# taz.de -- Rheinland-Pfalz und Weinanbau: Edeltropfen im Landeswappen
       
       > In Rheinland-Pfalz wird ein Großteil des deutschen Weins angebaut. Mal
       > wird kultiviert genossen, mal einfach nur gesoffen. Besser geworden ist
       > er.
       
 (IMG) Bild: Schöne alte Männerwelt: Weinprobe in einem Keller bei Cochem an der Mosel 1968
       
       Der Urgroßvater mütterlicherseits starb wegen eines riesigen Fasses Wein.
       Nicht etwa, weil er es auf einen Schlag ausgetrunken hätte, sondern weil er
       sich auf dem Weg der Beschaffung desselben eine Erkältung zugezogen hatte,
       die in einer schweren Lungenentzündung mündete. Er war Inhaber des
       Weinhauses Wölfle am Koblenzer Florinsmarkt. Auf alten Fotografien sieht
       man ihn vor seinem Geschäft neben einem jener großen Fässer stehen, die er
       in regelmäßigen Abständen von der Mosel herholte, die bekanntlich in
       Koblenz in den Rhein mündet.
       
       Dies begab sich zu einer Zeit, als noch der originale Kaiser Wilhelm auf
       dem Deutschen Eck thronte, die preußische Rheinprovinz bewachend, und der
       Genuss von Alkohol auch am helllichten Tage noch zum guten Ton gehörte.
       „Sekt zur Suppe“, dieses Zitat ist jedenfalls von meiner verstorbenen
       Urgroßmutter überliefert, und es war vornehm gemeint.
       
       Die Grenzen zwischen kultiviertem Weingenuss und hemmunglosem Besäufnis
       waren in dieser Gegend schon immer so fließend wie der Grenzverlauf
       zwischen Deutschland und Frankreich. Und das ging auch so weiter, als 1946
       die Sache mit der Westgrenze endgültig geregelt und das Bundesland
       Rheinland-Pfalz gegründet war. Von dem denken viele, es sei ausschließlich
       von Pfälzer „Krischern“ bewohnt, was aber eben die schunkelnden Rheinländer
       und die moselfränkisch polternden Moselaner mit ihren süffigen, auf
       Schiefer gebetteten Steillagen ausblendet.
       
       Doch ob nun kreischend, schunkelnd oder polternd: Überall im Lande wird
       Wein angebaut und regelmäßig konsumiert, weshalb sich auf dem Landeswappen
       eine sogenannte Volkskrone aus Weinblättern befindet. Sechs der insgesamt
       dreizehn deutschen Weinbaugebiete für Qualitäts- und Prädikatswein liegen
       innerhalb der Landesgrenzen von Rheinland-Pfalz. Und mehr als 65 Prozent
       des deutschen Weines werden in den dortigen Weinbaugebieten Ahr,
       Mittelrhein, Mosel, Nahe, Pfalz und Rheinhessen hergestellt.
       
       ## Der Stoff wird im Titel geführt
       
       Darüber hinaus existiert mit dem Ministerium für Wirtschaft, Verkehr,
       Landwirtschaft und Weinbau eine Landesbehörde, die den Stoff sogar
       offiziell im Titel führt. Und klar: Die Deutsche Weinstraße befindet sich
       ebenfalls in Rheinland-Pfalz – wenngleich ich mich zu erinnern meine, dass
       insbesondere an den Wochenenden und des Nachts das ganze Bundesland aus
       Weinstraßen bestand, deren Kurven junge Leute hinaus und an den nächsten
       Baum trugen.
       
       Das waren noch die Ausläufer jener Zeiten, in denen man sich Mainzer
       Politik ausschließlich als CDU-gemacht vorstellen konnte und die Winzer
       ihren Ruf mit der Herstellung billiger, subventionierter Massenware
       ruinierten.
       
       Der Teil meiner Generation, die das alles überlebt hat (auch den
       flächendeckenden Einsatz karzinogener Pestizide, gerne mit dem Hubschrauber
       ausgebracht) und an der Mosel [1][geblieben] ist, wird seit 30 Jahren von
       den Sozis regiert und ist auf „naturnahe“ und ökologische Produktion
       umgestiegen. Die Generation X und folgende leistet seitdem ihren Beitrag
       dazu, die beschädigte Reputation des Rieslings wiederherzustellen. Den wir
       uns natürlich trotzdem seinerzeit literweise hinter die Binde gekippt
       haben, insbesondere zur Weinfestsaison am Ende des Sommers.
       
       So schlimm war’s nun auch nicht, auch wenn ein jugendlicher Magen mit Säure
       natürlich besser zurechtkommt – und überhaupt: „Wo ist der Deinhard?!“ Der
       epochale Slogan der Koblenzer Sektkellerei Deinhard hätte meiner
       Urgroßmutter vielleicht auch gefallen, wer weiß.
       
       ## Rainer Brüderle, der ungekrönte Mister Rheinland-Pfalz
       
       Der einzige wahre „Mr Rheinland-Pfalz“ aber hat weder mit der Partei von
       Malu Dreyer (SPD) noch mit der von Julia Klöckner (CDU) zu tun: Es ist der
       langjährige rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister und FDP-Vorsitzende
       Rainer Brüderle, der es im Jahr 1996 ins Guinnessbuch (ausgerechnet) der
       Rekorde brachte, indem er 1.368 Weinköniginnen auf einem Platz versammelte.
       Der stets gesellige, lustig dahernuschelnde „Fluppeskopp“ ehrenhalber
       verkörperte in seiner aktiven Zeit wie kein anderer den Geist des „Landes
       der Reben und Rüben“. Bevor er (selbstverständlich leicht angeheitert)
       daran scheiterte, in einer Hotelbar auf die „Tanzkarte“ einer Journalistin
       zu gelangen, die lieber Smartphones nutzte, um Verabredungen zu
       vereinbaren.
       
       Kultivierte ältere Herren, so erinnere ich es aus Kindertagen, gingen
       jedenfalls allabendlich im grauen oder beigen Anzug in die Wirtschaft oder
       gar ins „Kasino“, um dort exakt ein Viertel Weißwein zu trinken. Der Wein
       wurde aus einer kleinen Karaffe in den gravierten „Römer“ geschenkt, ein
       Weinglas mit einem massiven grünen Stil. Und dazu wurde Zigarre geraucht,
       beziehungsweise ein „Stumpen“.
       
       Allein der ehemalige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hätte dem
       fidelen Brüderle den Titel abspenstig machen können, wenn er nicht, leider,
       leider, Luxemburger wäre. Und ja, auch in Rheinland-Pfalz haben sich die
       Dinge verändert, seitdem ich dort als Schüler die Einweihung der
       Kröver-Nacktarsch-Halle journalistisch begleiten durfte, für den
       Trierischen Volksfreund. Aber vieles ist auch geblieben: Der Geruch der
       Kelterrückstände zum Beispiel, die im goldenen Herbst als Dünger in die
       Weinberge verbracht werden, ergänzt durch ein Aroma von verbranntem
       Buchenholz, weil garantiert irgendwo jemand gerade einen Schinken räuchert.
       Das leicht moderige, säuerliche und mit einem Hauch Riesling und
       Traktordiesel versetzte Odeur, das einem aus den Kellern und Hofeinfahrten
       in den kleinen Weinbaudörfern und Städtchen entgegenwabert.
       
       Prost also, ein Glas auf die Heimat. Mindestens eines.
       
       13 Mar 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.weingut-luetticken.de/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Reichert
       
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