# taz.de -- FDP-Politiker über Mali nach dem Putsch: „Den Schwung des Moments nutzen“
       
       > Deutschland sollte den Umsturz begrüßen und seine Politik in Afrika
       > besser europäisch abstimmen, sagt der Entwicklungspolitiker Christoph
       > Hoffmann.
       
 (IMG) Bild: Unterstützung für die Militärjunta und Übergangspräsident Bah Ndaw am 25. September
       
       taz: Herr Hoffmann, Sie haben als erster Bundestagsabgeordneter seit dem
       Militärputsch Mali besucht. Was war Ihr Eindruck? 
       
       Christoph Hoffmann: Es ist sehr ruhig. Die [1][Bevölkerung trägt den
       Putsch] und es bestehen jetzt große Hoffnungen, [2][mit der
       Übergangsregierung in bessere Zeiten] zu kommen. Der Staat stand kurz vor
       der Implosion, weil die Krake Korruption alles durchdrungen hat. Wenn für
       die Bürger keine Sicherheit, keine Schule, kein Richter mehr da ist, ist
       der Vertrag zwischen Bürger und Staat erloschen und es geht in Richtung
       Failed State. Das war das Problem. Deswegen spricht die
       [3][westafrikanische Regionalorganisation Ecowas] heute von einem rettenden
       Putsch, obwohl sie ihn erst mal verurteilt hatte. Die Ecowas hat relativ
       schnell die Volte gemacht. Die deutsche Bundesregierung noch nicht.
       
       Vor Ihrer Reise haben Sie gesagt, Deutschland solle die
       Entwicklungszusammenarbeit mit Mali aussetzen. Sehen Sie das immer noch so? 
       
       Nein, nicht mehr. Es gibt nun eine Übergangsregierung.
       [4][Entwicklungszusammenarbeit] macht nur Sinn, wenn die betroffene
       Regierung sich für gute Regierungsführung und Freiheit ausspricht. Ohne
       Transparenz und Rechtsstaatlichkeit versickert die Hilfe in den falschen
       Taschen und kommt nicht bei den Menschen vor Ort an. Ich denke, der Moment
       ist jetzt da, wo man umsteuern muss. Humanitäre Programme und die für
       Landwirtschaft können regierungsunabhängig weiterlaufen. Deutschland hat
       schon lange Programme für gute Regierungsführung und Dezentralisierung in
       Mali – die sollte man schnell ergänzen. Denn da geht jetzt ein Fenster auf,
       in dem man den Schwung des Moments nutzen kann, um die Regierung zu stärken
       hinsichtlich Transparenz und Digitalisierung der Ministerien. Nur so kann
       das Vertrauen der Menschen zum Staat wiedergewonnen werden.
       
       Deutschland sollte sich also jetzt mehr engagieren als vorher? 
       
       Es gibt eine Chance, den Failed State abzuwenden und den idealistischen
       Moment zu nutzen, den diese jungen Offiziere mitbringen. Da ist ein
       Nationalstolz dabei: das ist unser Land, das lassen wir nicht untergehen.
       Der Menschenrechtsbeauftragte der UN-Mission sagte mir: Ich kenne diese
       jungen Offiziere, sie haben mir damals geholfen, Menschenrechtsverletzungen
       durch die Armee aufzuklären. Er hat die Hand ins Feuer gelegt für die.
       
       Kann der Bundeswehreinsatz in Mali weitergehen wie bisher? 
       
       Für den Minusma-Chef in Mali ist völlig klar, dass die [5][UN-Mission ohne
       die Bundeswehr] kaum stattfinden kann. Er wollte eher mehr davon. Auch die
       Bundeswehrsoldaten vor Ort sagen: Ohne die UN-Mission, ohne uns bricht das
       Land zusammen und das fällt uns dann in Europa auf die Füße, weil die
       Migrationsströme einsetzen, wenn der Staat zerfällt. Hier geht es dabei
       nicht darum, Geflüchtete zurückzuweisen, sondern Fluchtursachen zu
       bekämpfen. Es ist arrogant anzunehmen, jeder wolle nach Deutschland. Es
       müssen Strukturen geschaffen werden, sodass die Menschen eine Perspektive
       haben, in ihrem Land bleiben zu wollen und in ihrem Land etwas bewegen zu
       können. Das geht nur mit guter Regierungsführung.
       
