# taz.de -- Historischer Wettskandal im Fußball: Eine Schmierenkomödie
       
       > Vor 50 Jahren erschütterte ein Wettskandal die Bundesliga. Spiele wurden
       > manipuliert. Im Fokus war auch der spätere Werder-Torwart Dieter
       > Burdenski.
       
 (IMG) Bild: Seinerzeit kurios beteiligt: Dieter Burdenski bei einem Hallenturnier im Jahr 2013
       
       Bremen taz | Sieht man sich heute die Berichte und Bilder vom bislang
       größten Bestechungsskandal in der Fußball-Bundesliga an, der im Sommer vor
       50 Jahren die Fußballwelt erschütterte, wirken sie wie einer großartigen
       Schmierenkomödie entnommen.
       
       Der Höhepunkt ist die mit Kamera festgehaltene Enthüllung des Skandals
       durch den Präsidenten von Kickers Offenbach, Horst-Gregorio Canellas. Auf
       der Gartenparty zu seinem 50. Geburtstag spielte er auf einem geliehenen
       Telefunken-Gerät vor einer nichtsahnenden Herrenriege kompromittierende
       Telefongespräche ab. Der anwesende Bundestrainer Helmut Schön soll die
       Party fluchtartig verlassen haben.
       
       Insgesamt wurden in der Endphase der Saison 1970/71 gleich 18
       Bundesligaspiele manipuliert – oder es wurde versucht, sie durch
       Geldzahlungen zu beeinflussen. Am Ende konnten sich Arminia Bielefeld und
       Rot-Weiß Oberhausen retten und Kickers Offenbach sowie Rot-Weiß Essen
       standen als Absteiger fest.
       
       Eine kuriose Rolle spielte im Verlauf des Skandals Dieter Burdenski, der
       spätere langjährige Torwart von [1][Werder Bremen]. Als junger
       Nachwuchs-Torwart stand er beim ersten manipulierten Spiel zwischen Schalke
       04 und Arminia Bielefeld (0:1) im Tor. Er wusste allerdings nichts von den
       Absprachen seiner Schalker Mitspieler, da er kurzfristig für den
       Stammtorwart eingesprungen war. Er hielt wie ein Weltmeister und hätte so
       den Betrug fast verhindert. „Das Spiel war für mich als Torhüter perfekt –
       bei so vielen Gelegenheiten, mich gegen frei vor mir auftauchende Stürmer
       auszuzeichnen“, erinnerte sich Burdenski im Kicker.
       
       ## Tausender auf dem Parkplatz
       
       Als er anschließend auf einen Parkplatz bestellt wurde, nahm „Budde“
       dennoch wie alle anderen die dargebotenen 2.300 Mark entgegen. „Die Summe
       war einfach enorm hoch, auch gemessen an unserem damaligen Verdienst.“ Als
       junger Mensch habe er sich nicht die Fragen gestellt, die er sich heute
       sicherlich stellen würde.
       
       Als erster Spieler gab Burdenski 1972 vor Gericht zu, Geld angenommen zu
       haben. Als er zwei Tage nach seinem Geständnis mit Arminia Bielefeld, wohin
       er inzwischen gewechselt war, nach Schalke zurückkehrte, wurde er von den
       Fans mit Bierflaschen beworfen, bespuckt und beschimpft.
       
       Die Ermittlungen brachten immer neue Fälle ans Licht. Als der Chefermittler
       des DFB Hans Kindermann 1973 den Skandal als „zu fast 100 Prozent
       aufgeklärt“, bezeichnete, waren 53 Spieler, zwei Trainer und sechs
       Funktionäre mit Geldstrafen und Sperren von ein paar Monaten bis lebenslang
       belegt worden. Die meisten der Bestraften wurden noch vor der Heim-WM 1974
       begnadigt. Für acht Schalker Spieler schloss sich noch ein Verfahren wegen
       Meineids an, in dem sie Ende 1975 zu Geldstrafen verurteilt wurden.
       
       „Heute geht es im Profisport weniger um sportliche Ziele, sondern darum,
       [2][mit Wetten] auf manipulierte Spiele [3][viel Geld zu verdienen]“, sagt
       Rechtsanwalt und Compliance-Experte Carsten Thiel von Herff, der als
       unabhängiger Ombudsmann der DFL und des DFB in den
       Nachwuchsleistungszentren die Spieler ab der U15 zum Thema „Verhinderung
       von [4][Spiel- und Wettmanipulationen]“ schult.
       
       „Das hohe Einkommen schützt nur bedingt. Wir reden im Bereich der
       Wettmanipulationen über Erpressung und Abhängigkeiten. Wenn ein
       spielsüchtiger Topverdiener zwei Millionen Euro auf eine Partie setzt, ist
       das auch für ihn viel Geld. Die Manipulanten suchen gezielt nach
       Schwachstellen. Für einen Oberligaspieler mit Geldsorgen sind schon 5.000
       Euro eine Verlockung.“
       
       Horst-Gregorio Canellas hat bis zu seinem Tod 1999 daran festgehalten, dass
       längst nicht alle Absprachen von 1971 ans Licht gekommen sind. 1977 saß er
       in der Lufthansa-Maschine Landshut, die nach Mogadischu entführt wurde.
       „Der Skandal war schlimmer, viel schlimmer“, soll er laut dem Magazin
       11Freunde gesagt haben. „Mogadischu hatte noch menschliche Züge.“
       
       11 Jul 2021
       
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