# taz.de -- Bundestag berät Lieferkettengesetz: Man nennt es Fortschritt
       
       > Ein Lieferkettengesetz schien lange utopisch. Doch nun wird es Realität.
       > Ähnlich könnte es mit dem Vorschlag von Ferdinand von Schirach laufen.
       
 (IMG) Bild: Fair hergestellt bis ins letzte Glied der Lieferkette?
       
       Der Autor [1][Ferdinand von Schirach] schlägt vor, die Grundrechte der
       Bürger:innen Europas um ein paar Punkte zu erweitern. Neben dem neuen
       Recht auf Wahrheit, Umwelt und digitale Selbstbestimmung gehört dazu auch:
       „Jeder Mensch hat das Recht, dass ihm nur solche Waren und Dienstleistungen
       angeboten werden, die unter Wahrung der universellen Menschenrechte
       hergestellt werden.“
       
       Der Vorschlag klingt utopisch. Etwas, das vor Jahren ähnlich utopisch
       klang, aber in dieselbe Richtung geht, wird jedoch bald Realität: das
       [2][Lieferkettengesetz]. Deutsche Firmen werden verpflichtet, die
       Menschenrechte der Beschäftigten ihrer Zulieferfabriken im Ausland zu
       schützen. Am Donnerstag ging das Gesetz zur Beratung in den Bundestag.
       Damit so etwas zustande kommt, müssen drei Umstände zusammenkommen.
       
       Erstens: Es existiert ein Missstand, in diesem Fall die harte
       [3][Ausbeutung der Arbeiter:innen], die sich während des 20.
       Jahrhunderts teilweise von Europa in andere Weltgegenden verlagert hat.
       Zweitens braucht es Menschen, die sich dahinterklemmen, um diesen Zustand
       zu ändern. Wenn sie mehr Druck auf Öffentlichkeit und Politik ausüben
       können als die, die alles beim Alten lassen wollen, haben sie gute Chancen,
       ihre Ziele zu erreichen. Beim Lieferkettengesetz ist es durchaus
       erstaunlich, dass sich linksliberale Moralisten gegen die komplette Phalanx
       der Industrie- und Arbeitgeberverbände durchgesetzt haben – nicht in jedem
       Punkt, aber grundsätzlich schon.
       
       Und drittens arbeitet eine übergeordnete Vernunft dem Lieferkettengesetz in
       die Hände. Seit 250 Jahren werden die Bürgerrechte formuliert, debattiert
       und erstritten. Als Konsequenz aus dem Zweiten Weltkrieg stehen sie seit
       1948 in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten
       Nationen, gültig für alle Bewohner:innen der Erde. Schritt für Schritt
       werden sie durchgesetzt, gegen viele Widerstände, mit zahlreichen
       Rückschlägen, aber immerhin. Und so könnte es auch passieren, dass
       irgendwann von Schirachs erweiterter Grundrechtekatalog im europäischen
       Gesetz verankert wir. Man nennt es Fortschritt.
       
       22 Apr 2021
       
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