# taz.de -- Repressionen in Belarus: Journalistin ab in den Knast
       
       > Die Staatsmacht versucht weiter kritische Belarussen einzuschüchtern.
       > Olga Deksnis erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk. Folge 65.
       
 (IMG) Bild: Während der Verhandlung hinter Gittern: Journalistin Katerina Borisevitsch und Arzt Artjom Sorokin
       
       Am Dienstag endete in Minsk der Prozess gegen die Journalistin der Agentur
       tut.by Katerina Borisevitsch und den Arzt des Städtischen
       Notfallkrankenhauses (BSMP) Artjom Sorokin. Medien hatten ihm den Beinamen
       „Null Promille“ gegeben. Die beiden Angeklagten sollen gegen das
       Arztgeheimnis verstoßen haben, was schwere Konsequenzen nach sich ziehen
       sollte.
       
       Zur Erinnerung: Katerina hatte einen Artikel geschrieben und darin einen
       Arzt mit dem Kommentar zitiert, dass [1][der getötete Roman Bondarenko]
       (starb am 12. November 2020 an den Folgen eines Angriffs von Anhängern
       Lukaschenkos, Anm. d. Redaktion), der mit zahlreichen schweren
       Kopfverletzungen in ein Krankenhaus eingeliefert worden war, nüchtern
       gewesen sei. Romans Mutter hatte gesagt: Ich sage mit hundertprozentiger
       Überzeugung, dass ich den Ärzten erlaubt habe zu sagen, dass er nüchtern
       war. Die Worte der Mutter waren für die Journalistin und den Arzt die
       einzige Möglichkeit, einer schlimmeren Strafe dafür zu entgehen, dass sie
       einfach nur ihre Arbeit getan haben.
       
       Katerina wurde mit sechs Monaten Freiheitsentzug bestraft und muss eine
       Geldstrafe in Höhe von umgerechnet 860 Euro zahlen. Die Zeit, die sie
       bereits im Untersuchungshaft abgesessen hat, wird darauf angerechnet. Das
       heißt, sie muss noch zwei Monate hinter Gittern bleiben. Artjom Sorokin
       verurteilte das Gericht zu zwei Jahren Straflager auf Bewährung (wenn er
       nicht gegen das Gesetz verstößt, bleibt er auf freiem Fuß) und zu einer
       Geldstrafe von umgerechnet 430 Euro. Er wird jetzt seine Eltern, seine Frau
       und seine Kinder in die Arme nehmen können. Das Wichtigste ist, das beiden
       mit dem Urteil nicht das Recht genommen wurde, weiter in ihrem Beruf zu
       arbeiten.
       
       „Katrina Borisewitsch hat ein halbes Jahr bekommen“, kommentiert die
       Redakteurin von tut.by Anna Murawskaja. „Und auch noch eine Geldstrafe.“
       Und der Arzt Sorokin umarmt heute seine Kinder. Am liebsten würde ich
       sagen: „Gott sei Dank, dass es nicht drei Jahre sind“, doch trotzdem
       erzittert alles. Sie sind unschuldig. Katja kommt im Mai raus und dann
       werden wir den alten Frauen an der Komarowka (Markt in Minsk, wo Katja
       normalerweise bei Babuschkas Blumen aus deren Gärten kauft) alle Blumen
       abkaufen. Ehre, wem Ehre gebührt.“
       
       „Den Arzt haben sie frei gelassen – ihnen ist nicht klar, wie groß die
       professionelle Solidarität mit dem ersten Arzt hinter Gittern sein kann“,
       sagt Tatjana Bublikowa, Redakteurin bei der unabhängigen Nachrichtenagentur
       Belapan. „Die Journalistin muss ins Gefängnis. Ich bin wütend auf diese
       Situation, diese Wehr-und Machtlosigkeit.“
       
       „Es gibt keinen Zweifel, dass alles einzig und allein darauf ausgerichtet
       ist, um Journalisten einzuschüchtern“, sagt die Redakteurin des Öko-Portals
       Uljana Melnikowa zum Urteil gegen Katerina Borisewitsch. „Und der Umstand,
       dass Katerina zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, bestätigt das nur. Man
       sagt uns: 'Seht mal her, das wird mit jedem so laufen. Wo kämen wir hin,
       wenn Sie Fragen stellen und Erklärungen der staatlichen Organe in Zweifel
       ziehen würden. Oder einfach Informationen überprüfen, wenn diese aus dem
       Mund hoher Verantwortungsträger kommen.` Alle diese Dinge werden als
       Verbrechen angesehen. Und entsprechend bestraft. Dabei ist nicht wichtig,
       ob es um ein Arztgeheimnis oder um Äußerungen der Ehefrau des
       Außenministers geht. Sie werden versuchen, uns ins Ghetto zu treiben. Doch
       das wird ihnen nicht gelingen. Daran zweifle ich nicht eine Sekunde lang.“
       
       „Den besten Teil der Nachricht über das Urteil gegen Katerina Borisewitsch
       beschreibt ihr Anwalt mit den Worten “Sie hatte eine lange Haftstrafe
       erwartet“, sagt die Journalistin Anja Perowa. „Während wir hier weiterhin
       den Repressionen gegen Journalisten fassungslos gegenüber stehen (vor allem
       den zwei Jahren Haft für Katerina Andreewa und Darja Tschulzowa wegen eines
       Streams für den Fernsehsender Belsat), wird Katja im Gefängnis über die
       ganze Absurdität der Vorgänge lachen. In dieser Situation ist sie von allen
       die würdigste tut.by-Vertreterin, denke ich. Obgleich ich daran erinnere,
       dass jeder von uns für anderthalb Jahre weg gesperrt werden könnte: Nur mal
       so nebenbei bemerkt.“
       
       Die Belarussen nehmen diese endlosen Gerichtsprozesse als eine massive
       Einschüchterung des Volkes und der ganzen journalistischen Gemeinschaft
       wahr. Doch die Kollegen setzen ihre professionelle Arbeit fort – ungeachtet
       von Gerichtsverfahren, Inhaftierungen, Geldstrafen und d[2][es Entzuges
       ihrer Akkreditierung]. Die Menschen hören nicht auf, ihre politische
       Meinung zu sagen.
       
       Aus dem Russischen Barbara Oertel
       
       3 Mar 2021
       
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