# taz.de -- Protest gegen Flughafenausbau in Leipzig: 49 Aktivist:innen in Gewahrsam
       
       > Festnahmen beim Protest für Klimaschutz und gegen den Ausbau des
       > Flughafens Leipzig/Halle. Und die DHL will 1,5 Millionen Euro
       > Schadensersatz.
       
 (IMG) Bild: Ganz schön abgehoben: DHL-Flieger am Flughafen Leipzig/Halle, August 2020
       
       Leipzig taz | Für knapp 50 Klimaaktivist:innen endet der regnerische
       Freitag in der Gefangenensammelstelle der Polizei Leipzig. Etwa 80
       Aktivist:innen aus Leipzig und Halle blockierten in der Nacht zum
       Samstag eine Logistikzufahrt zum DHL-Hub und protestierten damit gegen
       [1][den geplanten Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle]. Die Polizei, die
       etwa eine Stunde nach Beginn der Blockade angerückt war, genehmigte die
       Versammlung zwar als Spontandemonstration. Nach ihrem Ende durften die
       Aktivist:innen jedoch nicht gehen – der Logistikkonzern DHL hat laut
       Polizei Strafanzeige gestellt und verlangt Schadenersatz von 1,5 Millionen
       Euro.
       
       Am Freitagabend um 22 Uhr warten fünf weißhaarige Männer im Nieselregen
       neben dem Bahnsteig der S-Bahnstation Schkeuditz zwischen Leipzig und
       Halle. Sie bewegen sich langsam. Die Hemden sitzen am Bauch etwas eng. Mit
       Schildern und Transparenten wollen sie die Klimaaktivist:innen aus
       den Städten in Empfang nehmen und zeigen, dass sie für die gleiche Sache
       einstehen. Die Männer sind Teil einer Bürger:inneninitiative, die sich
       gegen den geplanten Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle wehrt. Sie wollen
       eine noch höhere Lärm- CO2-, sowie Ultrafeinstaubbelastung verhindern.
       
       „Wir haben mit allen demokratischen Mitteln protestiert: Petitionen
       gemacht, das Gespräch gesucht. Das hat wenig gebracht. Jetzt unterstützen
       wir eben eine eher unorthodoxe Demonstration“, sagt Matthias Zimmermann,
       Pressesprecher der Bürger:inneninitiative. Gemeinsam mit einigen
       Mitstreitern läuft er hinter dem Zug der Aktivist:innen her. Die
       „unorthodoxe Demonstration“ ist eine Blockade an einer Kreuzung vor dem
       DHL-Hub, einem Logistikzentrum am Flughafen. In einer Unterführung ziehen
       sich die Aktivist:innen [2][weiße Maler:innenanzüge] an. Dann
       laufen sie über ein matschiges Feld und setzen sich mitten auf die
       Kreuzung. Die Männer von der Bürger:inneninitiative stehen daneben.
       Schon nach kurzer Zeit stauen sich die LKWs vor der blockierten Zufahrt.
       
       Geplant sind der Ausbau eines Vorfelds, auf dem Flugzeuge geparkt werden
       können, neue Rollwege und Enteisungsflächen. Für die DHL ist der Flughafen
       Leipzig/Halle eines der drei wichtigsten Drehkreuze weltweit. Der
       Logistikkonzern könnte durch den Ausbau die Anzahl der Frachtflüge
       steigern. Anstatt der bisherigen 80.000 Starts und Landungen pro Jahr
       könnten es dann knapp 130.000 werden. Im Gegensatz zu den meisten anderen
       Flughäfen in Deutschland gibt es kein Nachtflugverbot und die verlangten
       Landeentgelte sind relativ gering. Das kommt besonders im Unternehmen im
       Frachtflugbereich zugute.
       
       ## 11.000 Unterschriften
       
       Vor der Blockade hupen einige LKW-Fahrer:innen laut, um die
       Aktivist:innen zu vertreiben. Ein Mann steigt aus seinem LKW aus, baut
       sich vor den Menschen in den weißen Anzügen auf und schreit: „Was ihr hier
       macht, hilft niemandem! Ich will nach Hause zu meiner Familie, ihr haltet
       mich davon ab.“ Ein anderer Fahrer hat schon ein Foto von der Blockade
       gemacht und an seine Familie geschickt. Er sagt: „Ich muss zwar jetzt hier
       warten, aber da passiert wenigstens mal was.“ Matthias Zimmermann von der
       Bürger:inneninitiative sieht das gelassen. „Die einen finden das
       gut, die anderen nicht. So ist das. Aber der Protest ist wichtig.“
       
       Ende 2020 lagen die Ausbaupläne in 17 betroffenen Gemeinden um den
       Flughafen aus, damit Bürger:innen sie begutachten konnten. Doch die
       Pandemie erschwerte die Einsicht. Deshalb wurde die Begutachtungsphase für
       Bürger:innen bis Ende Juli verlängert. Bereits im Juni konnte Matthias
       Zimmermann dem sächsischen Landtag im Namen der
       Bürger:inneninitiative eine Petition gegen den Ausbau übergeben.
       Insgesamt 11.000 Unterschriften wurden gegen das geplante Vorhaben
       gesammelt.
       
