# taz.de -- Protest gegen neue Börsenregeln: Atom und Klimakiller weiter im Dax
       
       > Nach dem Wirecard-Skandal gibt sich die Deutsche Börse neue Regeln für
       > ihre Aktienindizes. NGOs sehen darin einen „Rückschritt für
       > Menschenrechte“.
       
 (IMG) Bild: Die Reform des Aktienindex Dax beinhaltet keine Klauseln zu Nachhaltigkeit
       
       Berlin taz | Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen kritisieren die neuen
       Regeln für Aktienindizes wie den DAX. „Die Deutsche Börse knickt vor der
       Rüstungsindustrie ein“, stellten [1][Urgewald und der Dachverband der
       Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre] am Dienstag fest. Die am selben Tag
       präsentierten Kriterien seien ein „Rückschritt für Menschenrechte und
       Klimaschutz im Finanzsektor“. Laut Greenpeace hat die Börse die „Chance
       verpasst, den Zugang zum DAX an ethische Kriterien zu knüpfen“.
       
       Anlass für die Neujustierung der Aktienindizes DAX, MDAX, SDAX und TechDAX
       sind der [2][Wirecard-Skandal], bei dem auch Kleinanleger viel Geld
       verloren haben, und auch die im Vergleich unterentwickelte Aktienkultur in
       Deutschland.
       
       Der 1988 gegründete DAX wird von vier althergebrachten Branchen dominiert:
       Chemie, Autoindustrie, Energie, Finanzdienstleistungen. Problem: Gerät
       einer dieser Sektoren unter Druck – wie zuletzt die Autobauer –, geht der
       gesamte Index in den Keller. Um den DAX repräsentativer zu machen, sollen
       deshalb ab September 2021 40 statt 30 Konzerne in der ersten Börsenliga
       mitspielen. Dafür wird der MDAX der mittelgroßen Werte wieder von 60 auf 50
       Firmen geschrumpft.
       
       Neu aufnehmen will die Börse künftig nur noch profitable Unternehmen.
       Pleitekandidaten und Konzerne, die keine Zwischenberichte veröffentlichen,
       bleiben draußen. Problem: Delivery Hero. Der Essenslieferant ersetzte Mitte
       August den insolventen Zahlungsdienstleister Wirecard. Delivery Hero hat
       seit seiner Gründung 2011 noch nie Geld verdient, darf aber bleiben. Denn
       die neue Regel gilt nicht für bestehende DAX-Teilnehmer.
       
       ## Dax „kein Einfallstor für gesellschaftspolitische Debatten“
       
       Nachhaltigkeitskriterien stärker einzubeziehen wurde von den für die
       [3][Umstrukturierung befragten 600 Börsianern diskutiert – und verworfen].
       So sollen Konzerne, die fossil erzeugte Energie verkaufen, bleiben dürfen.
       Das Dax-Regelwerk dürfe „kein Einfallstor für gesellschaftspolitische
       Debatten und Meinungen werden“, betont das Deutsche Aktieninstitut in
       seiner Stellungnahme.
       
       Die Dax-Familie solle Anlegern „eine konzentrierte Information über die
       Entwicklung des gesamten Aktienmarktes“ geben. „Dazu gehört es nicht, die
       Geschäftsmodelle der Indexmitglieder vor dem Hintergrund
       gesellschaftspolitischer Debatten zu bewerten und gegebenenfalls
       auszuschließen.“
       
       So fiel der Vorschlag durch, Firmen auszuschließen, die mehr als 10 Prozent
       ihres Umsatzes mit „umstrittenen Waffen“ machen. Dies wäre für den im MDAX
       notierten Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus zum Problem geworden. Eine
       Tochterfirma liefert Trägerraketen für französische Atomsprengkörper.
       
       „Was soll unmoralisch daran sein, Waffen für die Polizei und die Bundeswehr
       und entsprechende Kunden in EU, Nato und anderen vergleichbaren Ländern
       herzustellen?“, fragt Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des
       Bundesverbands der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie bei
       tagesschau.de.
       
       ## „Deutliche qualitative Verbesserung“
       
       Der von der Börse gewählte deutsche Begriff „kontroverse Waffen“ sei
       unscharf – anders als in den USA und Großbritannien. Dort seien mit
       „controversial weapons“ klar jene Waffen definiert, die unter ein
       UN-Embargo fallen, zum Beispiel Chemiewaffen und Streumunition.
       
       Die neuen Regeln seien eine „deutliche qualitative Verbesserung“, sagte
       Ingo Speich von der Deka Bank: „Ein breiterer DAX bedeutet auch mehr
       Streuung und damit mehr Stabilität.“ Egal „ob der DAX 30 oder 40 Werte
       enthält – Privatanleger sollten sich besser an andere, breiter streuende
       Indizes halten“, riet dagegen die Sutor Bank.
       
       24 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://urgewald.org/medien/dax-reform-deutsche-boerse-knickt-ruestungsindustrie
 (DIR) [2] /Untersuchungsausschuss-zu-Wirecard/!5729949
 (DIR) [3] https://www.dai.de/files/dai_usercontent/dokumente/pressemitteilungen/201124%20PM%20DAX-Reform.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kai Schöneberg
       
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