# taz.de -- Flüssige Luft für die Energiewende: Außergewöhnlicher Stromspeicher
       
       > In Großbritannien entsteht eine riesige Batterie auf Basis von flüssiger
       > Luft. In Deutschland liegt die Arbeit an der Technologie brach.
       
 (IMG) Bild: Eine der Herausforderungen der Energiewende: Wie lassen sich Wind- und Sonnenenergie speichern?
       
       Freiburg taz | Nutzt man immer mehr [1][Solar]- und [2][Windenergie],
       braucht man früher oder später Stromspeicher, um Solarstrom vom Tag in die
       Nacht zu retten oder Windstrom vom Sturm zur Flaute. In Großbritannien geht
       jetzt eine außergewöhnliche Speichertechnologie in einen großen Praxistest:
       flüssige Luft.
       
       Bei diesem Verfahren wird der Strom genutzt, um Luft zu komprimieren und
       auf minus 190 Grad Celsius abzukühlen. So wird die Luft flüssig und kann
       bei niedrigem Druck in einem Tank gelagert werden – mit der 700-fachen
       Dichte der Umgebungsluft. Braucht man später Strom, wird die flüssige Luft
       wieder erwärmt, sie verdampft und treibt mit ihrem Druck eine Turbine und
       diese einen Generator. Das Verfahren wird LAES (Liquid Air Energy Storage)
       genannt.
       
       Im Norden Englands auf dem Gelände eines ehemaligen thermischen Kraftwerks
       baut das britische Unternehmen Highview Power nun den weltweit größten
       Flüssigluftspeicher, gefördert durch die britische Regierung mit 10
       Millionen Pfund. Er soll eine Leistung von 50 Megawatt erreichen und eine
       Kapazität von 250 Megawattstunden. In zwei Jahren soll die Anlage
       betriebsbereit sein. Seit 2018 bereits betreibt Highview Power eine
       entsprechende Demonstrationsanlage mit 5 Megawatt in der Nähe von
       Manchester.
       
       Während Großbritannien das Konzept nun mit Forschungsgeld vorantreibt, hat
       sich in Deutschland die Kältetechnikfirma Linde aus der Technologie
       zurückgezogen. Auf Nachfrage lässt sie wissen, dass das Thema im
       Unternehmen „derzeit nicht weiterverfolgt“ werde, man sei aktuell an keinem
       Projekt mehr beteiligt. Einst hatte das noch ganz anders geklungen. Auf
       seiner offenbar nicht mehr aktuellen Internetseite bewertet Linde die
       Technik LAES noch als „eine wettbewerbsfähige Speicheralternative bei
       Anwendungen ab 50 Megawatt Leistung und für Speicherzeiten von 2 bis 20
       Stunden“.
       
       ## Auch heiße Luft?
       
       War das nicht nur flüssige, sondern auch heiße Luft? André Thess, Leiter
       des Instituts für Technische Thermodynamik am Deutschen Zentrum für Luft-
       und Raumfahrt (DLR) in Stuttgart, hebt zwar die hohe Zyklenzahl hervor, die
       Speicher dieser Art erreichen, während eine Batterie zum Beispiel nach
       mehreren Tausend Ladezyklen an Kapazität verliert.
       
       Doch das Verfahren, auch kryogener Energiespeicher genannt, ist nicht
       gerade effizient: „Die Thermodynamik setzt die Grenzen“, sagt Thess. So
       werde man auch in Zukunft bestenfalls rund 40 Prozent des eingesetzten
       Stroms wieder zurückbekommen. Heute liege man in der Praxis noch darunter,
       bei etwa 25 Prozent. Zum Vergleich: Batterien erreichen je nach Typ Werte
       von 70 bis 95 Prozent.
       
       Hinzu kommt: Flüssige Luft speichert Strom nur für Stunden oder Tage. Damit
       kann man zwar den Strom aus der Morgensonne in den Abend bringen, nicht
       aber den vom Sommer in den Winter. Während der Speicherung geht fortwährend
       Energie verloren. Auf 5 bis 15 Prozent pro Monat beziffert der
       Bundesverband Energiespeicher die Verluste.
       
       Dafür braucht die flüssige Luft aber – anders als Lithium-Ionen-Batterien –
       keine seltenen Rohstoffe. Grundsätzlich ist LAES daher durchaus eine Option
       in der Vielfalt der Speicherideen, die neben Pumpspeichern, Batterien oder
       [3][Wasserstoff] allenthalben entwickelt werden. Zumal diese Technik „einen
       geringen Volumenbedarf“ habe, wie Alexa Velten, Speicherexpertin bei der
       Energieagentur NRW, betont. Und dennoch werde der Flüssigluftspeicher in
       Deutschland wohl ein Randthema bleiben, vermutet die Wissenschaftlerin –
       schlicht, weil das Verfahren aus heutiger Perspektive nicht wirtschaftlich
       ist.
       
       An der Uni Bochum lief unter dem Namen „Kryolens“ ein Forschungsprojekt,
       das LAES auch ökonomisch analysierte. Der Abschlussbericht wurde im
       September fertiggestellt. Die Untersuchungen ergaben, dass eine
       Rentabilität „bei gegebenen Strommarktpreisen und Investitionen nicht
       erzielt werden kann“.
       
       ## Energiewende verschleppt
       
       Dieses Problem ist allerdings auch hausgemacht – und betrifft längst nicht
       nur die flüssige Luft. Viele Stromspeicher sind bei den aktuellen
       Verhältnissen am Energiemarkt unwirtschaftlich. Ein Speicher finanziert
       sich dadurch, dass er billigen Strom aufnimmt und ihn in Zeiten der
       Knappheit wieder abgibt, wenn Strom teurer ist.
       
       Doch Stunden knappen Stromangebots – was sich in entsprechend hohen Preisen
       am Spotmarkt ausdrückt – gibt es derzeit praktisch nicht. Das liegt auch
       daran, dass Deutschland im Zuge des Ausbaus erneuerbarer Energien lange
       kaum fossile Kraftwerke abgeschaltet hat. Die Preisunterschiede an der
       Strombörse zu Zeiten des Überschusses und zu Zeiten des Strommangels sind
       zu gering, als dass Speicher damit rentabel zu betreiben wären – erst recht
       bei Technologien, die noch großen Entwicklungsbedarf haben.
       
       Es ist das Paradoxon der Energiewirtschaft: Alle reden von der
       Notwendigkeit von Stromspeichern – und der Markt signalisiert zugleich,
       dass sie aktuell gar nicht gebraucht werden. Das allerdings dürfte sich
       ändern, wenn in großem Stil fossile Kraftwerke vom Markt gehen.
       
       14 Dec 2020
       
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