# taz.de -- Bildungspolitik von Bürger*innen: „Personalmangel ist das Problem“
       
       > Das Bürgerforum soll bundesweite Lösungen für ein besseres Bildungssystem
       > erarbeiten. Die Berlinerin Angelika Oettinger diskutiert mit.
       
 (IMG) Bild: Schule, eine bunte Baustelle
       
       taz: Frau Oettinger, wie war es für Sie, als Sie erfahren haben, dass Sie
       eine der 500 Losbürger*innen für das Bürgerforum Bildung und Lernen
       sind? 
       
       Angelika Oettinger: Zuerst war ich sehr überrascht. Schließlich war es ein
       Zufallstreffer, dass ich beruflich lange im Bildungsbereich gearbeitet
       habe. Jetzt schaue ich aber voller Vorfreude auf das Wochenende.
       
       Als ehemalige Lehrerin am Paulsen-Gymnasium in Steglitz kennen Sie die
       Probleme des Bildungssystems aus der Praxis. Was läuft in Berlin schief? 
       
       Eine Menge (lacht). Es gibt mehr Probleme, als dass man sagen könnte, es
       läuft befriedigend gut.
       
       Das müssen Sie erklären. 
       
       Das größte Problem ist der Personalmangel. Es gibt zu wenig Lehrkräfte und
       zu große Klassen. Als ich selbst noch Schülerin am Gymnasium war, waren wir
       schon 35 Jugendliche in einer Klasse. Daran hat sich im Berliner
       Schulalltag seitdem nichts geändert. Die Belastung für die Lehrkräfte nimmt
       stetig zu, es wird mehr verlangt, aber gleichzeitig nicht mehr bezahlt. So
       entsteht ein Ungleichgewicht. Und was mir besonders wichtig ist: Für guten
       Unterricht sind die Schulen in Berlin nicht gut ausgestattet. In Fachräumen
       und Sportanlagen fehlen häufig die Geräte. Man kann nicht einmal vernünftig
       einen Film zeigen.
       
       Ist das die Berliner Perspektive, die Sie einbringen? 
       
       In Berlin wurde über die letzten 40 Jahre sehr viel eingespart. Viele
       Schulen wurden in den Jahren von 1900 bis 1910 gebaut. Deshalb plädiere ich
       dafür, dass unsere Schulen mehr renoviert werden müssen. Schließlich leiden
       ganze Jahrgänge darunter, wenn Baumaßnahmen vier Jahre liegenbleiben. Es
       wirkt zwar wie eine Kleinigkeit, wenn die Jungentoilette mal nicht
       funktioniert; langfristig wirkt sich das aber negativ auf das Lernklima
       aus. Zumal ständig irgendetwas kaputt ist.
       
       Das deckt sich mit den Themenbereichen, die vorab für das Bürgerforum
       festgelegt wurden. „Ressourcen und Ausstattung“ steht auch auf der Agenda. 
       
       Genau, es wurden acht Schwerpunktthemen gesetzt, für die wir
       Lösungsvorschläge erarbeiten möchten. Außerdem konnte ich drei Bereiche
       wählen, für die ich mich besonders interessiere. Die anderen Schwerpunkte
       sind genauso wichtig, durch meine Berufserfahrung habe ich aber zu den
       Themen „Ressourcen und Ausstattung“, „Lehrkräfte Erzieherinnen und Erzieher
       im Fokus“ und „Individuelles, ganzheitliches Lernen und Lernkultur“ die
       größte Expertise. Außerdem hängen all diese Aspekte zusammen.
       
       Inwiefern? 
       
       Oft wird die Digitalisierung an Schulen bemängelt – und das zu Recht. Ich
       denke aber nicht, dass darin das Hauptproblem liegt und würde fundamentaler
       ansetzen. Wenn die grundsätzliche Ausstattung an einer Schule fehlt und die
       Arbeitsintensität für Lehrer*innen und Schüler*innen sehr hoch ist,
       dann leidet letztlich die Effizienz. Lehrkräfte sind ausgebrannt und das
       individuelle Lernen der Schüler*innen wird vermindert.
       
       Wie lässt sich das verbessern? 
       
       Neben einer besseren Ausstattung und mehr Renovierungsmaßnahmen müssen
       Lehrkräfte und angehende Referendar*innen stärker entlastet werden.
       Wenn die Lehrkräfte weniger Stress haben, verbessert das das Lernumfeld für
       beide Seiten.
       
       Wie werden die Diskussionen dazu beim Bürgerforum ablaufen? 
       
       Wir treffen uns online in Kleingruppen und tauschen uns zu den
       Themenfeldern aus, für die wir eingeteilt wurden. Anschließend werden die
       Vorschläge mit den anderen Gruppen abgeglichen, um eine Einigung zu finden.
       Ich denke, dass das sehr konstruktiv abläuft.
       
       Was erhoffen Sie sich von dem digitalen Treffen? 
       
       Ich wünsche mir, dass wir als Bürgerforum Vorschläge erarbeiten, die dann
       tatsächlich Einfluss auf die Berliner Bildungspolitik haben. Wenn das
       Wochenende gut läuft, kann ich mir vorstellen, mich im Bürgerrat weiterhin
       für unsere Ziele zu engagieren.
       
       27 May 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jacqueline Dinser
       
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