# taz.de -- Cansel Kiziltepe über Share Deals: „Schärfere Regeln für Steuerpiraten“
       
       > Die SPD-Bundestagsabgeordnete Kiziltepe hat die Wohnungsfirma Akelius
       > wegen Share Deals angezeigt. Per Reform will sie Steuerschlupflöchern
       > schließen.
       
 (IMG) Bild: Gegen Miethaie und Steuerschlupflöcher: Mieter protestieren für soziale Wohnungspolitik
       
       taz: Frau Kiziltepe: Warum erstatten Sie schon wieder Anzeige gegen die
       [1][Wohnungsfirma Akelius]? 
       
       Cansel Kiziltepe: Es hat sich gezeigt, dass Akelius in weiteren Fällen
       offenbar versucht, mit Share Deals unrechtmäßig die Grunderwerbsteuer zu
       umgehen. Es geht um drei neue Fälle in Kreuzberg und Wedding. Ich habe eine
       Prüfbitte an die Steuerfahndung gerichtet. Die soll überprüfen, inwiefern
       die von Akelius dafür genutzten Firmenkonstruktionen legal oder illegal
       sind.
       
       Erklären Sie doch bitte noch einmal, wie Share Deals funktionieren. 
       
       Mittels sogenannter Share Deals können Investoren durch ein
       Steuerschlupfloch die Grunderwerbsteuer sparen. Dafür werden nicht Häuser
       und Grundstücke direkt verkauft oder erworben, sondern nur 94,9 Prozent der
       Anteile einer eigens für den Immobilienbesitz gegründeten Unterfirma nebst
       einem 5,1 Prozent haltenden Co-Investor. Dann wechselt nur diese
       Briefkastenfirma den Besitzer, und es fallen keine Grunderwerbsteuern an.
       Nach 5 Jahren kann man den Besitz dann wieder steuerfrei zusammenführen.
       
       Die Grunderwerbsteuer heißt in der Branche nicht umsonst „Dummensteuer“,
       vor allem Privatpersonen zahlen sie beim Immobilienkauf, Unternehmen
       umgehen sie häufig. Aber warum sollte das bei den Häusern in Kreuzberg und
       Wedding nicht legal sein wie sonst auch? 
       
       Bei einem in der Immobilienbranche üblichen Share Deal muss der Co-Investor
       unabhängig sein. Hier habe ich den starken Verdacht, dass dies nicht der
       Fall ist. Akelius hat mit der zypriotischen Briefkastenfirma Torpet
       Sweden Ltd. als Schein-Co-Investor agiert. Die Gesellschaft wird aber auch
       von einem Akelius-Vorstandsmitglied und Mitglied des Stiftungsrates der auf
       den Bahamas sitzenden Akelius-Stiftung geführt. Offensichtlich zieht
       Akelius im Hintergrund die Fäden. Akelius hat damit gezielt die
       Grunderwerbsteuer und das kommunale Vorkaufsrecht umgangen. Diese
       Vorgehensweise zieht sich durch im Akelius-System. Der Steuerfahndung
       liegen alle Namen und Anhaltspunkte vor. Und wenn eine Unabhängigkeit der
       Co-Investoren nicht gegeben ist, kommen wir in den Bereich der
       Steuerhinterziehung.
       
       Woher hatten Sie Kenntnis von den drei Immobilien? 
       
       Ich bin im engen Austausch mit den Mietenden von Akelius. Es ist natürlich
       schwierig, diese Fälle bis zum Schluss in aller Öffentlichkeit aufzuklären:
       Wegen des Steuergeheimnisses kann ich nicht nachfragen, was aus meinen
       Anzeigen geworden ist. Deswegen ist es wichtig, dass Mieter weiter auf
       diese Fälle aufmerksam machen. Mieter werden per Brief informiert, wenn es
       Eigentumsübertragungen in ihrem Haus gibt.
       
       Dann können Sie auch nicht sagen, was aus [2][Ihrer Anzeige von vor einem
       Jahr] geworden ist? 
       
       Ich habe Ende des letzten Jahres nachgefragt – als Antwort bekomme ich nur,
       dass man aufgrund des Steuergeheimnisses nichts sagen kann. Vielleicht
       dauern Ermittlungen auch bloß etwas länger wegen der Pandemie.
       
       Wie viel entgeht dem Fiskus in Berlin und dem Bund schätzungsweise jährlich
       durch Share Deals? 
       
