# taz.de -- Nach Messerangriff auf Paar in Dresden: Homophober Attentäter vor Gericht
       
       > Der mutmaßliche Islamist Abdullah H. soll einen Mann ermordet und dessen
       > Partner schwer verletzt haben. Den Behörden war er als Gefährder bekannt.
       
 (IMG) Bild: Der 21-jährigen Syrer muss sich für eine tödliche Messerattacke auf zwei Touristen verantworten
       
       Dresden taz | Oliver L. kommt nicht in den Gerichtssaal, obwohl er als
       Nebenkläger zu diesem Prozess zugelassen ist. Der 53-jährige Kölner hat
       sich zurückgezogen, leidet bis heute unter den Ereignissen vom 4. Oktober
       2020. Als er und sein Partner Thomas L. touristisch in der Dresdner
       Altstadt unterwegs waren und sie plötzlich mit einem Messer von hinten
       angegriffen und Oliver L. schwer verwundet wurde. Und Thomas L. tödlich
       verletzt auf dem Asphalt vor dem Kulturpalast liegen blieb.
       
       Am Montagmorgen betritt nun der Mann das Oberlandesgericht Dresden, der für
       den Angriff verantwortlich sein soll: Abdullah H., ein 21-jähriger Syrer,
       Locken und kurzer Bart, ärmlich aufgewachsen in einer elfköpfigen Familie,
       2015 nach Deutschland gekommen, seit vier Jahren von den
       Sicherheitsbehörden als islamistischer Gefährder eingestuft. Regungslos
       blickt er in die Kameras, die Handschellen muss er auch auf der Anklagebank
       anbehalten.
       
       Die anklagende Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass Abdullah H. den
       Angriff [1][aus islamistischen, homophoben Motiven beging]. Damit ist der
       Mord der einzige tödliche Islamistenangriff im vergangenen Jahr in
       Deutschland – und der erste, der sich hierzulande explizit gegen Schwule
       richtet.
       
       Schon in einer, bis kurz vor der Tat verbüßten, Haft habe Abdullah H.
       seinen Anschlagsplan gefasst, verliest Marco Mayer, Vertreter der
       Bundesanwaltschaft, die Anklage. Kurz nach der Entlassung Ende September
       2020 habe er deshalb mehrere Küchenmesser gekauft, sei am Tatabend auf der
       Suche nach „Ungläubigen“ in die Dresdner Altstadt gefahren.
       
       ## Homophobes Motiv zunächst verschwiegen
       
       Dort habe er dann Thomas L. und Oliver L. als homosexuelles Paar erkannt
       und sie unvermittelt mit zwei Messern angegriffen. Die Männer erlitten
       tiefe Wunden, eine 20 Zentimeter lange Klinge blieb im Rücken von Thomas L.
       stecken. Als die Angegriffenen sich wehrten und um Hilfe riefen, sei
       Abdullah H. geflüchtet. Thomas L. starb wenig später im Krankenhaus, Oliver
       L. wurde durch eine Notoperation gerettet. Zwei Wochen später wurde
       Abdullah H. anhand von DNA-Spuren überführt und verhaftet.
       
       Mayer wirft dem Angeklagten Mord, versuchten Mord und gefährliche
       Körperverletzung vor. Abdullah H. habe seine Opfer als Repräsentanten einer
       als ungläubig verhassten, offenen Gesellschaft gesehen und ihre
       Homosexualität als „schwere Sünde empfunden, für die er die beiden mit dem
       Tode bestrafen wollte“.
       
       Diese klaren Worte gab es nicht immer. Denn das auch homophobe Motiv
       benannten die Behörden nach der Tat zunächst nicht. Ein Sprecher der zuerst
       ermittelnden Staatsanwaltschaft Dresden antwortete auf Fragen nur, zur
       sexuellen Orientierung von Opfern äußere man sich nicht. Initiativen wie
       der Lesben- und Schwulenverband Deutschland kritisierten das Schweigen
       scharf: Die Gewalt gegen LSBTI werde so unsichtbar gemacht und öffentliche
       Solidarität verhindert. Auch reagiere die Spitzenpolitik zu verhalten auf
       den Mord. Die Verbände organisierten schließlich selbst Mahnwachen.
       
