# taz.de -- Ab ins Billiglohnland: Otto verlagert die Moral
       
       > Die Otto-Group will ihr Retourenzentrum nach Osteuropa verlagern – trotz
       > sozialer und ökologischer Bedenken. Dabei will man Vorzeigeunternehmen
       > sein.
       
 (IMG) Bild: Immer schön freundlich bei Otto – es sei denn, es geht um die Wettbewerbsfähigkeit
       
       Hamburg taz | Ausgerechnet der Otto-Konzern, der Musterschüler unter den
       Hamburger Firmen, der ökologische und soziale Verantwortung für Unternehmer
       nicht nur predigt, sondern auch praktiziert – eben der will den Standort
       seiner Tochterfirma Hermes Fulfilment in Bramfeld zum nächsten Jahr
       schließen. Künftig sollen die [1][Retouren] im polnischen Lodz und im
       tschechischen Pilsen bearbeitet werden. Noch arbeiten in Bramfeld 840
       MitarbeiterInnen aus 69 Nationen. Das Durchschnittsalter liegt bei 50
       Jahren, fast 100 der Beschäftigten sind Menschen mit Schwerbehinderung.
       
       Für die Hamburger Linke ist klar, dass sie es schwer haben werden, neue
       Arbeitsplätze zu finden. Otto schließe, obwohl es „in der Krise seine
       Umsätze sogar steigern konnte“, sagt David Stoop, der
       gewerkschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion.
       
       Auch bei der Gewerkschaft Ver.di begegnet man der Entscheidung mit
       deutlicher Kritik: Was die Pressestelle der Otto Group gegenüber der taz
       als „Entscheidung nicht nur zur Sicherung unserer Wettbewerbsfähigkeit,
       sondern zur zukunftsfähigen Gestaltung unserer Geschäftsprozesse“
       bezeichnet, sei tatsächlich eine Maßnahme, um den Profit zu steigern.
       
       Das Retourenzentrum in Bramfeld schreibe inzwischen schwarze Zahlen, sagt
       Heike Lattekamp, die bei Ver.di Hamburg für den Bereich Handel zuständig
       ist. Angesichts des jahrelangen Verzichts der Mitarbeitenden auf
       Weihnachts- und Urlaubsgeld habe das angekündigte Aus einen zusätzlichen
       „bitteren Beigeschmack“. Bis 2019 sei der Lohn bis zu zwölf Prozent
       geringer gewesen als etwa der im Hamburger Logistikzentrum von H&M.
       
       ## Doppelter CO2-Ausstoß befürchtet
       
       Doch auch damit gelingt es nicht, die Löhne in Osteuropa zu unterbieten.
       Der Mindestlohn in Polen liegt laut Lattekamp bei 3,35 Euro – „wenn wir uns
       mit diesen Löhnen vergleichen, sind wir immer Verlierer“, ist ihr Fazit.
       Lodz hat sich übrigens, darauf verweist Stoop, zur LGBTQ-freien Zone
       erklärt.
       
       Neben der Kritik an den sozialen Folgen der Schließung gibt es eine
       ökologische Komponente. Die Verlagerung ist laut Manfred Braasch,
       Landesgeschäftsführer des [2][BUND Hamburg], „sozial und ökologisch“
       verheerend. Das Aus für Bramfeld bedeute eine „Verdopplung der
       Verkehrsleistung“. Stattdessen solle Otto dem Beispiel anderer
       Versandunternehmen folgen und Retouren nicht mehr kostenlos anbieten.
       Studien zeigten, dass bereits geringe Gebühren einen deutlichen Rückgang
       der Rücksendungen bewirkten.
       
       Diesem Vorwurf widerspricht man bei Otto energisch. „In Summe steigen nach
       der Einführung der neuen Transportlogik die Gesamt-Emissionen im
       Gesamtsystem lediglich um rund drei Prozent bezogen auf das Geschäftsjahr
       2022/23“, schreibt die Pressestelle.
       
       Derweil sind die Meinungen, ob der Kampf um einen Erhalt des
       Retourenzentrums nicht eigentlich bereits vorbei ist, geteilt. Der Senat
       schreibt in seiner Antwort auf eine Anfrage der Linken, was er gegen die
       Schließung zu tun gedenke: „Die Logistik-Initiative Hamburg (LIHH) ist auf
       Bitten der BWI mit der Otto Group Holding in Gesprächen, um bei der
       Vermittlung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Retourenbetriebes in
       neue Beschäftigungsverhältnisse zu unterstützen. Die Attraktivität des
       Wirtschaftsstandorts Hamburg sieht der Senat durch die Betriebsschließung
       nicht in Frage gestellt.“
       
       Heike Lattekamp von Ver.di sieht trotzdem noch Handlungsbedarf. Denn
       bislang hat der Otto-Aufsichtsrat der Schließung nicht zugestimmt. Jetzt
       könne man noch „an die soziale und ökologische Verantwortung von Otto
       appellieren“.
       
       8 Dec 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Oekonom-zur-Vernichtung-von-Retouren/!5659811
 (DIR) [2] https://www.bund-hamburg.de/service/presse/detail/news/otto-sozial-und-oekologisch-gar-nicht-gut/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Friederike Gräff
       
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