# taz.de -- Neuer Umsturz in Mali: „Haben wir eine Regierung?“
       
       > In Mali tritt der Putschführer von 2020, Oberst Assimi Goïta, erneut in
       > Aktion. Er setzt Präsident und Premier ab, „um die Republik zu
       > verteidigen“.
       
 (IMG) Bild: Acht Monate später schon wieder abgesetzt: Interimspräsident Bah Ndaw bei Amtseinführung 2020
       
       Cotonou taz | In Mali spitzt sich die politische Krise weiter zu – und die
       Militärführer, die [1][im August 2020] die bisherige gewählte Regierung
       gestürzt hatten, treten erneut in Erscheinung. Am Dienstagmittag hat
       Vizepräsident [2][Oberst Assimi Goïta] im Staatsfernsehen die Entlassung
       von [3][Präsident Bah Ndaw] und Premierminister Moctar Ouane bekannt
       gegeben. Goïta, der als Kommandeur einer Einheit malischer Spezialkräfte
       den Putsch von 2020 angeführt hatte, beschuldigt die beiden, gegen die
       geltende „Übergangscharta“ verstoßen zu haben.
       
       „Um die Übergangscharta zu erhalten und die Republik zu verteidigen“, so
       Goïta, sehe er sich „in der Pflicht zu handeln“ und „den Präsidenten,
       seinen Premierminister sowie alle an der Situation beteiligten Personen
       ihrer Befugnisse zu entledigen“. Der Fahrplan für die Rückkehr zu einer
       zivilen Regierung mit Wahlen „im Laufe des Jahres 2022“ solle allerdings
       fortgesetzt werden.
       
       Ist das nun ein neuer Militärputsch? „Es ist eine sehr komplexe Situation“,
       sagt Abdoul Kassim Fomba, nationaler Koordinator der Denkfabrik Think Peace
       in Bamako, der taz nach der Ansprache Goïtas. „Vieles wissen wir noch gar
       nicht. Wird der Vizepräsident jetzt Präsident? Haben wir überhaupt noch
       eine Regierung?“
       
       Am Montagabend waren Ndaw und Ouane gemeinsam mit dem neuen
       Verteidigungsminister Souleymane Doucoure in ihren Häusern in Bamako
       verhaftet und in die Militärkaserne Kati 16 Kilometer außerhalb der Stadt
       gebracht worden. Bis Dienstagmittag wartete man gespannt auf Neuigkeiten.
       In Bamako selbst war die Stimmung zunächst ruhig, und nicht mehr Militär
       als üblich war unterwegs.
       
       ## Absehbare Krise
       
       Für Beobachter*innen war das massive Durchgreifen einerseits
       überraschend, andererseits hatte sich [4][das politische Klima in den
       vergangenen Wochen] immer mehr verschlechtert. „Die Spannungen innerhalb
       der Regierung waren kein Geheimnis. Es war absehbar, dass es zu einer Krise
       kommt“, sagt zur taz Thomas Schiller, Direktor des Regionalprogramms Sahel
       der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung.
       
       Am 14. Mai hatte Premierminister Ouane seinen Rücktritt eingereicht und war
       von Präsident Ndaw erneut mit der Regierungsbildung beauftragt worden – mit
       dem Auftrag einer Öffnung des Kabinetts in Vorbereitung der für Februar
       2022 geplanten Wahlen. Zuvor war immer wieder der große Einfluss des
       Militärs kritisiert worden, der den Eindruck erweckte hatte, dass den
       Generälen nicht an der Rückkehr zu einem Mehrparteiensystem gelegen sei.
       
       An diesem Montag wurde die neue Kabinettsliste bekannt gegeben. Das
       Kabinett hat einen zivileren Charakter als sein Vorgänger, aber 4 der 25
       Ministerposten haben weiterhin Militärs inne. Eine Verbesserung im
       Vergleich zur alten Regierung sah also niemand. Allerdings waren nun
       [5][auch die Militärs unzufrieden]: Nicht mehr im Kabinett sind der
       bisherige Verteidigungsminister Sadio Camara sowie Sicherheitsminister
       Modibo Koné. Das dürfte für Unmut in Teilen der Armee gesorgt haben.
       
       ## Streit, Bitterkeit und Sorge
       
       Die internationale Gemeinschaft verurteilte die Entwicklungen umgehend. Für
       die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) wurde der Besuch von
       Nigerias Ex-Präsident Goodluck Jonathan in Mali erwartet. Er hat seit
       vergangenem Jahr regelmäßig in Bamako vermittelt, auch zwischen dem im
       August abgesetzten Präsident [6][Ibrahim Boubacar Keïta] sowie der
       Oppositionsbewegung M5-RFP, die mit ihren Demonstrationen als Wegbereiter
       für den Staatsstreich gegolten hatte. Sie hatte in den vergangenen Wochen
       eine Regierungsbeteiligung abgelehnt und zu neuen Protesten im Juni
       aufgerufen.
       
       Die [7][UN-Stabilisierungsmission für Mali (Minusma)] fordert, den Fahrplan
       für den Übergang bis zu den Parlaments- und Präsidentenwahlen am 27.
       Februar 2022 einzuhalten. Diese Übergangszeit gilt als fragil. „Wir fragen
       uns, ob das Absetzen von Präsident und Premierminister sie weiter
       blockiert. Werden außerdem Zusagen von Partnern eingehalten, uns zu
       begleiten?“, so Abdoul Kassim Fomba.
       
       Thomas Schiller warnt: „Die Befürchtung, dass sich alles wieder verzögern
       könnte, ist da. Es fehlt Zeit.“ Gegenüber der Nachrichtenagentur AFP sagt
       [8][Bréma Ely Dicko] von der Universität Bamako: „Wir sind gespalten
       zwischen Bitterkeit und Sorge um die Stabilität.“ Terroristische Gruppen
       könnten ungehindert über Millionen Malier*innen herrschen, „während man
       sich in Bamako um die Früchte des Staatsstreichs streitet“.
       
       25 May 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katrin Gänsler
       
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