# taz.de -- Zum Tod von Arik Brauer: Aufstieg unter die Fabelwesen
       
       > Beißende Kritik fand sich in seinen Liedern, träumerisch waren seine
       > Bilder: Zum Tode des Wiener Multitalents Arik Brauer.
       
 (IMG) Bild: Universalkünstler Arik Brauer im Dezember 2018 in Wien
       
       Er hat sie alle überlebt. Arik Brauer, der am Sonntag, knapp drei Wochen
       nach seinem 92. Geburtstag in Wien gestorben ist, war der Letzte aus der
       Wiener Schule der Phantastischen Realisten. Neben Ernst Fuchs (1930-2015),
       Anton Lehmden (1929-2018) und Wolfgang Hutter (1928-2014) war er der
       prominenteste Vertreter dieser sehr kontrovers aufgenommenen Richtung der
       bildenden Kunst. Und er war wohl der vielseitigste.
       
       Der in den österreichischen Medien als Universalkünstler gewürdigte
       Tausendsassa hat sich noch vor Wolfgang Ambros und Georg Danzer auch als
       Austropopper etabliert, obwohl er mit diesem Etikett nichts anzufangen
       wusste. Er verpackte beißende Sozialkritik in eingängige Dialektlieder, die
       noch fünfzig Jahre später nachhallen. „Diese Liedtexte sind teilweise zu
       unserem großen Leidwesen aktuell geblieben“, hat er einmal in einem
       Interview gesagt: „Einige davon wurden richtige Volkslieder, die man beim
       Heurigen oder auf einer Schutzhütte singen hört. Darauf bin ich stolz.“
       Daneben war Brauer an Fernsehspielen beteiligt und ist als Grafiker,
       Bühnen- und Kostümbildner in Erinnerung. 1975 stattete er Mozarts
       Zauberflöte farbenfroh an der Pariser Oper aus.
       
       Brauer wurde am 4. Januar 1929 in Wien als Erich Brauer in eine
       russisch-jüdische Handwerkerfamilie geboren und früh politisiert. Sein
       Vater wurde im KZ in Riga ermordet, er selbst konnte sich in einem
       Schrebergartenhaus verstecken, wo er die Befreiung durch die Sowjetarmee
       erlebte. Mit 16 Jahren war er bereits an der Akademie der Bildenden Künste
       in Wien. Fünf Jahre lang engagierte er sich in der Kommunistischen Jugend,
       wurde durch Stalins Schauprozesse aber zum Nachdenken gebracht, trat nach
       der Niederschlagung des Ungarn-Aufstandes aus der Partei aus und emigrierte
       nach Palästina, wo aus Erich ein Arik wurde: „Meine Frau ist eine Hebräerin
       und die Hebräer können ein „E“ nicht aussprechen“
       
       Im jungen Staat Israel hielt es ihn nicht lange. Die Musik spielte damals
       in Paris, wo Brauer und seine Frau Noemi zunächst mit Singen über die
       Runden kommen mussten. Aber bald erregten auch seine Bilder Aufsehen und
       erste Ausstellungserfolge motivierten ihn, zunächst bei der Malerei zu
       bleiben. 1964 kehrte das Paar nach Wien zurück, wo die Phantastischen
       Realisten große Popularität genossen. Brauers Kunst, die irgendwo zwischen
       Chagall, Arcimboldo und Hieronymus Bosch navigiert, passte in diese
       österreichische Ausprägung des Surrealismus gut hinein. Nie religiös,
       befasste sich der Künstler bevorzugt mit jüdischen und christlichen
       Motiven. Bunte Fabelwesen und Phantasiegestalten bevölkern seine
       großflächigen Bilder.
       
       Die von der gegenständlichen Malerei abgewandte Avantgarde blickte auf die
       kommerziell erfolgreichen phantastischen Realisten als „Reaktionäre“ herab.
       „Was die Malerei betrifft, hat das mein ganzes Leben überschattet“, klagte
       Brauer einmal, „Aber es war mir von Anfang an klar, dass ich außerhalb des
       Mainstreams mein Leben verbringen werde. Das habe ich nie bereut. Ich hatte
       nie das Gefühl, dass ich in der Malerei ein Bremser bin, obwohl das so
       verstanden wurde“.
       
       Die Beharrlichkeit machte sich bezahlt. Es muss für Brauer eine Genugtuung
       gewesen sein, als er 1985 eine Professur an der Akademie der Bildenden
       Künste bekam, wo er zwölf Jahre später emeritierte. Auch ihm hohen Alter
       blieb er durch Ausstellungen in der Öffentlichkeit präsent und fiel auch
       immer wieder durch umstrittene Wortmeldungen auf. So sprach er sich dafür
       aus, die rechte FPÖ nicht vom Gedenken im KZ Mauthausen auszuschließen,
       schließlich gehe es darum, jene zu überzeugen, die nicht schon überzeugt
       sind. „Ich nähere mich nicht der FPÖ an, ich nähere die FPÖ uns an. Ich
       nehme das Risiko auf mich, Widerspruch zu provozieren, und sage das, was
       ich für richtig halte“, so Brauer anlässlich seines 90. Geburtstags im
       Standard.
       
       Brauer starb am 24. Januar im Kreis der Familie. Seine Frau Noemi und die
       Töchter Timna Brauer, die als Sängerin Erfolge feiert und Ruth Brauer-Kvam,
       die als Schauspielerin Karriere macht, überlieferten seine wohl
       vorformulierten letzten Worte: „Ich war so glücklich mit meiner Frau, mit
       meiner Familie, mit meiner Kunst und meinem Wienerwald. Aber es gibt eine
       Zeit, da lebt man, und es gibt zwei Ewigkeiten, da existiert man nicht.“
       
       25 Jan 2021
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Leonhard
       
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