# taz.de -- Präsidentschaftswahlen in Nordzypern: Knappe Kiste für Erdoğans Günstling
       
       > Der Kandidat des türkischen Präsidenten Erdoğan muss in die Stichwahl.
       > Dort könnte der bisherige Amtsinhaber Mustafa Akıncı auftrumpfen.
       
 (IMG) Bild: Premier Tatar bei einem Besuch der Grenze zum griechischen Teil Zyperns am 8. Oktober
       
       Berlin taz | Die türkischen Zyprer wählen nicht so, wie es dem türkischen
       Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan genehm ist. Bei der Präsidentschaftswahl
       in der nur von der Türkei anerkannten „Türkischen Republik Nordzypern“,
       errang der Favorit Erdoğans, der bisherige Premier Ersin Tatar, zwar mit
       gut 32 Prozent die meisten Stimmen.
       
       Er verfehlte aber die absolute Mehrheit und muss gegen den bisherigen
       Amtsinhaber [1][Mustafa Akıncı] (knapp 30 Prozent) am kommenden Sonntag in
       die Stichwahl. Und da könnte es für Erdoğans Günstling eng werden.
       
       Denn es ist zu erwarten, dass die Wähler, die im ersten Urnengang dem
       Sozialdemokraten Turfan Erhurman ihre Stimmen schenkten, mit großer
       Mehrheit zu Akıncı wechseln. Erhurman erhielt am Sonntag immerhin knapp 22
       Prozent der Stimmen.
       
       Erdoğan hatte sich nur wenige Tage vor dem Urnengang unverhohlen in die
       Innenpolitik der wirtschaftlich und militärisch von Ankara abhängigen
       Minirepublik eingemischt. Zusammen mit seinem Günstling Tatar verkündete er
       eine [2][Teilöffnung der Geisterstadt Varosha], die seit dem Zypernkrieg
       1974 leer steht, und behauptete, der früher griechisch bewohnte Ort gehöre
       zweifellos zum Territorium Nordzyperns. Präsident Akıncı war vorher nicht
       einmal darüber informiert worden.
       
       ## Streit um Gasvorkommen hat sich verschärft
       
       Varosha, ein früher mondäner Badeort, in dem schon Elisabeth Taylor und
       Richard Burton ihren Urlaub verbrachten, gilt als Symbol der Inselteilung.
       Die rund 40.000 griechischstämmigen Bewohner hatten 1974 Hals über Kopf vor
       der anrückenden türkischen Armee in den Süden flüchten müssen und pochen
       auf eine Rückkehr in ihre Heimat. Seit dem Krieg ist nicht nur Varosha
       verlassen, sondern die ganze Insel einschließlich der Hauptstadt Nikosia
       geteilt.
       
       Das UN-Waffenstillstandsabkommen von 1974 legte fest, dass Varosha
       unbesiedelt und abgesperrt bleibt, bis eine Lösung des Zypern-Konflikts
       gefunden ist. Diese allerdings liegt nach mehreren gescheiterten
       UN-Vermittlungsrunden in den letzten 40 Jahren in weiter Ferne.
       
       Der jüngste [3][Streit um Gasvorkommen] im Mittelmeer um Zypern hat den
       Konflikt im Gegenteil noch verschärft, weil die Türkei aus Sicht der in der
       südlichen Republik Zypern lebenden Insel-Griechen bei der Suche nach Gas
       die Territorialansprüche Zyperns verletzt.
       
       Der bisherige Präsident Nordzyperns, Mustafa Akıncı, gilt als Liberaler,
       der für eine föderale Lösung im Zypern-Konflikt eintritt und zu
       Kompromissen bereit ist. Mehrfach bekam er deshalb Ärger mit Erdoğan, der,
       ebenso wie Kandidat Tatar, Befürworter einer Unabhängigkeit des Nordens ist
       und sich maximal einen losen Staatenbund mit den Zyperngriechen vorstellen
       kann. Der nun ausgeschiedene dritte Kandidat bei den Wahlen, Turfan
       Erhurman, unterstützt dagegen eine bundesstaatliche Lösung.
       
       Die UN-Vermittlungen zu einer Lösung des Konflikts sollen nach Vorliegen
       des Ergebnisses der Präsidentschaftswahl in Nordzypern wieder aufgenommen
       werden. Bisher scheiterten [4][alle Verhandlungen] an unterschiedlichen
       Vorstellungen der Konfliktpartner über die Größe ihres Bundesstaats, an
       Fragen der Rechte der Türkei und an divergierenden Meinungen über die
       Repräsentanz der beiden Bevölkerungsgruppen.
       
       12 Oct 2020
       
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