       Es gibt nur geschätzte Bundeszahlen. Die bewegen sich im Bereich von
       einstelligen Milliardenbeträgen jährlich. Für Berlin kann ich es nicht
       genau sagen.
       
       Akelius weiß angeblich nichts von der Anzeige und äußert sich etwa laut
       einem [3][Bericht der „Tagesschau]“ auch nicht näher dazu. Wie schätzen Sie
       die Folgen der Geschäftspraxis von Akelius für den [4][Berliner
       Wohnungsmarkt] und die Mieter:innen generell ein? 
       
       Die paar bekannten Fälle zeigen, mit welcher Dreistigkeit die Branche
       bereits jetzt mit Share Deals etwa Regeln des Vorkaufsrechts und des
       Steuerrechts umgeht. Insbesondere Akelius ist für sein aggressives
       Geschäftsmodell bekannt. Nicht ohne Grund werden für die zwielichtigen
       Deals notorische Steueroasen und Schattenfinanzplätze benutzt. Wir
       brauchen schärfere Regeln für die Steuerpiraten und ihre Steueroasen.
       
       Die SPD ist in Berlin seit Jahrzehnten in Regierungsverantwortung. Auf
       Bundesebene ebenfalls seit 2013. Warum tut sich denn so wenig gegen diese
       schon lange bekannte Praxis? 
       
       Es gibt mittlerweile Bewegungen rund um die Share-Deal-Reform, die
       übernächste Sitzungswoche im Bundestag beschlossen werden soll. Wir hatten
       bereits im Koalitionsvertrag verankert, dass wir eine effektive Reform
       wollen. Leider hat die Union, geleitet von Interessen der Immobilienlobby,
       das Gesetz monatelang blockiert und an einer effizienten und effektiven
       Lösung nicht mitgewirkt. Weil die Einnahmen zudem den Bundesländern
       zugutekommen, haben die Länder das Gesetz mitgeschrieben. Das hat natürlich
       gedauert. Initiiert wurde dies übrigens 2016 von dem damaligen
       NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans.
       
       Kritiker:innen sagen, dass die Reform nicht weit genug geht und dass
       die Immo-Branche sich leicht an die nur geringen Änderungen anpassen kann.
       Dann splittet man halt im Verhältnis 89,9 zu 10,1 auf statt im Verhältnis
       94,9 zu 5,1. Das hat Akelius offenbar selbst in dem von Ihnen schon 2020
       angezeigten Fall vorausschauend getan. Warum so halbherzig? 
       
       Wir als SPD wollten die Reform weiter verschärfen und die
       Beteiligungsschwelle, ab der ein Immobilienkauf keine Grunderwerbssteuer
       nach sich zieht, von 95 auf 75 Prozent herabsetzen. Aber das Gesetz wird
       letztlich so umgesetzt, wie 16 Bundesländer es wollten, und nun liegt die
       Schwelle nun mal bei 90 Prozent. Aber dennoch gibt es im Kleingedruckten
       auch viele gute Änderungen: Die Haltefrist wird aufs Doppelte verlängert:
       Jetzt wird die Grunderwerbsteuer auch fällig, wenn der Besitz innerhalb von
       10 Jahren zusammengelegt wird. Vorher waren es 5 Jahre. Und es gibt eine
       Regelung für den Austausch von Gesellschaftern, der dem typischen
       Co-Investoren-Modell einen Riegel vorschiebt.
       
       Experten für Steuergerechtigkeit fordern eine einfache Quotenregelung wie
       in den Niederlanden: Wer 70 Prozent an einer Immobilie erwirbt, zahlt dafür
       auch 70 Prozent Grunderwerbsteuer. Warum so kompliziert, wenn es auch
       einfach geht? 
       
       Ich finde dieses Optionsmodell auch gut, aber ohne Rückhalt in der
       Länderkammer kommt hier kein Gesetz durch. Wenn ein Gesetz nicht durch den
       Bundesrat kommt, tritt es nicht in Kraft. Und die Länder haben nun einmal
       einen anderen Entwurf vorgelegt. Die Kritik auch von den Grünen kann ich
       deswegen in diesem Punkt nicht nachvollziehen: Die Grünen regieren in elf
       dieser Länder mit. Aber lieber einen Schritt in die richtige Richtung als
       eine erneute langwierige jahrelange Verhandlung mit 16 Ländern. Wir
       erschweren mit der jetzigen Reform im Kleingedruckten auch schon vieles.
       Das Optionsmodell haben wir zudem in unser Wahlprogramm aufgenommen.
       
       15 Apr 2021
       
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