# taz.de -- Politische Spannungen in Mali: Missmut in Bamako
       
       > In Mali hat sich die Stimmung fünf Monate nach dem Militärputsch nicht
       > wirklich verbessert. Jetzt will die Opposition wieder auf die Straße
       > gehen.
       
 (IMG) Bild: Oberstmajor i.R. Bah Ndaw bei seiner Vereidigung als Malis Übergangspräsident, 25. September 2020
       
       Bamako taz | Es hilft nichts. Der Taxifahrer im königsblauen Trikot von
       Juventus Turin muss anhalten. Vor ihm bauen sich zwei Polizisten in noch
       blaueren Hemden auf. Die Papiere, die er ihnen durch das offene Fenster in
       die Hand drückt, gehen sie nicht einmal zum Schein durch. Was hilft, ist
       ein 500-CFA-Schein, umgerechnet 0,80 Euro.
       
       „Sie haben Durst und wollen einen Tee trinken“, entschuldigt sich der
       Fahrer anschließend. Kontrollen wie diese gehören zur Tagesordnung in Malis
       Hauptstadt Bamako.
       
       Dabei sollte in Mali alles besser werden, das war die große Hoffnung, als
       der gewählte Präsident Ibrahim Boubacar Keïta – von allen IBK genannt – am
       18. August gestürzt wurde. Die Militärputschisten um Oberst [1][Assimi
       Goïta], heute Vizepräsident der neuen zivil-militärischen
       Übergangsregierung, wurden beklatscht. Neben Unsicherheit in weiten
       Landesteilen hatte vor allem die Korruption für großen [2][Unmut in der
       Bevölkerung] gesorgt.
       
       Zwar wird jetzt die Buchhaltung der gestürzten Regierung überprüft. Doch im
       Alltag gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Korruption bekämpft wird.
       „Sie ist seit Jahrzehnten ein strukturelles Problem. Innerhalb von fünf
       Monaten lässt sich das nicht ändern“, sagt Moussa Mara, der 2014 ein
       knappes Jahr lang Premierminister unter IBK war. Auch sei der regierende
       Übergangsrat mit vielen anderen Dingen beschäftigt.
       
       ## Wahlen? Irgendwann
       
       Die Dauerfrage in Mali lautet, wann nun endlich Wahlen stattfinden. Mara
       lächelt auf diese Frage und sagt, die Möglichkeit sei sehr groß, dass er
       sich als Kandidat aufstellen lässt. Für eine Präsidentschaftswahl nennt er
       März 2022 als Termin. Manchmal heißt es bereits Dezember 2021.
       
       Im September, als der pensionierte Oberstmajor [3][Bah Ndaw] als
       Übergangspräsident vereidigt wurde, war eine 18 Monate lange Übergangszeit
       vereinbart worden. Meist jedoch erfährt man, dass es noch keinen konkreten
       Fahrplan gibt.
       
       Das ist anders als bei Malis letztem Militärputsch 2012. Damals pochte die
       internationale Gemeinschaft auf einen schnellen Urnengang, auch um den
       Vormarsch islamistischer Rebellen zu stoppen. Mali fühlte sich überrumpelt.
       [4][Als 2013 gewählt wurde], gab es keinen Neuanfang. Zur Wahl standen
       Männer, die seit Jahrzehnten schon die Politik beherrschten – wie eben IBK.
       
       Darauf, dass es diesmal anders kommt, hofft auch Aminta Tandia Kané. Die
       35-jährige Unternehmerin kandidierte vergangenes Jahr für die
       Parlamentswahl, ohne Erfolg. „Dabei wollte ich meinen Beitrag für die
       Bevölkerung leisten.“ Auf die alten Parteien setzt sie nicht. Chancen,
       überhaupt aufgestellt zu werden, gebe es da so gut wie keine. Die nächste
       Wahl könnte die politische Zusammensetzung nun grundlegend ändern. „Das
       wäre ein Ende der alten Eliten“, hofft sie.
       
       Doch ist der Übergangsrat überhaupt gewillt, Wahlen durchzuführen? Grund
       für Zweifel ist etwa das Kabinett mit 25 Minister*innen, unter anderem für
       Sport, Religion und Kultur. Nach einem kurzen Zwischenspiel sieht das nicht
       aus. Ebenso wenig, dass für Putschistenführer Assimi Goïta das Amt des
       Vizepräsidenten geschaffen wurde.
       
       ## „Ein verkapptes Militärregime“
       
       „Wir haben ein verkapptes Militärregime“, sagt Choguel Maïga, Sprecher der
       zivilen Protestbewegung M5-RFP, die vor dem Staatsstreich monatelang zu
       Protesten gegen IBK aufgerufen hatte. In seinem Haus empfängt der
       Exminister in einem langgezogenen Zimmer mit bequemen Sofas und bemüht sich
       trotz seines Ärgers, ruhig zu sprechen.
       
       „Die Militärs sind doch diejenigen, die entscheiden, wer welche Posten
       bekommt und wie es mit dem Land weitergeht,“ sagt er. Eine neue Oligarchie
       richte sich ein, die wie das alte Regime funktioniere. „Der Übergangsrat
       ist illegitim und repräsentiert die Bevölkerung nicht. Dafür sind wir nicht
       auf die Straße gegangen.“
       
       Die M5-RFP gilt als Verlierer der neuen Machtkonstellation. Ihre
       bekannteste Figur ist [5][Imam Mahmoud Dicko], ein religiöser Würdenträger.
       Als er vergangene Woche von einer Reise in den Nahen Osten nach Mali
       zurückkam, ließ er sich mit Autokorsos feiern wie ein Präsident.
       
       Werden die Protestler bald wieder auf die Straße gehen, diesmal gegen das
       Militär? Was sich in Mali neben der Korruption auch nicht gebessert zu
       haben scheint, ist die Sicherheitslage. Neben zahlreichen Angriffen von
       Banditen, die Straßensperren errichten, Wegezölle erpressen und Menschen
       überfallen, sind seit Jahresbeginn zahlreiche malische und französische
       Soldat*innen bei Terrorangriffen ums Leben gekommen.
       
       ## Unmut über Frankreichs Truppen
       
       Bis heute ist zudem unklar, was genau während eines [6][Luftangriffs auf
       das Dorf Bounti] am 3. Januar passierte – Dutzende Terrorist*innen
       kamen ums Leben, heißt es offiziell; Gäste einer Hochzeitsfeier wurden
       getötet, sagen lokale Organisationen. Der malische Menschenrechtsverband
       AMDH fordert dringend eine unabhängige Untersuchung – passiert ist nichts.
       
       Und während Malis Regierung vor dem Schüren antifranzösischer Gefühle
       warnt, rufen oppositionelle Gruppen für den heutigen Mittwoch zum Protest
       im Zentrum von Bamako: Am 50. Jahrestag des Abzugs der letzten
       französischen Kolonialsoldaten wollen sie den Abzug der französischen
       Eingreiftruppen aus Mali fordern.
       
       „Wir haben IBK bekämpft und wir werden diejenigen bekämpfen, die in seine
       Fußstapfen treten“, warnte am Sonntag Mitorganisator Adama Ben Diarra,
       ehemals M5-RFP-Führungsmitglied und heute Angehöriger des Übergangsrats. Er
       meinte damit wohl auch seine Kollegen in der Regierung.
       
       20 Jan 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katrin Gänsler
       
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