# taz.de -- Der 65. Eurovision Song Contest: Auf highesten Heels
       
       > Nach einem Jahr Coronapause haben es sechundzwanzig Acts in das Finale
       > von Rotterdam geschafft. Aber wer gewinnt? Eine Prognose.
       
 (IMG) Bild: Auftritt der Gruppe Destiny in Rotterdam am 21. Mai.2021
       
       Nach einem Jahr Coronapause: Der 65. Eurovision Song Contest aus Rotterdam,
       39 Acts machten mit, 26 sind nun im Finale. Die Wertung setzt sich aus
       Juryvoten (Expert*innen) und Televoting zusammen. Trends dieses Jahr:
       klassisch Hedonistisches (kurze Röcke über knappen Tops); etliche Acts
       betonen zeitgeistig Queerness, Postkoloniales, Antirassistisches und
       Feministisches auch, klar, Achtsamkeit, Resilienz und Wokeness.
       
       1 Zypern: Elena Tsagrinou – El diablo. Die griechisch-orthodoxe Kirche
       protestierte – die Sängerin sei zu freizügig, ein Teufel dürfe nicht
       angeschmachtet werden. Tut sie aber schön. Top 7.
       
       2 Albanien: Anxhela Peristeri – Karma. Elegisches, hochdramatisches Stück
       auf sehr hohen Schuhen inkl. intensivem Windmaschineneinsatz. Top 24.
       
       3 Israel: Eden Alene – Set Me Free. Die äthiopischstämmige Israelin hat
       eine großartige Stimme und interessante Moves zu bieten, obendrein die
       schönste Brezelfrisur des Abends. Top 12.
       
       4 Belgien: Hooverphonic – The Wrong Place. Die Trip-Hop-Giganten aus dem
       interessantesten Land der EU: Für viele der Act des Abends, cool –
       Geheimtipp – für die Top 9.
       
       5 Russland: Manischa – Russian Woman. Die Sängerin, Flüchtling aus
       Tadschikistan aus schlimmsten Verhältnissen, in Moskau, ihrer neuen Heimat,
       eine der wichtigsten Stimmen mit feministischer Botschaft. Top 8.
       
       6 Malta: Destiny – Je me casse. Wuchtbrumme selbstbewusstesten Lebensstils,
       die über einen Mann singt, der sie begehrt. Aber, so singt sie: „Hell no, I
       am not your honey / Hell no, I don’t want your money.“ Top 9.
       
       7 Portugal: The Black Mamba – Love Is On My Side. Jazzy, ruhig und damit
       interessant. Der Leadsänger leicht mit Tom-Waits-Touch. Geheimtipp: Top 8.
       
       8 Serbia: Hurricane – Loco Loco. Kein Act in weltverbesserischer Allure,
       sondern: Drei Frauen auf highesten Heels, ausgerüstet mit ca. zehn Kilo
       Extensions und Make-up in Hülle und Fülle, die auch noch gut singen.
       Siegerinnen der Herzen. Top 10.
       
       9 Vereinigtes Königreich: James Newman – Embers. Mal kein drahtig
       abgehungerter Haken, sondern ein Mann, der gerne isst, was gut aussieht.
       Das Lied? Lounge-Funkyness. Irgendwo in den Top 25.
       
       10 Griechenland: Stefania – Last Dance. Disco der kykladischen Art,
       Souflaki-Pop, die Melina Mercouri nicht goutiert hätte. Egal: Top 14.
       
       11 Schweiz – Gjon’s Tears – Tout l’univers. Als ob Valeska Gert ihn
       gecoacht hätte, ausdruckswillig, dieser vielleicht nonbinäre (?, egal) Mann
       mit Vogelnestfrisur. Top 11.
       
       12 Island: Daði og Gagnamagnið – 10 Years. Camp wie aus Geysiren geschöpft.
       Farbenfroh, freundlich und charmant. Top 7.
       
       13 Spanien: Blas Canté – Voy a quedarme. Schnulzenalarm. Mann unter einem
       riesigen Mond im Bühnenhintergrund. Unerheblich. Letzter Platz gut möglich.
       
       14 Moldau: Natalia Gordienko – Sugar. Ein Lied, das auf keinem
       Eurodiscosampler stören würde, das Zuckerchen. Top 17.
       
       15 Deutschland: Jendrik – I Don’t Feel Hate. Mit Ukulele, Fröhlichkeit und
       blondierter Frise: Alle Themen der Zeit dabei. Queeres, BiPoCmäßiges,
       Kopftuchfragen, mollige Körperlichkeit. Viel zu gut gemeint? Top 23.
       
       16 Finnland: Blind Channel – Dark Side. Lärm aus dieser Weltgegend: Seit
       Lordis Hardrock-ESC-Sieg 2006 nix Besonderes. Überhörbar aber doch. Top 16.
       
       17 Bulgarien: Victoria – Growing Up Is Getting Old. Wie eine Tochter von
       Kate Bush. Das Lied erzählt in freundlicher Sphärischkeit vom Kummer der
       Reife. Top 9.
       
       18 Litauen: The Roop – Discotheque. Der Titel spricht für sich: tanzbar,
       frisch und ein wenig bizarr. Angenehmer Elektroklang, in gelben Looks, dazu
       unique Fingerspiele. Top 10 möglich.
       
       19 Ukraine: Go A – Schum. Ethno-Stück, in dem diese Passage im Text zu
       hören ist: „Sie haben Lärm gemacht, / sie haben den Frühling geweckt. / Die
       kleinen Koniferen.“ Klasse. Top 7.
       
       20 Frankreich: Barbara Pravi – Voilà. Enfin: keine hochgedröhnte Nummer,
       dafür eine Chanteuse in der Tradition Brels, Barbaras und Aragons.
       Intensiv, ja, Titelfavoritin, zurecht. Top 2.
       
       21 Aserbaidschan: Efendi – Mata Hari. Flamboyantes Stück in Sachen
       Selbstbehauptung, Easy Oriental Style. Top 15.
       
       22 Norwegen: TIX – Fallen Angel. Überfrachtetste Performance des Abends,
       sehr gut. Der Mann, den ein Tourettesyndrom plagt (sagt er) kommt
       angekettet als Kandidat der Herzen. Top 8!
       
       23 Niederlande: Jeangu Macrooy – Birth Of A New Age. Easy-Listening-Rap
       gegen Rasssismus und Ausgrenzung. Man vermisst drei Minuten irgendeinen
       Hook … Top 22 bestimmt.
       
       24 Italien: Måneskin – Zitti e buoni. Der Bandname („Mondschein“) mogelt:
       Es ist eine hardrockinspirierte Nummer, nix von italienischem Schmelz
       früherer Jahrzehnte. Titelfavorisiert, klar.
       
       25 Schweden: Tusse – Voices. Kürzlich als unbegleiteter Flüchtling aus dem
       Kongo gekommen, jetzt Hoffnung des Abba-Landes. Pompös, knallrot im Look,
       kein Juwel, aber ein Act in prima Strass, ultraqueer: Top 11.
       
       26 San Marino – Senit (feat. Flo Rida) – Adrenalina. Flottes Stück, ein
       prima Rausschmeißer, ehe abgestimmt wird. Top 9.
       
       22 May 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Feddersen
       
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