       Die FDP hat eine neue Afrikastrategie vorgelegt, die eine gemeinsame
       europäische Strategie für Afrika fordert, in die sich auch Deutschland
       einfügt. Was hieße das in Bezug auf Mali? 
       
       Bisher hat die europäische Entwicklungszusammenarbeit getrennt gewirkt, oft
       geleitet von Eigeninteressen. Erfolg hieß: Geld ausgeben. Jede Nation hat
       sich selbst gefeiert. Wenn Entwicklungsminister Müller sagt, mein Haushalt
       ist um das Dreifache gewachsen, ist es ein Erfolg – innenpolitisch, aber
       nicht unbedingt vor Ort. Wenn die politische Maxime Geldausgeben ist,
       kommen verschiedene Nationen mit einem Geldkoffer und sagen: Ich hätte hier
       ein Projekt für dich. In Mali standen viele Geldgeber in Reih und Glied,
       aber wir haben es nicht fertiggebracht, dass der gestürzte Präsident
       wirklich in Richtung gute Regierungsführung gegangen ist. Warum kann man
       nicht sagen: Voraussetzung für Entwicklungszusammenarbeit muss gute
       Regierungsführung sein, sonst wird alles Geld nicht funktionieren. Um gute
       Regierungsführung besser zu konditionieren, dazu brauche ich einen
       gesamteuropäischen Ansatz mit klaren Grundsätzen. Eine europäische Lösung
       heißt somit auch für mich, dass der Afrikabeauftragte Nooke nicht in den
       Kongo reisen kann und Sachen im Namen der Bundesregierung verspricht, und
       das weder mit der Regierung noch mit Partnerländern abgesprochen ist.
       
       Aber wenn man der Einzige ist, der eine geeinte Strategie will, gibt es
       keine. In Mali ist Frankreich der dominante Akteur, auch militärisch. 
       
       [6][Bei Macron ist Offenheit da] und Frankreich ist ganz froh, wenn es aus
       dieser postkolonialen Rolle rauskommt. Da kann Deutschland ganz gut
       eintreten, denn wir sind in Mali sehr anerkannt. Die Bundesrepublik war das
       erste Land, das Mali nach der Unabhängigkeit anerkannt hat. Wir machen sehr
       lange kontinuierlich Entwicklungszusammenarbeit mit Mali, wir werden anders
       gesehen und akzeptiert als die Franzosen. Das birgt eine Chance. Es geht
       bei Europäisierung nicht um eine neue europäische Entwicklungsorganisation,
       sondern dass man sich die Aufgaben teilt.
       
       Heißt das, die deutsche Bundesregierung agiert in Afrika zu wenig
       europäisch? 
       
       Absolut! Schauen Sie sich die BMZ-Liste an, mit welchen Ländern man
       zusammenarbeiten will und mit welchen nicht. Da hat man überhaupt nichts
       mit den Europäern abgesprochen.
       
       Was ist der Unterschied zwischen Ihrer Afrikastrategie und der der
       Bundesregierung? Im Grunde sind sich die Analysen doch sehr ähnlich. 
       
       Nein. Nehmen wir das Beispiel Elfenbeinküste. Da finden demnächst Wahlen
       statt. Es gibt schon 40 Tote durch Unruhen. Der Präsident versucht, sich
       durch Verfassungsbruch eine dritte Amtszeit zu sichern. Da muss doch Europa
       sagen: Das geht nicht. Aber das BMZ sagt: Elfenbeinküste ist ein
       Reformstaat, auf dem guten Weg, und reagiert gar nicht. Vielleicht war es
       auf dem guten Weg, aber spätestens mit dem Verfassungsbruch von Präsident
       Ouattara ist es das sicher nicht mehr, und keiner weiß, wie das ausgeht, ob
       mit Unruhen oder mit einem Militärputsch.
       
       8 Oct 2020
       
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