# taz.de -- Italien gegen Spanien im EM-Halbfinale: Große italienische Oper
       
       > Mit viel Pathos gehen die Italiener ins Halbfinale. Bis jetzt hatten sie
       > genug Platz zum Spielen. Gegen Spanien könnte es aber eng werden.
       
 (IMG) Bild: Lorenzo Insigne (l.) hat keine Angst vor Toby Alderweireld
       
       Es ist eine große Oper, die da gerade aufgeführt wird von der italienischen
       Nationalmannschaft. Da ist natürlich die Hymne, die sie singen, als wären
       sie elf Tenöre im Kokainrausch. Da ist die Lust am Offensivspiel, über die
       immer noch gestaunt wird, auch wenn Italien mit Beginn der Qualifikation
       jedes Spiel dieser EM-Kampagne gewonnen hat. Und da ist das Drama um den
       linken Außenverteidiger Leonardo Spinazzola, dessen Achillessehne beim 2:1
       im Viertelfinale gegen Belgien gerissen ist. Die Mannschaft tut alles, um
       aus dieser sportlichen Schwächung neuen Spirit zu generieren.
       
       Gewinnen wollen sie sowieso gegen Spanien am Dienstag in Wembley (21 Uhr,
       ARD). Jetzt wollen sie es auch für Spinazzola tun. Wer auf Instagram
       [1][das Video anschaut, das Spinazzolas Abschied aus dem Kreis der
       Nationalmannschaft] zeigt, das Klatschen, die Küsse, das Tätscheln seiner
       Wangen, der wird sich nicht wundern, wenn Tränen aus seinem Smartphone
       laufen. Gefühl, das können sie, die Italiener. Das Video, das die
       Mannschaft zeigt, [2][wie sie im Flugzeug von München nach London
       Spinazzola besingt], ist auch nicht ohne. [3][Große Oper eben].
       
       Zwei Vorhänge soll es für die Azzurri noch geben. Im Halbfinale und im
       Endspiel. Dass das ohne Spinazzola nicht leichter wird, weiß
       Nationaltrainer Roberto Mancini natürlich. Als Ersatz wird er vermutlich
       Emerson aufbieten, der in der abgelaufenen Saison in der englischen Premier
       League kaum einmal für den FC Chelsea aufgelaufen ist. Wenn’s klappt, wäre
       das auch so eine opernreife Geschichte.
       
       Für Mancini jedenfalls war Spinazzola einer der besten Spieler des
       Turniers. Solche Lobhudeleien gibt er derzeit zuhauf im italienischen Team.
       Alle schwärmen von Lorenzo Insignes irrem Bogenschuss zum 2:0 gegen
       Belgien. Der kleine Mann selber schwärmt von Jorginho, dem Hirn des
       italienischen Spiels, und schlägt ihn gleich mal für den Ballon d’Or vor,
       die Auszeichnung für den besten Kicker Europas. Und Marco Verratti, das
       andere Hirn im italienischen Zentrum, lobt Keeper Gianluigi Donnarumma über
       den grünen Klee. Alle sollen sehen, wie sehr sie sich lieben. Das mag
       gewiss helfen, die alleinige Erklärung für die Auftritte der Italiener kann
       es nicht sein.
       
       ## Munteres Spiel
       
       Vielleicht lässt sich an Lorenzo Insigne ganz gut zeigen, was Roberto
       Mancini da angestellt hat mit dem Team. Er lässt Italien in einem munteren
       4-3-3 antanzen, so wie es einst die Niederländer gemacht haben. Der
       Hochsicherheitsfußball mit fünf Verteidigern ist Mancinis Sache nicht. So
       hat einer wie Insigne, der ganz gerne den Ball am Fuß hat, der sich selbst
       ganz gut zu gefallen scheint, wenn er den Ball von links außen in die Mitte
       schleppt, auch wenn sie oft keinen Raumgewinn zur Folge haben, ein wenig
       Platz zum Spielen. Genau das ist seine Erklärung für den Erfolg des
       Mancini-Fußballs: „Er lässt uns spielen“, hat er jüngst gesagt.
       
       Andere Trainer würden vielleicht verzweifeln an einem Spieler wie Insigne,
       der viel zu oft macht, was er will, und viel zu selten, was vielleicht in
       diesem Moment das Richtige wäre. Manchmal aber ist das, was Insigne will,
       eben doch das Richtige. Und dann schwärmt alle Welt und schreibt
       Geschichten über den Straßenfußballer, den sie einst Maradonino genannt
       haben sollen und den sie in seiner Heimatstadt Neapel auch mal Lorenzo il
       Magnifico nennen, wie jenen mächtigen Freund der schönen Künste aus dem
       Hause Medici im 15. Jahrhundert.
       
       Wie prächtig er gegen Spanien zu spielen in der Lage ist, wird sich zeigen.
       Ob Insigne überhaupt oft zum Zug kommt, ist eine der großen Fragen vor dem
       Spiel. Die Spanier sind mit ihrem intensiven Gegenpressing ihren Gegnern
       bis dato ziemlich auf die Nerven gegangen. Wie teilweise drei Spieler, den
       Gegner anlaufen, der gerade einen Ball erobert hat, ist selten zu sehen im
       Nationalmannschaftsfußball. Mit [4][unheimlich hohem Energieeinsatz sind
       die Spanier] bis jetzt ans Werk gegangen, zwei Verlängerungen stecken ihnen
       in den immer um Spielkontrolle bemühten Beinen. Ob sie zu solchen
       Energieleistungen noch einmal in der Lage sind, auch diese Frage wird am
       Dienstag beantwortet.
       
       6 Jul 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.instagram.com/p/CQ3hr1bK9k6/
 (DIR) [2] https://twitter.com/FabrizioRomano/status/1411105495247695873?ref_src=twsrc%5Etfw%7Ctwcamp%5Etweetembed%7Ctwterm%5E1411105495247695873%7Ctwgr%5E%7Ctwcon%5Es1_&ref_url=https%3A%2F%2Fwww.firstpost.com%2Fsports%2Feuro-2020-lorenzo-insigne-says-italy-aiming-to-honour-injured-leonardo-spinazzola-with-ultimate-glory-9776691.html
 (DIR) [3] /Stereotype-im-Fussball/!5780330
 (DIR) [4] /EM-Viertelfinale-Spanien-gegen-Schweiz/!5779386
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Rüttenauer
       
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