# taz.de -- Anthropologe über Putsch in Mali: „Nun entscheidet die Armee“
       
       > Ein Staatsstreich von der malischen Zivilbevölkerung hätte breitere
       > Unterstützung erfahren als der von der Armee, glaubt Bréma Ely Dicko.
       
 (IMG) Bild: Oberst und Major Ismaël Wagué (Mitte)
       
       taz: Herr Dicko, wie beurteilen Sie die Lage in Malis Hauptstadt Bamako
       einen Tag [1][nach dem Putsch] ? 
       
       Bréma Ely Dicko: Es ist sehr ruhig in Bamako. Die Menschen gehen ihren
       Alltagsaktivitäten nach, und die Geschäfte haben wieder geöffnet. Einige
       Soldaten sind in der Stadt unterwegs. Jetzt kommt es auf die weitere
       Entwicklung an.
       
       Viele Bilder zeigen vor allem junge Menschen, [2][die den Putschisten
       zujubeln]. Ist die Bevölkerung tatsächlich so mit dem Umsturz zufrieden? 
       
       Für Bamako kann man dem zustimmen. Als es am Dienstag die ersten
       Informationen über die Ereignisse gab, haben sich Jugendliche spontan auf
       dem Boulevard der Unabhängigkeit in Bamako versammelt. Wenig später haben
       sie die ersten Barrikaden aufgebaut, um den Verkehr zu regeln. Um 15 Uhr
       war der Boulevard voll mit Menschen, und es gab Aufrufe, auch in anderen
       Teilen des Landes Freude zu zeigen. Auch als das Militär den Präsidenten
       festgesetzt hat, blieb alles unter Kontrolle. Militär und Jugendliche haben
       Übereinstimmung demonstriert.
       
       Ist so viel Jubel nicht befremdlich? Der Armee ist in der Vergangenheit
       immer wieder vorgeworfen worden, Terrorismus und Gewalt nicht effektiv zu
       bekämpfen. 
       
       Die Malier*innen wissen, dass es innerhalb des Staatsapparats Korruption
       gibt. Wegen des Missmanagements der öffentlichen Gelder sind die Soldaten
       nicht gut ausgebildet gewesen.
       
       Wer ist nun innerhalb der Armee verantwortlich für den Staatsstreich? 
       
       Wir konnten im Fernsehen sehen, dass es ein Zusammenschluss aus allen
       Bereichen ist: Gendarmerie, Nationalpolizei, Armee. Es sind Oberste, Majore
       und ein General.
       
       Führend ist Oberst Sadio Camara. Was ist über ihn bekannt? 
       
       Er ist ein ehemaliger Ausbildungsoffizier, der seine Ausbildung in China
       und Russland erhalten hat. Außerdem gehören Malick Diaw und General Cheick
       Fanta Mady Dembele dazu. Sprecher ist Ismaël Wagué.
       
       Seit Jahren gib es zahlreiche [3][internationale Programme, malische
       Soldaten auszubilden]. Ist es ein Widerspruch, dass sie nun ausgerechnet
       putschen? 
       
       Auf keinen Fall. Sie sind gut an internationalen Schulen in den USA und
       Europa ausgebildet worden. Es ist aber ihr eigenes Land, das nicht
       funktioniert.
       
       Neben der [4][UN-Stabilisierungsmission Minusma] sind verschiedene
       internationale Militärmissionen im Land. Welche Bedeutung haben diese
       aktuell? 
       
       Es gibt die Europäische Ausbildungsmission EUTM, die Soldaten und
       Polizisten ausbildet. Vor Ort ist außerdem Barkhane sowie G5-Sahel [Mission
       der fünf Sahel-Staaten]. Letztere soll den [5][Terrorismus im Sahel]
       bekämpfen, was aber nicht klappt. Die verschiedenen Terrorgruppen sind
       weiterhin präsent.
       
       Bereits 2012 gab es in Mali einen Staatsstreich. Anschließend besetzten
       verschiedene islamistische Milizen den Norden. Ist das Land durch die
       ausländischen Interventionen seitdem stabiler geworden? 
       
       Auf keinen Fall. Barkhane hat beispielsweise 43 Soldaten verloren, die
       Minusma 102. Das ist das absolute Scheitern. Sie sagen zwar, dass sie
       einige Terroristenführer wie (Abdelmalek) Droukdel getötet haben. Aber die
       Realität ist, dass die Sicherheitslage schlechter geworden ist, und das hat
       zur Schwächung des IBK-Regimes beigetragen. Und außerdem: Internationale
       Streitkräfte sind vor Ort – aber sie bekommen nicht einmal mit, dass ein
       Staatsstreich vorbereitet wird.
       
       Ist es möglich, dass das Militär mit dem jetzigen Staatsstreich der zivilen
       Protestbewegung um den religiösen Führer Imam Mahmoud Dicko zuvorkommen
       wollte? Er fordert seit Juni den Rücktritt des Präsidenten. 
       
       Das ist eine seriöse Hypothese. Hätten Zivilist*innen den Staatsstreich
       alleine durchgeführt, hätten sie von allen Seiten Anerkennung erhalten. Sie
       hätten das Land nach ihren Vorstellungen regiert, was schwierig für die
       Armee gewesen wäre. Nun ist sie die Akteurin und sie trifft die
       Entscheidungen.
       
       Welche Etappen sind nun nötig, um die Krise zu beenden? 
       
       Wichtig ist, dass die Verantwortlichen für den Staatsstreich das Vertrauen
       der Mehrheit gewinnen. Alle Akteur*innen müssen zur Zusammenarbeit bereit
       sein. Danach muss ganz schnell ein Fahrplan erstellt und ein Gremium
       geschaffen werden. Sonst werden sie selbst in wenigen Monaten wieder
       verjagt werden.
       
       20 Aug 2020
       
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 (DIR) Katrin Gänsler
       
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