# taz.de -- Klimabewegung im Parlament: In die Politik aus Notwehr
       
       > Was motiviert Menschen aus der Klimabewegung, für Parlamente zu
       > kandidieren? Für viele ist es das Paris-Abkommen.
       
 (IMG) Bild: Aktivist*innen protestieren im März 2019 im Bundestag für mehr Klimaschutz
       
       Erlangen, Düsseldorf, Rheinland-Pfalz, Berlin, Köln, Kempten und Nottuln.
       In diesen und weiteren Städten, Gemeinden und Bundesländern wird auf den
       kommenden Wahlzetteln eine neue Partei oder Wahlliste zu finden sein. Nicht
       alle tragen den Namen [1][„Klimaliste“], doch sie alle verstehen sich als
       Teil einer Bewegung. Was treibt die Akteur*innen in diese Form der Politik?
       Wo liegt die erwartete Wirksamkeit, und welche Reaktionen bekommen sie
       jetzt schon zu spüren?
       
       Das Paris-Abkommen als politische Maxime: „Wir haben eine starke
       Notwendigkeit der [2][Klimakrise] vor Augen.“ Dieser Dringlichkeit wird
       laut Maurice Conrad (Klimaliste Rheinland-Pfalz) aber aktuell von keinem
       politischen Akteur mit angemessenden Angeboten begegnet. Dies wollen
       Klimalisten und ähnliche Zusammenschlüsse mit derselben minimalen
       politischen Forderung ändern: Die Einhaltung der 1,5°-Grenze und die
       Berücksichtigung der Treibhausgasbudgets des Pariser Klimaabkommens muss
       als Maxime jedes politischen Handelns gelten.
       
       Die verschiedenen Vertreter*innen, mit denen ich gesprochen habe,
       verstehen sich als Teil der globalen Klimagerechtigkeitsbewegung.
       Klimalisten und Parteien werden als Möglichkeit verstanden, die
       Perspektiven der Bewegung und ihre Weltanschauung auf die Wahlzettel, in
       den Wahlkampf und die Parlamente zu bringen.
       
       „Schon im Wahlkampf setzen wir das Thema Klima. Alle Teilnehmenden des
       Wahlkampfes müssen sich damit auseinandersetzen – die müssen sich an dem
       Thema reiben, die müssen sich an uns reiben“, beschreibt Karim aus Erlangen
       die Wirkung der Klimalisten bereits im Vorfeld der bayrischen
       Kommunalwahlen 2020.
       
       ## Nicht mehr handzahm
       
       „Viele, die schon in der Politik sind, finden es ein wenig frech“, stellt
       Greta aus Mainz (Klimaliste Rheinland-Pfalz) in Bezug auf die Reaktionen
       anderer Parteien und Politiker*innen auf die Gründung der Klimaliste fest.
       
       „Die Klimaaktivist*innen, die vorher bei Fridays for Future waren, sind auf
       einmal nicht mehr handzahm“, analysiert Maurice diese Reaktionen. Das
       Kokettieren und Vereinnahmen der Bewegung sei mit einer Klimaliste, die zur
       Wahl steht, so nicht mehr möglich.
       
       Hierdurch entstehe eine neue Art von Druck auf die Parteien, der viele
       politische Strategien der letzten Monate verwerfe. Gleichzeitig verschaffe
       man den Menschen in bestehenden Parteistrukturen Rückendeckung, die sich
       für einen angemessenen Umgang mit der Notwendigkeit der Klimakrise
       einsetzen, berichtet Celine (Klimaliste Düsseldorf).
       
       „Wir möchten Entscheidungsprozesse öffentlich machen, wenn sie beginnen“,
       beschreibt Denise (radikal:klima) aus Berlin einen der oft genannten
       Ansatzpunkte: die Öffentlichkeit politischer Entscheidungsprozesse. Es geht
       in den Gesprächen um Transparenz und um die Kontrolle der Akteur*innen in
       Parlamenten als eine entscheidende Motivation für die Menschen hinter den
       Klimalisten und Parteien.
       
       Die Aufgabe der gewählten Vertreter*innen sei es, „auf die historische
       Verantwortung hinzuweisen“, die Entscheidungen sichtbar zu machen, wo diese
       Verantwortung nicht beachtet wird, und sich hinter die Wissenschaft zu
       stellen.
       
       Neben der politischen Abgrenzung zu bestehenden Parteien steht das
       Selbstverständnis der Klimalisten, keine parteilichen Strukturen aufbauen
       zu wollen. Die politische Ermächtigung, also die Aufstellung und Wahl der
       Listen-Kandidat*innen, soll möglichst nicht an die Strukturen geknüpft
       sein. „Jeder, der wollte, durfte bei uns mitmachen“, beschreibt Lukas von
       der Klimaliste Düsseldorf ihre Haltung auch gegenüber Mitgliedern
       demokratischer Parteien und Gruppierungen.
       
       ## Kein Zuhause
       
       In den Gesprächen zeichnete sich ein Bild der bestehenden Parteien ab: Sie
       seien immer ein eigener politischer Raum. Als solcher förderten sie
       Karrierezwänge auf der einen und Machterhaltungszwänge auf der anderen
       Seite und sie seien dadurch weitestgehend geschützt vor der Wirksamkeit des
       außerparlamentarischen Drucks und wissenschaftlicher Fakten.
       
       Die Weltanschauung der Klimagerechtigkeitsbewegung ist keine, die in einer
       parteiähnlichen Struktur ein Zuhause finden könne, sondern ergibt sich aus
       der Realität der multiplen Krisen und bestehenden Ungerechtigkeiten. Lukas
       aus Düsseldorf nennt es in Bezug auf die Gefährdung des Planeten und
       menschlicher Lebensbedingungen treffend: „Politik aus Notwehr.“
       
       25 Sep 2020
       
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 (DIR) André Rösner
       
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