# taz.de -- Politische Analystin über Gaza: „Die Menschen beten für Sicherheit“
       
       > Die meisten Zivilist*innen im Gazastreifen haben keinen Bezug zur
       > bewaffneten Politik der Hamas, sagt die politische Analystin Reham Owda
       > in Gaza-Stadt.
       
 (IMG) Bild: Gaza am 13. Mai 2021, das Gebäude wurde von israelischen Raketen zerstört
       
       taz: Frau Owda, Israels Armee hat auf die Raketen der Hamas mit massiven
       Luftangriffen im Gazastreifen reagiert. Wie haben Sie die letzten Tage
       erlebt? 
       
       Reham Owda: Meine Familie und ich leiden noch unter der psychischen
       Belastung nach dem Grauen. Wir haben in den letzten Tagen des Ramadan
       gefastet und waren hungrig und durstig. Und dann diese Unsicherheit,
       besonders in dem Moment, als Israel die Gebäude des Innenministeriums in
       der Nähe unserer Nachbarschaft bombardierte. Es war 6 Uhr morgens. Wir sind
       aus unseren Betten gesprungen, unser Haus zitterte. Es war, als hätte ein
       Erdbeben das Fundament unseres Hauses bewegt. Das hatten wir seit dem Krieg
       2014 nicht mehr erlebt.
       
       Mehr als 80 Menschen in Gaza wurden getötet, darunter Zivilist*innen. Wie
       reagiert die Bevölkerung auf diese Eskalation der Gewalt? 
       
       Sie ist entsetzt, betet für ihre Sicherheit und dafür, dass diese Schlacht
       endet. Statt sich gegenseitig zum Zuckerfest zu gratulieren, das am
       Donnerstag begonnen hat, gucken alle, ob Verwandte und Freunde in
       Sicherheit sind. Die Kinder sind wütend, weil sie ihre Freunde nicht
       besuchen oder in Parks gehen können. Die Familien, die ihr Zuhause verloren
       haben, als Israel drei Hochhäuser angriff, sind verzweifelt, weil sie ihre
       Traumwohnungen durch die Eskalation verloren haben und Möbel, Kleidung und
       Erinnerungen zurücklassen mussten.
       
       In den angesprochenen Hochhäusern soll auch die Hamas Büros gehabt haben.
       Wie ist es möglich, dass Menschen die Hamas unterstützen, obwohl sie
       Raketen auf zivile Ziele abfeuert und Israel veranlasst, Gaza anzugreifen? 
       
       Die meisten Zivilist*innen haben [1][keinen Bezug zur bewaffneten
       Politik der Hamas.] Die meisten wollen einfach in Frieden und Sicherheit
       leben. Aber die Hamas bekommt auch Unterstützung von ihren eigenen
       Mitgliedern und von Leuten, die mit anderen Gruppierungen verbunden sind.
       Sie befürworten es, die israelische Besatzung mit Waffengewalt zu
       bekämpfen.
       
       Wie lebt es sich unter diesen Bedingungen? 
       
       Seit 2006 steht der Gazastreifen unter israelischer Blockade. Die meisten
       Grenzen sind geschlossen und die Reise- und Bewegungsfreiheit ist stark
       eingeschränkt. Es gibt kein sauberes Wasser und keinen Strom. Die
       Arbeitslosigkeit liegt bei über 40 Prozent. Dazu kommt, dass die
       Gesundheitssituation immer schlimmer wird, da sich Corona im Gazastreifen
       ausbreitet und die meisten Krankenhäuser mit Covidpatient*innen
       überfüllt sind. [2][Es fehlt an Impfstoff, Beatmungsgeräten und
       Medikamenten.] Mit der militärischen Eskalation sind jetzt die meisten
       Krankenhausbetten mit Verletzten belegt. Laut einem Bericht des
       Gesundheitsministeriums in Gaza wurden mehr als 360 Menschen verletzt.
       
       Verfolgen die Leute die Situation in Israel und im Westjordanland? 
       
       Da Israel den Menschen aus Gaza weder erlaubt, nach Israel noch ins
       Westjordanland zu reisen, und alle Grenzen kontrolliert, gibt es keine
       physische Verbindung. Aber die Menschen verfolgen das Geschehen auf Sendern
       wie Al Jazeera, auch wenn sie in erster Linie damit beschäftigt sind, was
       in Gaza passiert. Die eigene Sicherheit und das eigene Zuhause haben
       Priorität. Dennoch unterstützen die Menschen in Gaza immer noch [3][die
       Bewohner*innen (der von Zwangsräumung bedrohten Bewohner*innen des
       Jerusalemer Stadtteils, d. Red.) Sheikh Jarrahs] und zeigen ihre
       Solidarität über soziale Medien.
       
       14 May 2021
       
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