# taz.de -- Die Wahrheit: Der zehnte Verwender
       
       > Na, auch schon mal einen Corona-Test gemacht? Und ein Foto davon gemacht
       > und es irgendwo hochgeladen? Warum eigentlich?
       
       Was ja gerade so richtig trendet, ist das [1][Impfie]. Also ein Selfie mit
       Heftpflaster auf dem Oberarm, seltener noch mit Spritze. Eine medizinische
       Selbstdarstellung, bei der sich die Frage stellt, ob es wirklich so eine
       Leistung ist, gespritzt zu werden? Obwohl, heutzutage vermutlich schon.
       
       Fast genauso trendig ist das Testie, also ein Foto von dem Coronatest, den
       man eben abgelegt hat, und der in hundert Prozent der fotografierten Fälle
       negativ ist. Niemand postet einen positiven Test. Das ist ein
       ungeschriebenes Gesetz. Warum aber überhaupt einen posten? Wo ist der
       Mehrwert? Die Logik, die hinter dieser Angeberei mit dem flüchtigen Glück
       steht, erschließt sich mir jedenfalls nicht so ganz: Ist es nicht so, dass
       dieser Test bei nächster Gelegenheit schon wieder nichtig sein kann?
       
       Ich meine, es ist ja nicht so wie damals beim HIV, wo man von einem
       absolvierten Test zum nächsten ein wenig Enthaltsamkeit übt oder einfach
       immer ein Kondom überstreift, um die Gültigkeit des negativen Tests noch
       weiter durch die Zeit zu tragen. Heute reicht es schon, wenn die
       Krankenschwester oder der Pfleger, die oder der eben noch das Heftpflaster
       angebracht hatte, eine unkontrollierten Niesattacke erleidet, just als sie
       oder er sich von ihrer Maske befreit … Mit anderen Worten: Die Angeberei
       mit dem negativen Test hat den Charakter eines Snapchat-Postings. Die
       Aktualität ist im nächsten Moment schon wieder passé. Was macht eigentlich
       [2][Snapchat], gibt es das noch?
       
       Wie wahnsinnig aufwendig und nervenaufreibend so ein HIV-Test noch in den
       frühen 1990-er Jahren gewesen ist. Man musste in Köln jedenfalls zum
       Gesundheitsamt, wurde gratisberaten inklusive schamgrenzenüberschreitender
       Ausfragerei nach dem jüngsten Liebesleben, bevor man nach der Blutabnahme
       geschlagene drei Wochen auf sein Testergebnis warten durfte! Dieses wurde
       nicht postalisch oder digital zugestellt, sondern in ein Klassenbuch
       eingetragen, das man wiederum im Gesundheitsamt mit Termin einsehen durfte.
       Wie lebensbedrohlich alles am Anfang des Tests schien, und wie banal dann
       das negative Ergebnis war!
       
       Was ebenfalls selten thematisiert wird: Wie viel Plastikmüll da anfällt bei
       der ganzen Testerei. Oder die Masken! Ist nicht überall von Klimawandel,
       Artensterben und vermüllten Meeren die Rede?
       
       Aber gut, das sind vermutlich Kollateralschäden. Wichtiger ist die Frage,
       wieso noch niemand auf die Idee gekommen ist, transparente Masken
       herzustellen. Es gibt transparente Zahnschienen und -spangen, die die
       ungehobelt wachsenden Zähne junger Angepasster richten und in Form bringen
       können, und es gibt die Unbeholfenheit der meisten, die im direkten
       sozialen Kontakt – natürlich auf Abstand – nicht mehr in den Gesichtern der
       anderen lesen können. Also warum gibt es noch nicht die transparente Maske?
       Schutz vor Corona und trotzdem die Freiheit des Minenspiels! Und der
       Interpretation! Neun von zehn Verwendern zeigten sich zufrieden! Na?
       
       6 Apr 2021
       
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