollte.
       
       Entscheidend ist aber, dass es bei den Protesten gegen die Coronaregeln
       kein einheitliches Profil der Gegner*innen gibt, kein Programm und außer
       dem Ruf nach Freiheit nicht einmal eine gemeinsame Forderung. Die extrem
       heterogene Herkunft und die divergierenden Absichten und ideologischen
       Zielsetzungen der Demonstrierenden ist vermutlich ihre größte Schwäche –
       und umgekehrt der Vorteil der kaum beeindruckten Staatsmacht.
       
       Dies erklärt auch, warum von den Präsidentschaftskandidat*innen,
       die im Frühling 2022 Macrons Wiederwahl verhindern möchten, niemand
       ernstlich auf die Karte der Coronademonstrant*innen setzt. Mit einer
       so bunt gemischten, wütenden Masse lässt sich kaum ein Schnitt machen.
       
       1 Aug 2021
       
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