# taz.de -- Wie die Uefa JournalistInnen erzieht: Der erste Akteneintrag
       
       > Ständig muss man als Journalistin bei einer EM an alles denken, an
       > Reisepass, Schlüssel, Portemonnaie, Akkreditierung. Und wehe, man
       > vergisst etwas.
       
 (IMG) Bild: Fußballbürokratie: Uefa-Bedienstete kontrollieren hier beispielsweise Akkreditierungsausweise
       
       Ich bin kürzlich von der Uefa verwarnt worden. Straffällig in Fußballland.
       Das kam so: Als Pressevertreterin muss ich vorher angeben, welche Spiele
       ich besuchen will. Das heißt, man bittet bei jedem Spiel gnädigst,
       berichten zu dürfen. Die Uefa hebt oder senkt den Daumen. Eine Erlaubnis
       hatte ich für Ungarn-Frankreich. Ich bin aber noch gar nicht in Budapest,
       und ich hatte, weil diese Prozedur Monate her ist, völlig vergessen,
       abzusagen. Eine verächtliche Mail schreibt die Uefa. Dass sich das nicht
       gehöre „als Profi und aus Respekt vor den Kollegen“. Dass es „negative
       Auswirkungen“ haben werde [1][für meine Akkreditierungen] und weitere
       Events.
       
       Was genau für Auswirkungen, das steht da natürlich nicht. Nur noch dieser
       Satz: „Das Nicht-Auftauchen wurde in Ihre Akte eingetragen.“ Besser hätte
       es die Stasi nicht formulieren können. Weist man mich nun beim Finale
       triumphierend vor der Tür ab? Ist man verdammt in alle Ewigkeit? Es tut mir
       wirklich furchtbar leid, das vergessen zu haben.
       
       Solche Turniere sind, muss man wissen, für chaotische Menschen schwer. Die
       Uefa weiß ja gar nicht, wie schwer. Ständig muss man an alles denken, an
       Reisepass, Schlüssel, Portemonnaie, Akkreditierung. Wie ein tibetischer
       Mönch wiederhole ich bei jedem Ortswechsel im Kopf diese
       Unerlässlichkeiten. Deadlines, Buchungen, Akkreditierungen sind tägliche
       Stolperfallen.
       
       [2][Bei dieser Covid-EM] ist es aber damit nicht getan. Jedes Land verlangt
       eine unübersichtliche Liste an Formularen, Einreiseanfragen, PCR-Test. All
       das muss man schon Tage vor jedem Flug organisieren, ich teste quasi in
       Dauerschleife. Wer denkt sich so was aus? Die Tatsache, dass ich in zig
       Städten mit hustenden MitbürgerInnen in Testzentren stehe, ist
       wahrscheinlich der sicherste Weg, Covid überhaupt erst zu kriegen, aber was
       weiß denn ich.
       
       Den meisten Teil des Alltags versuchen wir Chaosprinzen und
       Chaosprinzessinnen, nicht aufzufallen. So wie NichtschwimmerInnen im Pool,
       man legt sich lässig auf die Luftmatratze. Großturniere sind aber Titanic,
       nicht Pool. Schwimm oder finde die Holzplanke. Es ist schon vorher völlig
       klar, dass es unmöglich wird, nichts zu vergessen. Also versuche ich
       gezielt, Unwichtiges zu vergessen. Bei der letzten Frauen-WM habe ich drei
       Mal mein Badezimmerzeugs verloren. Ich habe es nachgekauft und das
       Nachgekaufte wieder verloren. Das funktionierte super, alles Wichtige
       überstand das Turnier in meinen schützenden Armen.
       
       Ich überlege, ob ich all das der Uefa erzählen soll. Ob da wohl ein
       Chaosprinz am anderen Ende sitzt, der wissend nickt, solidarisch lächelt
       und meinen Aktenvermerk streicht. Ich entscheide mich dagegen. Ich schreibe
       in unterwürfigstem Ton, dass es mir furchtbar leid tue, dass es mein erstes
       großes Männerturnier sei, und das komme – versprochen – nie wieder vor. Ich
       bin eigentlich recht zufrieden. Eine Minute später kommt eine
       automatisierte Mail zurück. Dieser Kanal sei nicht besetzt. Und nochmal für
       Blöde: Meine Nachricht lese niemand.
       
       22 Jun 2021
       
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