# taz.de -- Mobile Luftreiniger gegen Corona: Filter statt Fenster aufreißen
       
       > Was, wenn man in der kalten Jahreszeit in Büros und Hallen nicht mehr
       > gegen Corona lüften kann? Luftreiniger könnten eine Alternative sein.
       
 (IMG) Bild: In Kombination mit Masken können Luftreiniger zusätzlichen Schutz gegen Corona bieten
       
       Vielen Kunden fallen die Geräte sofort auf. „Sie reagieren dann neugierig
       und fragen, was das Ding ist, das da jetzt in der Mitte des Raums rauscht“,
       sagt Kristina Schulze, Inhaberin der Friseursalons Kiezschnitt in Berlin.
       Wenn sie das Wort „Luftreiniger“ hören, fragen sie meist neugierig weiter:
       Hilft das wirklich gegen Coronaviren?
       
       Experten aus allen beteiligten Fachrichtungen sind sich einig:
       Raumluftreiniger werden in den kommenden Monaten Teil der Lösung sein. Der
       Epidemiologe und SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach empfiehlt sie auf
       Twitter bereits für den [1][Einsatz in Schulen]. „Das regelmäßige Lüften
       ist im Januar nicht mehr möglich“, warnt Lauterbauch. Er stützt sich auf
       wissenschaftliche Ergebnisse, die den Luftreinigern eine hohe Wirksamkeit
       bestätigen.
       
       Zuständig für die Bewertung von Luftreinigern sind Forscher, die das
       Verhalten von feinen Teilchen in Luftströmungen untersuchen. „Aus meiner
       Sicht handelt es sich um eine sehr gute und hoch wirksame technische
       Lösung, um gut über den Winter zu kommen“, sagt der Physiker Christian
       Kähler von der [2][Bundeswehr-Universität München], einer der führenden
       Experten für Aerosole.
       
       Luftreiniger sind kompakte Standgeräte mit Preisen zwischen 100 und
       mehreren Tausend Euro. Sie saugen die Raumluft meist an der Unterseite an,
       schicken sie durch einen mehrlagigen Filter und stoßen sie oben wieder aus.
       Zu den Teilchen, die im Filter hängenbleiben, gehören auch die Tröpfchen
       aus Wasser, Schleim und Salz, in denen das Corona-Virus von Wirt zu Wirt
       reist. „Diese Aerosolpartikel sind viel größer als das Virus selbst und
       lassen sich mit den Filtern in leistungsfähigen Luftreinigern gut
       abscheiden“, sagt Kähler.
       
       ## Verfügbar und bezahlbar
       
       Aus Sicht des Experten besteht der riesige Vorteil der Luftreiniger darin,
       dass sie verfügbar und bezahlbar sind. Viele Hersteller sitzen in
       Deutschland und der EU, Lieferengpässe wie anfangs bei den in Asien
       hergestellten Masken seien daher weniger zu befürchten.
       Gesundheitspolitiker Lauterbach warnt dennoch auf Twitter: „Die
       Entscheidung für Luftfilter muss früh fallen“, um [3][Deutschlands Schulen]
       zu versorgen.
       
       Friseursaloninhaberin Schulze kann derweil bestätigen, wie gering die
       Schwelle zur Nutzung der nützlichen Technik ist. Sie ist während des ersten
       Lockdowns im März über erste Infos zu Luftfiltern gestolpert, als sie einen
       Artikel über Untersuchungen zur Flugzeugluft gelesen hat. Zur Wiederöffnung
       im Mai hat sie ein umfangreiches Hygienekonzept erarbeitet. Es sieht
       Abstandsregeln für Kunden und Mitarbeitern vor, das Tragen von Masken – und
       eben den dauernden Einsatz Luftreinigern als einen wichtigen Baustein.
       
       ## Viele wirksame Luftreiniger auf dem Markt
       
       Schulze hat sich für Modelle der US-Marke Dyson entschieden. Der Hersteller
       verspricht eine wirksame Filterung von Aerosolen; zudem sehen die Geräte
       vom Design her im Salon gut aus. „Die Kunden, die jetzt die Luftreiniger
       sehen, wissen dann auch, dass sie im Herbst unbesorgt wiederkommen können“,
       sagt Schulze. Gesamtkosten: 700 Euro. Ein Klacks gegen den Umsatzausfall
       auch nur eines einzigen Tages im Lockdown.
       