       Dabei lässt Abdullah H. keinen Zweifel an seinem Motiv. Im Prozess will er
       sich zwar nicht äußern, wie sein Anwalt am Mittwoch dem Gericht mitteilt.
       Auch auf die Anklage zeigt der 21-Jährige keine Reaktion. Auch nicht, als
       später ein aussagender Polizist mit der Fassung ringt, als er von den
       Schwerverletzten am Tatort berichtet und wie sich Oliver L. immer wieder
       nach seinem Freund erkundigte und Thomas L. schließlich sagte, er könne
       nicht mehr und bewusstlos wurde. Oder als Rechtsmediziner schildern, dass
       auch Oliver L. „unglaubliches Glück“ gehabt und Nahaufnahmen der
       Verletzungen und Obduktion kommentieren.
       
       ## Sicherungsverwahrung droht
       
       In der Haft aber redete Abdullah H. sechseinhalb Stunden mit dem
       renommierten forensischen Psychiater Norbert Leygraf, der nun als Zeuge
       auftritt. Ruhig und abgeklärt habe H. mit ihm über seine Tat gesprochen,
       berichtet Leygraf. „Als ob er über das Normalste der Welt reden würde.“
       
       Demnach bestätigte Abdullah H. ihm, dass er schon in der Haft den Plan
       fasste, „Ungläubige“ zu töten, und deshalb später die Messer kaufte, mit
       denen er in die Altstadt fuhr. Dort sei er zunächst anderen Personen
       gefolgt, habe dann aber Oliver L. und Thomas L. gesehen, die sich an den
       Händen gehalten und gelöst gelacht hätten. Darauf habe er sie als Ziel
       erkoren – und nach kurzem Zögern angegriffen.
       
       Nach seiner Flucht habe sich Abdullah H. zunächst in einem Gebäude
       versteckt, so Leygraf. Erst am Morgen sei er nach Hause gegangen und habe
       die Tat als „gut gelaufen“ bezeichnet: Er sei nicht erkannt worden und
       könne nun „größere Taten“ begehen oder zum IS nach Syrien ausreisen. Auch
       nach der Festnahme hat Abdullah H. laut Leygraf die Tat verteidigt:
       Homosexuelle dürfe man schlagen oder töten, da Gott nur Beziehungen
       zwischen Mann und Frau vorsehe. Bedauern äußerte H. nur darin, dass er
       nicht entschlossen genug vorging. Er hätte größere Messer mitnehmen und
       sich vor der Tat mit IS-Angehörigen beraten sollen. „Die Tat sei kein
       Fehler gewesen“, zitiert Leygraf den Angeklagten. Auch habe dieser offen
       kundgetan, künftig wieder „Ungläubige“ zu töten. „Aber erst, wenn er sich
       darüber beraten habe, denn es müsse auch richtig geschehen.“
       
       Die Anwälte von Oliver L. und der ebenso als Nebenklägerin zugelassenen
       Schwester des ermordeten Thomas L., auch sie nicht im Saal, äußern sich zum
       Prozessauftakt vorerst nicht. Auch für sie bleibt aber die Frage, ob die
       Sicherheitsbehörden die Tat nicht hätten verhindern können.
       
       Denn diese [2][hatten Abdullah H. schon länger im Visier]. Schon Anfang
       2016 drohte er in seiner Asylunterkunft einem christlichen Mitgeflüchteten,
       er werde ihn „schlachten“. Auf seinem Facebook-Account postete H.
       IS-Symbole, sinnierte in einer Chatgruppe über eine Ausreise zum IS in
       Syrien und bat um Bauanleitungen für Sprengstoffgürtel. Er selbst
       verschickte IS-Videos und rief einen Chatpartner zu Mordanschlägen auf.
       
       Die Polizei stufte Abdullah H. darauf als Gefährder ein. Ein Jahr später
       wurde er für die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und
       anderer Delikte zu knapp drei Jahren Haft verurteilt. Als er in der JVA
       zwei Bedienstete angriff, wurde die Strafe um mehrere Monate verlängert.
       Nach der Haftentlassung sollte sich Abdullah dreimal wöchentlich bei der
       Polizei melden und an einem Deradikalisierungsprogramm teilnehmen. Schon am
       fünften Tag in Freiheit aber verübte er seine Messerattacke. Obwohl er da
       auch unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stand – allerdings nicht zur
       Tatzeit.
       
       Abdullah H. droht nun eine lebenslange Haft, auch Sicherungsverwahrung,
       sofern er nicht nach Jugendstrafrecht verurteilt wird, worauf sein
       Verteidiger zielt. An der Täterschaft selbst gebe es ja nichts zu deuteln,
       sagt Peter Hollstein. „Er hat die Tat eingeräumt, er hielt sie aus seinen
       religiösen Motiven für richtig.“ Das Urteil soll Ende Mai fallen.
       
       12 Apr 2021
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) Konrad Litschko
       
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