# taz.de -- Menschen im bosnischen Flüchtlingslager Lipa: Es geht weder vor noch zurück
       
       > Das Camp in Lipa brannte nieder, jetzt bauen bosnische Soldaten neue
       > Zelte auf. Die Migranten, die dort ausharren müssen, sind am Verzweifeln.
       
 (IMG) Bild: Ihnen bleibt nichts weiter, als die Wärme eines offenen Feuers – Menschen im Flüchtlingscamp Lipa
       
       SPLIT taz | Der Einsatz der bosnischen Armee im Lager Lipa bei Bihac sorgt
       wenigstens dafür, dass die am Samstag aufgebauten Zelte den größten
       Unbilden der Natur widerstehen können. Es traf auch ein Lastwagen mit
       Heizgeräten und Heizmaterial ein. Aber selbst am Mittag ist nur ein Teil
       bezugsfertig, nach wie vor hapert es mit der Wasser- und
       Elektrizitätsversorgung, es gibt kaum Essen und keinerlei medizinische
       Versorgung. Das Lager bei Lipa bleibt ein von den seit Tagen und Nächten im
       Freien ausharrenden Migranten wenig geliebtes Provisorium.
       
       Vor mehr als einer Woche war das Flüchtlingslager an der Grenze zu Kroatien
       abgebrannt. Danach wollten die bosnischen Behörden die Migranten andernorts
       in eine frühere Militäranlage verlegen. Dies scheiterte jedoch [1][am
       Protest von Anwohnern]. Die Migranten verbrachten letztlich 24 Stunden
       wartend in Bussen und wurden danach [2][zu dem ausgebrannten Camp bei Lipa
       zurückgebracht].
       
       Der Fernsehsender N1 zeigte nun am Samstag Bilder von Menschen, die vor
       Containern im Regen stehen. Einige von ihnen drohten vor der Kamera, in den
       Hungerstreik zu treten.
       
       Nach wie vor hoffen viele Bosnier, dass sich die EU aufgrund des Drucks der
       Öffentlichkeit doch noch dazu entschließen könnte, die Migranten in die EU
       zu holen. [3][Doch dafür gibt es keine Anzeichen]. Die EU will aus eigenem
       Interesse das Lager Lipa ausbauen und verstetigen, wird vermutet. Aber
       Bosnien will nicht den Türsteher für die Europäische Union spielen.
       
       Auch die Bosnier selbst versperren nun ihre Türen vor den Menschen. Suhret
       Fazlic, der Bürgermeister der Stadt Bihac, in der immerhin eine
       leerstehende, beheizbare Fabrikhalle bereitstünde, erklärte, er wolle den
       Bitten des Ministerrates und der EU-Delegation in Bosnien und Herzegowina
       nicht nachkommen Er habe den Bürgern versprochen, dass keine Migranten mehr
       in der Stadt aufgenommen würden.
       
       Seit 2016 habe die Kommune sehr viel für Migranten getan, habe viel
       erduldet, habe immer wieder nach Hilfe und Solidarität gerufen, und wäre
       dann doch allein geblieben. Auch andere Städte und Gemeinden in den
       Bosniakengebieten des Landes haben jetzt klar und deutlich abgewunken,
       [4][in den serbischen und kroatischen Gebieten hat die Polizei ohnehin alle
       Migranten seit Jahren abgewiesen] und an die Stadtgrenze von Bihac
       gebracht.
       
       Die Menschen auf der Flucht aus Nahost, aus Afrika und Asien sitzen in
       einer Falle. Es geht weder vor noch zurück. Sich wieder in ihre
       Heimatländer begeben – das wollen nur die wenigsten. Sie glauben, doch noch
       irgendwann einmal die grüne Grenze nach Kroatien überwinden zu können. Doch
       im Moment geht es um das blanke Überleben.
       
       [5][Hife und Unterstützung kommen allein vom Roten Kreuz in Bihac unter
       dessen Leiter Selam Midzic und von SOS Bihac]. Beide Organisationen
       versuchen die Sachspenden aus dem In- und Ausland trotz aller Widrigkeiten
       zügig an die Migranten zu verteilen. Mit dem Aufbau des Lagers Lipa durch
       die Armee soll jetzt auch wieder die IOM, die International Organisation
       for Migration, aktiv werden, so erwarten es die bosnischen Behörden.
       
       Aber die UN-Organisation IOM war es, die das provisorische Lager in Lipa am
       21. Dezember aufgab und damit die derzeitige Krise ausgelöst hat.
       
       Zlatan Kovačević, der Kopf der kleinen Hilfsorganisation SOS Bihac, ist
       einer der wenigen Menschen in der Region, die Tag und Nacht in Sachen
       Flüchtlingshilfe engagiert sind – trotz seiner schweren Behinderung aus dem
       Bosnien-Krieg vor fast 30 Jahren. Mit seinen Mitstreitern geht er derzeit
       durch die Wälder und bringt den Migranten Essen, Kleidung, Schuhe. Die
       Aktivisten von SOS Bihac versorgen sogar notdürftig die Wunden von
       Menschen, die von kroatischen Grenzpolizisten misshandelt wurden.
       
       2 Jan 2021
       
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