       Der Protest von Anwohner:innen, betroffenen Gemeinden, Klima- und
       Umweltschützer:innen regt sich bereits seit einigen Jahren. „In
       letzter Zeit hat sich die Situation um den Flughafen aber nochmal
       zugespitzt“, sagt Klimaaktivistin Paula Vogel. „Ein Grund dafür ist
       sicherlich auch [3][die kommende Bundestagswahl]. Auch deshalb sind wir
       genau jetzt hier.“ Die Aktivist:innen fordern, dass der Flughafen
       zurück-, statt ausgebaut wird und kritisieren die hohe CO2-Belastung sowie
       die schlechten Arbeitsbedingungen. Paula Vogel sagt: „Was an diesem
       Flughafen passiert, treibt die Klimakrise an. Es ist absolut nicht
       zeitgemäß, jetzt einen Flughafen auszubauen.“
       
       Auch Marco Böhme, Landtagsabgeordneter der sächsischen Linksfraktion und
       Sprecher für Klimaschutz und Mobilität, kritisiert die Pläne schon länger:
       „Der Klimaschutz wird einfach umgangen. Außerdem gehen mit dem Ausbau
       gesundheitliche Risiken auch für Anwohner:innen einher, etwa durch die
       hohe Lärmbelastung und die nächtlichen Flüge.“ Zwar sei der Flughafen ein
       Wirtschaftsstandort für die Region. Doch Marco Böhme sagt wie viele andere,
       dass der Ausbau nicht zukunftsfähig sei, und fordert Alternativen.
       
       ## Niemand darf gehen
       
       Als die Polizei nach einer Stunde Sitzblockade zu den Aktivist:innen
       auf die Kreuzung kommt, meldet Marco Böhme die Versammlung als
       Spontandemonstration an. Immer mehr Beamt:innen umstellen die
       Aktivist:innen, die mittlerweile im strömenden Regen auf der Kreuzung
       sitzen. Die Männer von der Bürger:inneninitiative sind bereits nach
       Hause gegangen. Hinter den Aktivist:innen liegt das DHL-Gelände, die
       gelben Gebäude mit der roten Schrift beleuchten den dunklen Nachthimmel.
       Gegen 0.30 Uhr ist die Spontandemonstration vorbei, doch niemand darf
       gehen. Stattdessen umstellen noch mehr Polizeifahrzeuge die Blockade. Der
       Grund: Eine Strafanzeige von DHL. Der Konzern verlangt Schadenersatz für
       die Zeit der Blockade, insgesamt 1,5 Millionen Euro.
       
       In einem Linienbus werden die Aktivist:innen in die
       Gefangenensammelstelle noch in der Nacht nach Leipzig gebracht, viele
       verweigern die erkennungsdienstlichen Maßnahmen. [4][Die Leipziger
       Volkszeitung] zitiert einen Polizeisprecher, laut dem insgesamt 52
       Aktivist:innen zur Wache gebracht worden seien. Weder DHL noch die
       Leipziger Polizei waren am Samstagvormittag für die taz für eine
       Stellungnahme zu erreichen.
       
       Am Mittag berichtet [5][Linkenpolitiker und Umweltaktivist Maximilian
       Becker auf Twitter], dass noch immer 49 Aktivist:innen in Gewahrsam
       seien. [6][Laut einer Pressemitteilung der Polizei Leipzig] wurden
       Ermittlungen wegen Nötigung und des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz
       aufgenommen. Vor der Polizeiwache an der Dimitroffstraße, wo zeitgleich
       eine Klimamesse stattfindet, haben sich Unterstützer:innen versammelt.
       Auch die Polizei ist präsent.
       
       10 Jul 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Ausbau-von-Luftdrehkreuz-Halle-Leipzig/!5747424
 (DIR) [2] /Neues-Versammlungsgesetz-in-NRW/!5783048
 (DIR) [3] /Schwerpunkt-Bundestagswahl-2025/!t5007549
 (DIR) [4] https://www.lvz.de/Leipzig/Polizeiticker/Polizeiticker-Leipzig/In-der-Nacht-Polizei-Leipzig-loest-unangekuendigte-Blockade-vor-DHL-Hub-am-Flughafen-auf
 (DIR) [5] https://twitter.com/bckrmx/status/1413812851236605956
 (DIR) [6] https://www.polizei.sachsen.de/de/MI_2021_82360.htm
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christina Gutsmiedl
       
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