# taz.de -- Neues Fotobuch bei Spector Books: Eine Scheibe Butterbrot
       
       > Laura Bielaus Fotobuch „Arbeit“ ist frei von fotografischen Konventionen.
       > Und ihre Bildern sind frei von oberflächlicher Attraktivität.
       
 (IMG) Bild: Ausschnitt aus: Laura Bielau, o.T. Ameise. Aus der Serie „Arbeit“, 2016
       
       Eine Scheibe Brot mit Butter, die eigene Hand, Gewebeband und die
       Verpackung von Kopfschmerztabletten. All diese Dinge befinden sich im
       Atelier der Fotografin Laura Bielau. Was sie damit macht, ist Arbeit. Ihre
       gleichnamige Publikation erscheint nun bei dem Leipziger Verlag Spector
       Books.
       
       Mit ihrer Serie von 32 Schwarz-Weiß-Fotografien legt Laura Bielau ein Werk
       vor, das Fürsorge und Austausch ebenso als Arbeit anerkennt wie die
       künstlerische (Erwerbs-)Tätigkeit. Im Inneren des Buches entfaltet sich ein
       Raum, der zunächst von den Gegenständen in Bielaus Atelier erzählt. Sie
       selbst ist als Fotografin Teil dieses Gefüges und durch ihre Gliedmaßen und
       Sinnesorgane repräsentiert.
       
       Die abgebildeten Objekte stehen für Bielaus alltägliche künstlerische
       Auseinandersetzung, die körperliche und geistige Dimension ihrer Arbeit,
       die dafür unabdingbare Sorge sowie die Pflege von Kontakten zu sich selbst
       und anderen. In dieser Lesart ist das Bild einer Scheibe Butterbrot ein
       Ausdruck existenzieller Bedürfnisse.
       
       ## Die Bilder wirken sachlich
       
       Die eigene Hand wird zur Voraussetzung, um tätig zu sein. Sie kann sich
       aber auch, wie in der Abbildung zweier verschlungener Fäuste, in eine
       Kraftanstrengung gegen sich selbst wenden. Die Bilder wirken sachlich und
       in ihrer Zusammenstellung unendlich erweiterbar, doch Bielau erkennt gerade
       in der scheinbaren Einfachheit der Fotografie die Herausforderung für ihre
       Arbeit.
       
       In der formalen Gestaltung und Anordnung der Fotografien thematisiert
       Bielau die Arbeit am Bild als einen Prozess konzeptueller und
       künstlerischer Entscheidungen. Dabei agiert sie frei von fotografischen
       Konventionen und Erwartungen. Ihre Bilder entsagen sich oberflächlicher
       Attraktivität und technischer Perfektion.
       
       Sie zeigt Flecken auf der Linse und bemüht sich nicht um eine saubere
       Retusche. Ihre in Grautönen gehaltene Fotografie ist losgelöst von den
       Größenverhältnissen der eigentlichen Objekte und setzt diese fast ohne
       Tiefenwirkung ins Bild. Bielau findet so eine formale Ebene, die die
       Objekte der Arbeit in abstrakte Formen übersetzt und ihnen eine Präsenz
       fernab ihrer Funktion zugesteht.
       
       ## Zahlreiche Verbindungen
       
       In dieser Abstraktion lassen sich zahlreiche Verbindungen zu anderen
       Künstler*innen ausmachen. Die fragilen, aber bestimmten Linien in einem
       aufgeschlagenen Heft lassen an die minimalistischen Zeichnungen von Agnes
       Martin denken. Die von Hand gemalte Sprechblase, die über den Rand des
       Bildes hinausragt, erinnert an die gespielte Banalität der einst Grenzen
       überschreitenden Pop-Art, und die Brotschreibe ist auch ein Sujet von
       Hans-Peter Feldmann.
       
       Bielau beschreibt die Beziehungen zwischen den Werken als Komplexität und
       Vernetzung innerhalb der Kunst. Die Rezeption und der Austausch mit
       Positionen, Konzepten und Erfahrungen gehen in ihr Werk ein und zeigen
       Arbeit als eine beständige Beschäftigung und Teilhabe.
       
       Was Bielau in ihrem Werk nicht zeigt, ist vermeintliche Produktivität.
       Vielmehr ist die Serie eine Suche nach den elementaren und grundlegenden
       Dingen der Arbeit am Bild. Bielau ist nicht streng, mahnend oder belehrend,
       sondern immer wieder subtil humorvoll.
       
       ## Ameisen laufen durch das Atelier
       
       Etwa wenn Ameisen – ein wiederkehrendes Motiv in ihrem Schaffen – durch das
       Atelier laufen, Bahnen gestreifter Zahnpasta monumental das Bild besetzen
       oder die Umrisse von Turnschuhen so unprätentiös und ohne Rücksicht auf
       Verluste am ursprünglichen Foto freigestellt wurden.
       
       Bielau, Jahrgang 1981 und geboren in Halle an der Saale, hat nach ihrer
       [1][Ausbildung zur Fotografin bei Timm Rautert] und Peter Piller an der
       Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig studiert. Bereits 2015 zeigte
       sie Auszüge aus „Arbeit“ als Ausstellung. Nun, nach einem Jahr
       Coronapolitik, Homeoffice und Quarantäne, scheint dieses Werk umso
       dringlicher. Was ist Arbeit? Wo fängt sie an, wo hört sie auf? Oder mit
       Hannah Arendt gefragt: Was tun wir, wenn wir tätig sind?
       
       Bielaus Auseinandersetzung mit diesen Fragen begann in Industriebetrieben
       und Fabriken, wo sie die Angestellten im Wechsel von Tag- und Nachtschicht
       fotografierte. Schließlich richtete sie ihren Blick auf sich selbst, um
       sich diesem großen, allumfassenden Thema zu widmen. Arbeit ist für sie eine
       Konstante lebendigen Daseins, die sich in ihrer physischen, psychischen und
       sozialen Dimension nicht in ökonomischen Debatten auflösen lässt.
       
       In diesem Sinne ist Bielaus Serie „Arbeit“ eine konsequente und
       gleichermaßen behutsame Annäherung, die nichts als banal oder
       selbstverständlich abtut. Am Ende steht das künstlerische Werk. Es ist mehr
       als das Ergebnis von Arbeitsabläufen und dennoch nicht das einzige Resultat
       dieser Arbeit.
       
       22 Jun 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Fotograf-Timm-Rautert-im-Museum-Folkwang/!5761128
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Maxie Fischer
       
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