# taz.de -- Boykottaufrufe gegen Frankreich: Macrons Phantom-Kampagne
       
       > Wegen einer angeblichen antiislamischen Kampagne rufen einzelne Muslime
       > zum Boykott französischer Waren auf. Das ist ein völlig falsches Zeichen.
       
 (IMG) Bild: Die Hetze trägt Früchte: Verbrennung einer französischen Flagge in Pakistan
       
       Erstaunlich: Da ermordet ein [1][islamistischer Terrorist] einen Menschen
       in Frankreich, und wenig später wird zum [2][Boykott französischer Waren]
       aufgerufen. Wer die Aufrufe liest und die Wut zu verstehen versucht, wird
       stutzig: Präsident Macron dient als Feindbild, von Beleidigung des Islam
       ist die Rede und einer Verletzung von Gefühlen. Aber: Was genau soll Macron
       eigentlich getan haben?
       
       Um Missverständnisse zu vermeiden: Nicht „die islamische Welt“ ruft jetzt
       aus herbeifantasierten Motiven zum Boykott Frankreichs auf. Die meisten
       Gläubigen weltweit dürften von dem Streit bislang nichts mitbekommen haben
       oder nehmen ihn schulterzuckend zur Kenntnis. Es sind Einzelne, die
       Stimmung machen.
       
       Doch in den antifranzösischen Chor reihen sich gewichtige Stimmen ein wie
       die Al-Azhar-Universtität in Kairo, die nicht zum Boykott aufruft, aber von
       einer „Kampage gegen den Islam“ faselt; Groß-Imam Ahmed al-Tajib sieht eine
       „systematische Kampagne“ am Werk, und die Organisation für Islamische
       Zusammenarbeit spricht von einem Angriff auf Muslime.
       
       Islamophobie ist ein ernstes Problem, in Frankreich wie in anderen Ländern.
       Aber Macrons „Kampagne“ ist ein Phantom. Nach dem [3][Mord an Samuel Paty]
       hat sich Macron gegen Radikalismus ausgesprochen und die
       [4][Meinungsfreiheit verteidigt], von der er auch Mohammed-Karikaturen
       gedeckt sieht. Mehr nicht.
       
       ## Erdoğans Hetzreden
       
       Selbst in Deutschland gibt es vereinzelte Stimmen, die den Boykott
       unterstützen. „Wir dürfen nicht zurückbeleidigen. Beleidigungen gehören
       nicht zur islamischen Erziehung“, schrieb am Montag der unabhängige
       Prediger Abdul Adhim Kamouss, der den Anschlag in Paris zuvor deutlich
       verurteilt hatte. Dann folgt das Aber: „Aber wir sind sauer und traurig.“
       Deshalb boykottiere er nun französische Waren.
       
       Auffällig ist, dass die Empörung erst jetzt kommt, nach den [5][Hetzreden
       Erdoğans] am Samstag. Der Populist, der sich an die Spitze der islamisch
       Konservativen und Islamisten weltweit zu setzen versucht, hatte Macron
       angegriffen und einen Kulturkampf heraufbeschworen, der an den
       Karikaturenstreit von 2005/06 erinnert. Am Montag rief er offiziell zum
       Boykott auf. Spätestens jetzt sollten sich die Boykottierer*innen fragen:
       Will uns da jemand instrumentalisieren?
       
       Nachdem IS-Terroristen die Welt jahrelang im Namen des Islam in Atem
       hielten und nun erneut einer ihrer Freunde im Geiste gemordet hat, sollte
       allen klar sein, wie falsch der Boykott ist. Nach dem Mord an Paty ist Zeit
       für Solidarität, nichts anderes.
       
       27 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Nach-Mord-an-Lehrer-in-Frankreich/!5722691
 (DIR) [2] /Boykott-franzoesischer-Produkte/!5720819
 (DIR) [3] /Umgang-mit-islamistischem-Terror/!5720620
 (DIR) [4] /Debatte-ueber-Islamismus-in-Frankreich/!5720820
 (DIR) [5] /Nach-Aeusserungen-von-Erdoan/!5723242
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jannis Hagmann
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Islamismus
 (DIR) Schwerpunkt Islamistischer Terror
 (DIR) Schwerpunkt Emmanuel Macron
 (DIR) Recep Tayyip Erdoğan
 (DIR) IG
 (DIR) Schwerpunkt Islamistischer Terror
 (DIR) Schwerpunkt Emmanuel Macron
 (DIR) Schwerpunkt Emmanuel Macron
 (DIR) Schwerpunkt Emmanuel Macron
 (DIR) Schwerpunkt Emmanuel Macron
 (DIR) Schwerpunkt Emmanuel Macron
 (DIR) Islamismus
 (DIR) Schwerpunkt Frankreich
 (DIR) Islamismus
 (DIR) Schwerpunkt Islamistischer Terror
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Messerattacke in Frankreich: Tote und Verletzte in Nizza
       
       Die Behörden in der südfranzösischen Stadt stufen eine Messerattacke in
       einer Kirche als Terrorismus ein. Der mutmaßliche Täter sei festgenommen
       worden.
       
 (DIR) Streit über Mohammed-Karikaturen: Islamistendemos gegen Paris
       
       In Pakistan und Bangladesch rufen Islamisten zum Boykott französischer
       Waren auf. Sie kündigen weitere Proteste gegen Emmanuel Macron an.
       
 (DIR) Erdoğan und die Mohammed-Karikaturen: Steilvorlage für Populisten
       
       Frankreichs Präsident Macron bauscht den islamistischen Mord an einem
       Lehrer zu einer Grundsatzfrage auf. Das kommt Erdoğan gerade recht.
       
 (DIR) Eskalation im Streit über Karikaturen: Lüstling Erdoğan auf dem Cover
       
       Die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ heizt mit einem Titelblatt den Streit
       Frankreichs mit der Türkei an. Präsident Erdoğan reagiert ungehalten.
       
 (DIR) Proteste gegen Frankreich: Karikaturenstreit geht weiter
       
       In seltener Einigkeit verurteilen Teheran und Riad Mohammed-Karikaturen. In
       Bangladesch gehen mehrere Tausend Menschen auf die Straße.
       
 (DIR) Boykott französischer Produkte: Kulturkampf in den sozialen Medien
       
       Einige muslimische Länder fühlen sich von Frankreichs Präsident
       angegriffen. Auf Twitter wird zum Boykott französischer Produkte
       aufgerufen.
       
 (DIR) Debatte über Islamismus in Frankreich: Ins Wespennest der Laizität
       
       Der islamistisch motivierte Mord an Samuel Paty spaltet die französische
       Bevölkerung und Politik – sogar über die Landesgrenzen hinaus.
       
 (DIR) Nach Äußerungen von Erdoğan: Macron zieht Botschafter ab
       
       Nach einem verbalen Angriff des türkischen Präsidenten, zieht Frankreich
       Konsequenzen. Die Spannungen verschärfen sich.
       
 (DIR) Islamistischer Terror und Politik: Anrufung der Linken
       
       Nach den Anschlägen in Paris und Dresden wird das Schweigen der Linken
       beklagt. Engagement aber lässt sich nicht von der Seitenlinie verordnen.
       
 (DIR) Trauer um ermordeten Lehrer bei Paris: Der Lehrer und die Hetze
       
       Samuel Paty scheute im Unterricht über Meinungsfreiheit heikle Themen wie
       Mohammed-Karikaturen nicht. Islamisten machten Stimmung gegen ihn.