# taz.de -- Angriff auf Klimaaktivist:innen: Schütze im Ku-Klux-Klan-Gewand
       
       > In Sachsen-Anhalt schießt eine Person in Ku-Klux-Klan-Kluft mit einer
       > Softair-Waffe auf Klimaaktivisten. Es ist nicht der erste Angriff vor
       > Ort.
       
 (IMG) Bild: Unter Beschuss: Demonstrant:innen an der A14
       
       Leipzig taz | Die Abendsonne dämmert über dem Bahnhof von Seehausen im
       Landkreis Stendal in Sachsen-Anhalt, als eine Person sich langsam aus der
       Unterführung auf den Bahnsteig schleicht. Sie trägt eine lange, weiße Kutte
       und einen spitzen, weißen Hut – das Gewand des rassistischen Geheimbundes
       „Ku-Klux-Klan“ (KKK) aus den USA. Über der linken Schulter trägt die
       Gestalt eine schwarze Tasche, eine Softair-Waffe sitzt fest in der rechten
       Hand.
       
       Die Szene spielte sich am Freitag, 18. Juni, ab und ist auf einem Video
       festgehalten, das in den sozialen Medien kursiert. Zu sehen ist dort auch,
       was als nächstes geschieht: Auf dem Bahnsteig angekommen, schießt die
       Person im KKK-Gewand mehrfach auf Menschen, die vor dem gegenüberliegenden
       Gebäude verweilen. Ein Schrei ist zu hören, die Beschossenen rennen weg. Es
       sind Jugendliche, nicht älter als zwanzig Jahre.
       
       Die filmende Person lacht höhnisch, als die Schüsse fallen, ruft „Ihr
       Assis, ihr kleinen F****.“ Noch mehr Schüsse fallen, eine Person nähert
       sich dem Angreifer, der Filmende warnt ihn. „Pass auf, da kommt einer,
       zwei.“ Die KKK-Gestalt rennt über die Gleise davon, zwei Personen hinter
       ihr her. Später wird es von der Polizei heißen, der Täter sei flüchtig.
       
       Es ist der dritte Anschlag in Seehausen binnen weniger Wochen.
       Klima-Aktivist:innen [1][protestieren hier gegen den Weiterbau der A14.]
       Seit Ende 2020 organisierten sie Veranstaltungen, Mahnwachen, Demos,
       sammeln Geld für eine Klage gegen den Autobahnbau, in der sie sich auf das
       neue Bundesklimaschutzgesetz berufen. Der Ausgang dieser Klage wird ein
       Präzedenzfall sein, denn es ist die erste dieser Art.
       
       ## Angriff mit einer Art selbstgebauter Rohrbombe
       
       Einige von ihnen besetzen einen nahegelegenen Wald, andere
       Aktivist:innen sind in den verfallenen Bahnhof von Seehausen gezogen.
       Ihr Ziel ist es, den Ort wiederzubeleben und den Bahnhof zu einem
       Begegnungsort zu machen. Mit Kulturveranstaltung, politischer Bildung,
       Meinungsaustausch. Eine „Bereicherung für Seehausen“, nennen sie ihren
       Plan.
       
       Bereits in der Nacht zum 17. Mai [2][zündeten Unbekannte vor dem Gebäude
       eine Couch an.] Fotos zeigen lodernde Flammen, Fensterscheiben gingen zu
       Bruch, die Feuerwehr konnte Schlimmeres verhindern.
       
       Nur knapp eine Woche später, am 22. Mai, brachen mehrere Personen in das
       Bahnhofsgebäude ein, verwüsteten den Innenraum und zündeten einen
       Sprengsatz, eine Art selbst gebaute Rohrbombe. Die Polizei konnte
       Tatverdächtige stellen, die Ermittlungen dauern an. Am Abend zuvor
       demonstrierte die AfD gegen die Klimaaktivist:innen. Immer wieder gibt es
       auch körperliche Angriffe, Verwüstungen, Morddrohungen.
       
       Nun sind es Schüsse. Zwar stammen die nur aus einer Softair-Waffe, die
       kleine Plastikkugeln verschießt, dennoch wurden zwei Personen leicht
       verletzt. Einer von ihnen ist erst 12, ein anderer 20 Jahre alt. Einer der
       Angegriffenen berichtete später von Todesangst – und von einem blauen
       Fluchtauto, in das der Angreifer auf der Beifahrerseite gesprungen sei.
       
       Die Altmarkregion in Sachsen-Anhalt ist bekannt für eine stark verankerte
       Neonaziszene. Von vielen Vorfällen gebe es keine Videos oder Bilder, sagt
       Rechtsextremismusexperte David Begrich von Miteinander e.V. aus Magdeburg.
       Er sieht in der Inszenierung der Tat mit KKK-Kutte und Video eine
       propagandistische Absicht, die vor allem neonazistische Täter ansprechen
       solle. „Das Video spricht für das Selbstbewusstsein der Täter, die wissen,
       dass sie dort Agieren können“, so Begrich. „Solche Vorgänge wirken durch
       die Bebilderung.“
       
       Begrich sagt auch, eine Angriffsserie mit dieser Intensität riefe in einer
       Metropolregion eine andere Aufmerksamkeit hervor als im strukturschwachen
       Sachsen-Anhalt. Tatsächlich stammen die Meldungen über den Angriff bisher
       vor allem von lokalen Medien, ein bundesweiter Aufschrei blieb aus.
       
       Sebastian Striegel, der Landesvorsitzende der Grünen in Sachsen-Anhalt,
       sagte der taz, es brauche eine „konkrete lokale Reaktion, die Solidarität
       mit den Betroffenen herstellt, unabhängig davon, ob man die Anliegen
       teilt.“ Es gehe darum, dass auf Proteste mit rechter Gewalt reagiert werde,
       angeheizt von rechten Akteuren, darunter auch die AfD. Striegel fordert von
       lokalen und regionalen Parteien eine deutliche Positionierung.
       
       Die Ermittlungen der Polizei dauern derzeit noch an. Eine Sprecherin sagte
       gegenüber der taz, man sammle zunächst alle Hinweise. Auch ein
       rechtsextremer Hintergrund werde geprüft. Jedoch sei derzeit nicht
       eindeutig zu sagen, inwiefern eine politische Motivation hinter dem Angriff
       stecke.
       
       21 Jun 2021
       
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