# taz.de -- Die Wahrheit: Siegreich gegen Säbelzahntiger
       
       > Schwule in der Steinzeit? Hauszwerge in Zwischenetagen? Was Männer
       > zwischen Bier und Steaks auf Partys so zu besprechen haben.
       
 (IMG) Bild: Filmboss Udo Schmidt am Apparat, der Macher der neuen Serie mit Avatieren
       
       Mein mittelguter Bekannter Bronsky und ich hatten auf der letzten Party vor
       Corona eine Diskussion. Er könne nichts dafür, hatte Bronsky gesagt, das
       wären die Gene, er sei halt ein Mann, ein Jäger und kein Sammler. Er fände,
       eine Frau könne daheim ruhig die Höhle fegen und das Feuer und die Kinder
       hüten, während er in der Firma quasi die Mammuts erlegen würde, im
       übertragenen Sinne. Die Frauen von heute würden die Männer ja teilweise
       total verunsichern, weil sie einen sanften Typ wollten, aber keinen Loser,
       und außerdem sollte er gut im Bett sein. Er würde da nicht mitmachen:
       Steak, Bier und geile Autos, das sei sein Motto.
       
       Ich erwiderte, es gäbe da neueste wissenschaftliche Erkenntnisse, die seine
       Theorien von der vermeintlich natürlichen Ordnung der Dinge widerlegen
       würden. Man habe nämlich mit hochmodernen CSI- und auch Bones-Methoden ganz
       typische Abnutzungen an weiblichen Schultergelenken aus der Steinzeit
       gefunden, die auf den häufigen Gebrauch von Speeren schließen ließen.
       Außerdem Verletzungsmuster eindeutig zu Lebzeiten verheilter Wunden, die
       Hinweise auf gewonnene, ich betone, gewonnene Kämpfe gegen Säbelzahntiger
       gäben. Bei Frauen.
       
       Einmal in Fahrt, schmückte ich die wissenschaftlichen Erkenntnisse nur ganz
       minimal aus: Neueste Forschungen sprächen von schwulen Aktivitäten bei
       Urmenschen, die in sogenannten Darkhöhlen dem anonymen Sex gefrönt hätten.
       Ob ihm nie in den Sinn gekommen sei, dass der Blick der Forscher stets
       durch den Zeitgeist getrübt sei.
       
       Im Mittelalter hätte man römische Häuser ausgegraben und das System der
       Fußbodenheizung nicht kapiert, wozu diente also die kleine Zwischenetage?
       Zeitgenössische Gelehrte fanden es heraus: Dort wohnten die Hauszwerge.
       Eine andere logische Erklärung hatten sie nicht.
       
       Leider hatte Bronsky mir ganz gegen seine Gewohnheit zugehört und polterte:
       Genau! Der Zeitgeist, da würde ich es doch selber sagen, wegen dem
       verdammten Zeitgeist gäbe es jetzt auf einmal Steinzeit-Emanzen und schwule
       Höhlenmenschen, das seien quasi die Hauszwerge der modernen Zeit. Ich
       sagte, er habe vermutlich auch noch nie von vereinzelten matriarchalen
       Strukturen in der frühen Eisenzeit gehört oder gelegentlicher
       partnerschaftlicher Kinderbetreuung bei den Wikingern, bei Wickie zum
       Beispiel.
       
       Doch jetzt hörte er mir nicht mehr zu. Er hatte Kontakt zu einem weiblichen
       Exemplar seiner Art aufgenommen und war im Balzmodus. Wahrscheinlich
       erzählte er ihr gerade einen Witz von Mario Barth, denn sie lachte
       mädchenhaft und schüttelte ihr Haar dabei. Mit seiner primitiven
       Macho-Masche hatte Bronsky irgendwie immer Erfolg. In der Steinzeit waren
       wir gendertechnisch schon mal weiter.
       
       „Fortschritt am Arsch“, dachte ich, als er kurz darauf eine kichernde
       Blondine auf der rechten Schulter aus dem Raum trug.
       
       28 Jan 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Gottschalk
       
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