       Zahlreiche Anbieter konkurrieren im Segment der wirksamen Luftfilter. Der
       Preisbrecher ist die Firma Xiaomi aus China, die mit dem „Mi Air Purifier
       3H“ ein Gerät für lediglich 125 Euro anbietet. Die Stiftung Warentest
       bewertet den Philips AC2889/10 (350 Euro) und den Soehnle Airfresh Clean
       Connect 500 (250 Euro) am besten. Die Universität der Bundeswehr in München
       hat erfolgreiche Experimente mit dem Trotec TAC V+ gemacht, einem
       Profi-Gerät für 4.290 Euro. Auch der Viromed Klinik Akut V 500 für rund
       3.600 Euro hat dort seine Tauglichkeit bewiesen. Andere etablierte Marken
       sind Blueair aus Schweden und IQair aus der Schweiz.
       
       ## Masken werden weiterhin benötigt
       
       Physiker Kähler bestätigt, dass der Ansatz der Friseurmeisterin völlig
       richtig ist. Vor allem die Einbindung in ein durchdachtes Konzept hält er
       für wichtig. Denn die Luftreiniger funktionieren am besten im Zusammenspiel
       mit Masken. „Wir müssen vor allem zwischen direkten und indirekten
       Infektionen unterscheiden“, klärt er auf. Das sei zielführender als die
       Diskussion über Tröpfchen- oder Aerosolinfektionen. Ein Luftreiniger nütze
       nichts, wenn er am anderen Ende eines großen Raums vor sich hin läuft,
       während sich zwei Menschen ohne Maske im intensiven Gesprächen
       Aerosolpartikel direkt ins Gesicht pusten. Hier sei weiter der
       Mund-Nase-Schutz gefragt.
       
       Um die Aerosole abzufangen, bevor sie in zu großer Zahl auf die Schleimhaut
       einer Person gelangen, muss das Gerät die Luft schnell genug bewegen.
       Kähler nennt hier als Minimum das Sechsfache das Raumvolumens für die
       Leistungsfähigkeit des Luftreinigers. Wenn ein Zimmer drei Meter hoch, fünf
       Meter breit und sechs Meter lang ist, hat es einen Rauminhalt von 90
       Kubikmetern. Der Luftreiniger muss also rund 600 Kubikmeter Luft in der
       Stunde filtern, um zu wirken.
       
       ## Mindestens Filterklasse H13
       
       Ebenso bedeutend: Der Filterstandard. Kählers Messungen im Labor sprechen
       hier eine klare Sprache. Die Geräte müssen mit Partikelfiltern der Klasse
       H13 oder H14 ausgestattet sein. Alles darunter sei zu wenig wirksam, sagt
       Kähler. Der Aerosol-Forscher empfiehlt, unbedingt auf diese Zahlen zu
       achten. Die oft gehörte Bezeichnung „Hepa“ sei nicht geschützt und daher in
       einigen Fällen eine reine Werbeaussage, die nichts über eine ausreichende
       Filterwirkung für Corona-Teilchen sagt.
       
       Gesundheitspolitiker Lauterbach äußert derweil Unverständnis dafür, warum
       die Bildungsministerien nicht längst an dem Thema dran sind – vor allem
       angesichts der enormen Kosten, die die Pandemie bereits verursacht hat.
       „Kinder dürfen uns nicht weniger wert sein als Wirtschaft“, twittert der
       Epidemiologe.
       
       Auch Kähler rechnet vor: Auch wenn ein Profigerät, das die Luft eines
       Klassenraums bei voller Besetzung sauber halten kann, in der Anschaffung
       3.000 Euro koste, seien das nur rund 100 Euro pro Schüler. „Eine sehr gute
       Investition in den Schutz der Bevölkerung“, findet der Physiker. Auch in
       Büros, Geschäften, Wartezimmern, Gemeinde- und Vereinshäusern,
       Fitnessstudios, Aufenthalts- und Essensräumen verringern sie die
       Infektionsgefahr durch Aerosole stark.
       
       Friseurin Schulze hatte zunächst vor, die Luftreiniger nach dem Ende der
       Krise wieder zu verkaufen. Jetzt denkt sie darüber nach, die Apparate zu
       behalten. Ihre Mitarbeiter freuen sich darüber, dass die Luft im Salon
       frischer wirkt und mit Maske leichter zu atmen ist, seit die Dinger dort
       laufen. Für Pollen-Allergiker bedeuten sie ebenfalls eine Erleichterung.
       Schulze wundert sich bloß, dass sie jetzt erst auf diese Möglichkeit
       gestoßen ist.
       
       16 Sep 2020
       
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