# taz.de -- Bedingungsloses Grundeinkommen: Drei Jahre nichts müssen müssen
       
       > Verjubeln, investieren, sparen? 122 Leute bekommen 1.200 Euro monatlich
       > zusätzlich zum normalen Einkommen geschenkt. Wie verändert das ihr Leben?
       
 (IMG) Bild: Michael Bohmeyer, Initiator des Vereins „Mein Grundeinkommen“
       
       Berlin taz | Irritiert betrachteten die wenigen Tourist:innen am
       Dienstag das Gerät, das eigentlich nichts am Rande der Reichstagswiese in
       Berlin zu suchen hatte. Der gelb-rot-grüne Bankautomat spuckte
       geldscheinähnliche Papiere aus, allerdings mit der ungewöhlichen Notierung
       von 1.200 Euro. Symbolträchtige Fotos mit dem Bundestag im Hintergrund
       erschufen so die Organisator:innen des Pilotprojekts
       [1][Grundeinkommen].
       
       Völlig real waren dagegen die Überweisungen von jeweils 1.200 Euro, die die
       122 Teilnehmenden des wissenschaftlichen Experiments ebenfalls am Dienstag
       erstmals erhielten. Jeden Monat bekommen sie nun diesen Betrag geschenkt,
       drei Jahre lang, finanziert aus privaten Spenden. Das Geld fließt
       zusätzlich zu den normalen Einkünften der Empfänger:innen. Diese können es
       verjubeln, investieren, verleben oder sparen. Bedingungen sind daran nicht
       geknüpft.
       
       Denn genau darum geht es: Wie verhalten sich Menschen, wenn sie ein
       sogenanntes bedingungsloses Grundeinkommen beziehen, das sie auf
       bescheidenem Niveau von allen materiellen Sorgen befreit? Macht es sie
       faul, oder spornt es sie an? Psychologieprofessorin Susann Fiedler, die das
       Pilotprojekt wissenschaftlich begleitet, tippt eher auf Letzteres.
       
       Ein solches Forschungsprojekt findet hierzulande zum ersten Mal statt. Es
       ist ein Ergebnis der Debatte, die Mitte der 2000er Jahre durch die
       Einführung von Hartz IV begann. Die Kritik am Sozialsystem verstummt
       seitdem nicht mehr.
       
       ## Neue Dynamik in einer alten Debatte
       
       Und neue Aspekte kommen hinzu: „Wir stehen vor [2][großen Herausforderungen
       in einer digitalisierten Arbeitswelt], für die wir bisher keine Lösungen
       haben“, sagte Michael Bohmeyer vom Verein Mein Grundeinkommen. Er meint:
       Wovon sollen in Zukunft die Beschäftigten leben, die eventuell von
       intelligenten Maschinen wegrationalisiert werden?
       
       Als die Organisator:innen im vergangenen August zur Bewerbung
       aufriefen, meldeten sich sagenhafte 2,1 Millionen Leute, die teilnehmen
       wollten. Aus ihnen wurden 1.500 Personen ausgewählt – 1.378 als
       Vergleichsgruppe, die kein Grundeinkommen erhalten, und eben die 122
       Glücklichen. Das sind nun ausschließlich Einpersonenhaushalte zwischen 21
       und 40 Jahren, die normalerweise zwischen 1.200 und 2.600 Euro netto
       monatlich zur Verfügung haben.
       
       ## Die „Mitte der Gesellschaft“ im Blick
       
       Menschen, die in Armut leben oder Niedriglöhne erhalten, sind nur am Rande
       beteiligt. Jürgen Schupp, Soziologe vom Deutschen Institut für
       Wirtschaftsforschung (DIW), begründete das so: „Wir zielen in die Mitte
       der Gesellschaft.“ Es gehe darum, den Umgang der Mittelschicht mit einem
       Grundeinkommen zu erforschen.
       
       „Unser Experiment passt in die Zeit, weil die Coronakrise auch Schwächen
       des aktuellen sozialen Sicherungssystems verdeutlicht hat“, sagte Schupp
       außerdem. Im vergangenen Jahr senkte die Bundesregierung die Hürden für
       Hartz IV, doch viele Selbstständige verschmähten das Angebot trotzdem.
       Unter anderem deshalb erhielt die Aktivistin Susanne Wiest 2020 rund
       176.000 Unterschriften für ihre Grundeinkommen-Petition. Solche Initativen
       machen Druck auf die Politik. Im Grundsatzprogramm der Grünen heißt es
       neuerdings: „Wir orientieren uns an der Leitidee eines Bedingungslosen
       Grundeinkommens.“ Die Linkspartei plant im kommenden Jahr einen
       Mitgliederentscheid.
       
       1 Jun 2021
       
       ## LINKS
       
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