# taz.de -- Prozess gegen mutmaßliche Folterer in Syrien: Fotos von „Caesar“ als Beweismittel
       
       > Erstmals weltweit werden die Bilder des ehemaligen syrischen
       > Militärfotografen in einem Prozess eingeführt. Sie belegen systematische
       > Folter.
       
 (IMG) Bild: Anwar R. auf der Anklagebank des Oberlandesgerichts Koblenz hinter Coronaschutzscheiben
       
       Koblenz taz | Im Prozess gegen zwei mutmaßliche Folterknechte des syrischen
       Assad-Regimes vor dem Koblenzer Oberlandesgericht geht es jetzt um die
       sogenannten Caesar-Dateien – jene mehr als 50.000 Fotos, die ein ehemaliger
       syrischer Militärfotograf mit dem Decknamen Caesar von getöteten Gefangenen
       machte und die anschließend aus Syrien herausgeschleust wurden. Die Bilder
       der geschundenen und ausgehungerten Leichen werden damit erstmals weltweit
       als Beweismittel in einem Prozess eingeführt.
       
       Seit Ende April stehen in Koblenz zwei Syrer wegen Verbrechen gegen die
       Menschlichkeit vor Gericht. [1][Anwar R.], ein ehemaliger ranghoher
       Mitarbeiter des Allgemeinen Geheimdienstes in Syrien und verantworlich für
       das berüchtigte Gefängnis „Al-Khatib“ in Damaskus, ist wegen 58-fachen
       Mordes und Folter in mindestens 4.000 Fällen, wegen Vergewaltigung und
       sexueller Nötigung angeklagt.
       
       Caesar, der versteckt in Nordeuropa lebt, wird in dem Prozess nicht
       aussagen. Deshalb hat das Gericht die französische Journalistin Garance Le
       Caisne als Zeugin geladen. Sie schaffte es im Jahr 2015, Caesar ausfindig
       zu machen und mehrfach mit ihm zu sprechen. Vor Gericht schilderte sie,
       dass Caesars Job eigentlich darin bestand, Tatorte zu fotografieren, an
       denen Soldaten beispielsweise durch Unfälle ums Leben gekommen sind.
       
       Mit dem Beginn der Proteste gegen das Regime im März 2011 änderte sich
       dies. Immer häufiger musste er die Leichen von Inhaftierten ablichten, die
       von brutaler Folter gezeichnet waren – bis zu 50 Tote am Tag. Die Leichen,
       sagte Le Caisne, seien mit Nummern markiert gewesen, oft direkt auf die
       Haut geschrieben: Die erste bezeichnete den Häfting selbst, der damit
       keinen Namen mehr hatte. Die zweite stand für die Abteilung, in der der
       Tote zuvor inhaftiert war. Hinzu kommt eine dritte, die der jeweilige
       Rechtsmediziner ergänzte – nach der Reihenfolge seiner Bearbeitung.
       
       Sie wollten der Welt die Bilder zeigen 
       
       Im Mai 2011 soll sich der zunehmend entsetzte Caesar gemeinsam mit einem
       Vertrauten, dessen Deckname Sami ist, entschlossen haben, die Fotos zu
       kopieren. Sami archivierte sie. „Es ging Caesar und Sami darum, der Welt
       diese Bilder zu zeigen“, sagte Le Caisne. „Aber sie wollten auch den
       Familien zeigen, was mit ihren Angehörigen passiert ist.“ Diese seien
       häufig einfach verschwunden. Die beiden Männer hätten gehofft, dass ihre
       Beweise für die Verbrehen des Assad-Regimes dazu führen, dass diese
       aufhören.
       
       Caesar und Sami verließen Syrien im Sommer 2013, die Fotos wurden von einer
       dritten Person aus dem Land geschmuggelt. Anfang 2014 stellte eine
       Expertengruppe aus ehemaligen Anklägern der Kriegesverbrechertribunale zu
       Sierra Leone und Ex-Jugoslawien einen ersten Bericht zur Glaubwürigkeit der
       Beweise vor. Dessen deutsche Übersetzung wurde am Mittwoch in Koblenz
       verlesen.
       
       Caesar sei ein „glaubwürdiger Zeuge“, die Fotos „eindeutige Beweise für
       [2][systematische Folter] und Tötungen von Inhaftierten durch das syrische
       System“, heißt es darin. Inzwischen haben auch Human Rights Watch und das
       FBI die Fotos als echt identifiziert.
       
       Auch die Bundesanwaltschaft hat die Fotos forensisch untersuchen lassen.
       Einer der Gutachter wird in der kommende Woche in Koblenz aussagen. Dann
       wird es wohl auch darum gehen, welche der Fotos dem Gefängnis „Al-Khatib“
       zuzuordnen sind und in dem Zeitraum gemacht wurden, in dem der
       Hauptangeklgte Anwar R. für dieses verantwortlich war.
       
       28 Oct 2020
       
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