# taz.de -- Ausschreitungen in Israel: Eskalation mit Ansage
       
       > Jerusalem ist ein Pulverfass. Solange Palästinenser*innen dort
       > nicht die vollen Rechte haben, wird es immer wieder zu Gewaltausbrüchen
       > wie den jetzigen kommen.
       
 (IMG) Bild: Rechte Israelis feiern den Jerusalem-Tag, und damit die Kontrolle über die Altstadt und Ostjerusalem
       
       Am Jerusalemtag, so heißt es unter Israelis, wird die Wiedervereinigung
       Jerusalems nach dem Sechstagekrieg 1967 gefeiert. Ironischerweise wird
       immer wieder an eben diesem Tag deutlich: Von Einigkeit kann keine Rede
       sein. In diesem Jahr ist es besonders klar. Seit Tagen geraten
       Palästinenser*innen, Israelis und Polizei [1][so heftig aneinander wie
       schon seit Jahren nicht].
       
       Der Flaggenmarsch, mit dem ultrarechte religiöse Zionisten jedes Jahr am
       Jerusalemtag durch die Altstadt ziehen und ihre Kontrolle über Ostjerusalem
       und die Altstadt zelebrieren, ist ein Schlag ins Gesicht der
       palästinensischen Bevölkerung, von denen sich gerade viele gegen
       Zwangsräumungen wehren. Es fällt schwer, dabei von Wiedervereinigung zu
       sprechen, zumal sie völkerrechtlich nicht legal war.
       
       Die Palästinenser*innen und Jüdinnen und Juden leben in Jerusalem
       noch immer weitgehend getrennt voneinander; nur selten verirren sie sich in
       die jeweils andere Seite ihres Jerusalems. Kurz: Jerusalem ist keine
       vereinte Stadt, sondern ein Pulverfass; und der Jerusalemtag ist in erster
       Linie eine Feier der Eroberung Ostjerusalems. Keiner fragte die
       Palästinenser*innen, ob sie vereint werden wollen.
       
       Der Jerusalemtag berührt ein in vielen Jüdinnen und Juden tief verankertes
       Gefühl. Mit dem Tag wird in ihren Augen gefeiert, dass die zweitausend
       Jahre alte Sehnsucht nach dem gelobten Land, nach Jerusalem, endlich
       Realität geworden ist. „Jerusalem aus Gold“ heißt ein bekanntes
       israelisches Lied von Naomi Shemer. Die erste Strophe entstand vor dem
       Sechstagekrieg. „Der Marktplatz ist leer und niemand besucht den
       [2][Tempelberg]“, heißt es darin. Kurz nach dem Krieg fügte Shemer eine
       weitere Strophe hinzu: „Wir sind zum Marktplatz zurückgekehrt, und der
       Shofar (ein traditionelles Musikinstrument) bläst über dem Tempelberg.“
       
       ## Die Altstadt war nie leer
       
       In Shemers Fantasie, die zu einer Art zweiten Hymne Israels geworden ist,
       war die Altstadt, bevor die Juden zurückkehrten, leer, und erst die
       Jüdinnen und Juden erfüllten sie wieder mit Leben. Doch die Altstadt war
       nie leer; derzeit leben in Jerusalem rund 300.000 Palästinenser*innen. Der
       Traum vom unbewohnten Land ist mit der Realität nicht zu vereinbaren. In
       dieser Fantasie, in eine diskriminierende Politik umgesetzt, ist kein Platz
       für Palästinenser*innen.
       
       Solange dies der Fall ist, solange strukturelle Ungleichheiten ignoriert
       werden, palästinensische Bewohner*innen von Ostjerusalem nicht die
       vollen Rechte haben, solange rund 150 Familien, wie derzeit in arabischen
       Stadtteilen von Zwangsräumung bedroht sind, wird es immer wieder zu
       Gewaltausbrüchen kommen.
       
       10 May 2021
       
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