# taz.de -- Italien im Halfinale der Fußball-EM: Eine italienische Nacht
       
       > Italien zeigt schon wieder unbändige Spiellust und schlägt wahrlich nicht
       > schwache Belgier. Der Jubel darüber beschert München eine laute Party.
       
 (IMG) Bild: Schönes Tor, schöner Jubel: Lorenzo Insigne nach seinem Treffer zum 2:0
       
       München taz | Es war ein laute Nacht in München, eine italienische Nacht.
       Kaum hatte draußen im Norden der Stadt die italienische Nationalmannschaft
       mit 2:1 gegen Belgien gewonnen und war so in das Halbfinale der EM
       eingezogen, da begannen sich die Autos auf der Leopoldstraße zu stauen.
       Motoren heulten auf, es wurde gehupt, italienische Fahnen wurden aus
       Cabrios und Autofenstern heraus geschwenkt.
       
       Am Straßenrand standen junge Menschen, Familien, ältere Leute, alle mit
       irgendetwas auf dem Kopf oder in der Hand, das sie als Fans der
       italienischen Mannschaft erkennen ließ, und jubelten den hupenden Autos zu,
       als seien deren Insassen es gewesen, die die Italiener ins Halbfinale
       geschossen haben. Sie fanden den Autokorso rund um das Siegestor, an dem in
       München traditionell die spontanen Fußballfeiern stattfinden, ebenso schön
       wie das Spiel der Italiener.
       
       Die Mannschaft von Trainer Roberto Mancini [1][hört einfach nicht auf zu
       spielen] bei diesem Turnier. Rechnet man die Qualifikation dazu sind es nun
       schon 15 Siege in Serie, die die Italiener bei ihrer EM-Kampagne
       eingefahren haben. Es sind Erfolge, die sich sehen lassen können. Klar, da
       gibt es eine Verteidigung mit den Altmeistern Leonardo Bonucci und Giorgio
       Chiellini, die immer wissen, was der jeweils andere gerade tut.
       
       Und da steht mit Gianluigi Donnarumma ein Mann im Tor, der mit seinen 22
       Jahren schon eine derartige Sicherheit ausstrahlt, dass man sich gar nicht
       vorstellen mag, wie der erst spielen wird, wenn er ins beste Torhüteralter
       kommt. Wie es möglich war, dass er jenen fantastischen Schuss, den Kevin de
       Bruyne in der 22. Minute abgefeuert hat, abwehren konnte, das wird so
       schnell niemand erklären können. Er selbst vielleicht auch nicht. Aber es
       ist geschehen, wie es geschehen ist.
       
       ## Freude am Spiel
       
       So, hinten ist bei den Italienern also alles bestens sortiert. Das reicht
       doch fürs erste. So hätten früher italienische Trainer vielleicht gedacht.
       Nicht so Roberto Mancini. Der hat ein munteres 4-3-3 spielen lassen, wie
       man es lange nicht gesehen hat. Auch wenn sich die Belgier hinten formiert
       hatten, war da so viel Spiellust, so viel Bewegung in der Offensive, dass
       es eine wahre Freude war, den Italienern zuzusehen. Und hellwach waren sie.
       Als die Belgier nach einer halben Stunde nicht so recht wussten, wie sie
       einen gerade abgewehrten Ball nach vorne spielen sollten nahm sich Nicolo
       Barella den Ball und brachte Italien in Führung.
       
       Kurz darauf stand es schon 2:0. Lorenzo Insigne, jener kleine Angreifer,
       der so gerne den Ball am Fuß hat, dessen Spiel zwar meist schön anzusehen
       ist, aber eben nicht immer für Raumgewinn sorgt, hat es geschossen. Ein
       Spielertyp wie Insigne hätte nicht in vielen Teams einen Platz, sein Spiel
       wirkt aus der Zeit gefallen. Mancini hat einen Platz für ihn gefunden. Sein
       Schlenzer aus dem Dribbling heraus zum 2:0 war eine Augenweide. So wie es
       einfach schön anzusehen war, wie Marco Veratti das Spiel immer wieder
       angetrieben hat. Wer hätte das gedacht, dass der in Paris einst als
       Partylöwe verschriene Mittelfeldspieler mal zu solchen Spielen in der Lage
       ist? Verrückt.
       
       ## Italienische Folklore
       
       Dass es die Italiener dann auch noch geschafft haben, mitten in ihrem
       lustvollen Spiel ihre gute, alte Fußballfolklore zu pflegen, gehört auch zu
       den Geschichten dieses Spiels. Ciro Immobile war der Autor dieses
       Spielkapitels. Er stürzte nach einem Zweikampf im Strafraum zu Boden, als
       sei er von einer Gewehrkugel mitten ins Herz getroffen worden. Es war die
       Szene vor dem 1:0, durch Nicolo Barella. Das Tor sorgte für eine Art
       Blitzheilung von Immobile, der den Treffer aus dem Augenwinkel sah, dann
       aufstand, als sei nichts gewesen, um sich dann der jubelnden Spielertraube
       seiner Kollegen anzuschließen. In den sozialen Medien war die Szene schon
       zur Pause ein echter Hit. Zurecht.
       
       Sehenswert waren auch die Dribblings des belgischen Youngsters Jeremy Doku.
       Der Teenager mit dem grandiosen Ballgefühl war eine der Entdeckungen des
       Spiels. Ein Foul an ihm brachte den Belgiern den Elfmeter kurz vor der
       Pause, mit dem sie den Anschluss herstellen konnten. Gesprochen hat darüber
       hinterher kaum einer. Die Geschichten gehörten den Siegern. Die waren zwar
       auch voll des Lobs über ihren Gegner, was aber gewiss auch Ausdruck des
       Stolzes auf ihre eigene Leistung war. Roberto Mancini etwa meinte: “Um ein
       Team wie Belgien zu schlagen, muss jeder einzelne eine herausragende
       Vorstellung abliefern. Und genau das ist heute gelungen.“
       
       Am Dienstag in London spielt Italien nun gegen Spanien, das [2][im
       Elfmeterverschießen von St. Petersburg] die Schweiz besiegt hat. Davor
       wollten die Italiener erst einmal feiern. „Machen sie schnell, ich will zu
       meinen Mannschaftkameraden“, meinte Keeper Donnarumma im ersten Interview
       nach dem Spiel. Da hatten sich die ersten Münchner Italiener längst auf den
       Weg gemacht zur Leopoldstraße.
       
       3 Jul 2021
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Rüttenauer
       
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