# taz.de -- Klientelgerechte Ansprache: In Grunewald soll etwas dämmern
       
       > Das „QM Grunewald“ will das Villenviertel am Samstag, den 5. September,
       > erneut mit Enteignung und Umverteilung konfrontieren – mit einer Oper.
       
 (IMG) Bild: Bei der 1.Mai-Demo in Grunewald 2020
       
       In den Grunewalder Straßen am Rande Berlins ist es ruhig, grün – und
       vielerorts menschenleer. Ordentlich reiht sich hier eine Villa neben der
       anderen auf, teils zurückgezogen liegend in riesigen Gärten, teils
       geschützt hinter hohen Zäunen und Toren, die Eingänge oft versehen mit
       Überwachungskameras.
       
       Diesen Samstag aber muss die dortige Stille weichen: Der Johannaplatz im
       Grunewalder Villenviertel wird zur Bühne einer Oper der besonderen Art.
       „Enteignungs-Oper“ wird sie von der Initiative „Quartiersmanagement
       Grunewald“ genannt, die zur Hedonistischen Internationalen gehört.
       
       Viele kennen die Initiative vielleicht schon von den 1.-Mai-Demos der
       letzten Jahre. Die hatte das „QM Grunewald“ seit seiner Gründung 2018 unter
       anderem in Form eines Bürgerfestes in dem Villenviertel stattfinden lassen.
       
       Die Intention dahinter: Themen wie gerechte Umverteilung, faire Mieten in
       der Stadt und Enteignung in einen neuen Kontext zu setzen. Die
       Bewohner*innen von Grunewald, die Reichtum anhäufen würden, seien Teil des
       Problems sozialer Ungleichheit, so die Initiative. Zudem sei „oft von
       Problemkiezen die Rede und dann geht es um Marzahn oder Neukölln“, erklärt
       Frauke Geldher (Künstlername!), die Teil der Gruppe ist. Ein solidarisches
       Miteinander und gute Nachbarschaft seien in reichen Vierteln wie Grunewald
       jedoch genau so wenig vorhanden wie in den konventionell als Problemkiezen
       bezeichneten Vierteln, die Grunewalder*innen würden isoliert voneinander
       leben.
       
       Mit den im Villenviertel stattfindenden Veranstaltungen will das „QM
       Grunewald“ bei den Bewohner*innen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass
       jede*r die Verantwortung für eine Gesellschaft für alle trägt. „Die Politik
       hat ja nicht allein die Handlungsmacht“, meint Geldher. „Gerade
       Besitzer*innen von Immobilienfirmen, die Lobbyarbeit betreiben, können
       ebenfalls handeln.“ Und diese würden eben auch in Grunewald wohnen.
       
       Wie Geldher erklärt, habe die Initiative gemerkt, „dass die Bewohner*innen
       auf unsere Angebote, mit uns in den Austausch zu gehen“, bisher kaum
       eingegangen seien. Auch wenn es im vergangenen Jahr immerhin ein
       Erfolgserlebnis gab, wie das QM berichtet: Ein Anwohner habe seinen
       Weinkeller geöffnet und mit ihnen angestoßen.
       
       Wegen der ansonsten geringen Resonanz entstand die Idee, nun ganz
       „klientelgerecht“ eine Oper auf die Bühne und in den Grunewald zu bringen.
       „Grunewalddämmerung“ lautet der Titel der Oper, die am Samstag uraufgeführt
       wird. Das Gesamtwerk wird dabei aus verschiedenen Inszenierungen bestehen,
       die mehrere Berliner Künstler*innen und Bündnisse beitragen. Das Ensemble
       besteht aus insgesamt etwa 50 Leuten.
       
       Durch das Programm führt eine Figur namens Perlemann. Inspiriert ist diese
       durch Kurt Kläbers Erzählung „Perlemann geht in den Grunewald“, die 1931
       erschien. Der Weddinger Arbeiter Perlemann beschließt in dieser Geschichte,
       gemeinsam mit einem Arbeiterfreund in das schon damals reiche Viertel zu
       fahren, wo er die Bewohner*innen mit folgendem Vorhaben konfrontiert: „Ja,
       wissen Sie, lange wird das ja nicht mehr so gehen, dann wird das hier alles
       sozialisiert. Sehen Sie, und wir brauchen zuallererst ein Haus, in das wir
       die Kinder stecken!“ Die Grunewalder*innen sind empört über den Besuch und
       Perlemanns Ambitionen, sie zu enteignen. Er und sein Freund werden
       schließlich von den Anwohner*innen vertrieben.
       
       Die Oper, durch die die daran angelehnte Figur Perlemann führt, möchte
       neben der Auseinandersetzung mit dem Thema Enteignung auch die Ideologie
       des Neoliberalismus hinterfragen. Außerdem werden Pflegenotstand,
       Polizeigewalt sowie zivile Seenotrettung thematisiert, weshalb auch der
       Verein Sea-Watch vertreten sein wird.
       
       Dabei sind zudem Chöre und ein queeres Orchester, auch Tanzeinlagen und
       Redebeiträge gehören zum Programm.
       
       Dieses ist, wie man es vom „QM Grunewald“ bereits kennt, mit viel Satire
       und Ironie gestaltet worden. „Die Lage ist sehr ernst, aber wenn man auch
       noch den Humor verliert, dann hat man eben alles verloren“, so erklärt
       Geldher die Herangehensweise der Initiative. „Wir sind ja keine
       professionellen Opern-Macher*innen“, meint sie außerdem, das Werk sei also
       zwangsläufig auch eine ironische Inszenierung.
       
       Trotz der vielen voneinander unabhängigen Beiträge soll es am Ende um eine
       zentrale Botschaft an die Grunewalder*innen gehen: Wer Teil des Problems
       ist, muss Teil der Lösung sein. Das Beste, was schließlich bei den
       Anwohner*innen erreicht werden könne, sei die Selbstenteignung. „Es geht
       nicht um Charity und dass ein struktureller Wandel nett wäre“: Er sei
       unabdingbar, sagt Geldher.
       
       4 Sep 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Greta Rothenpieler
       
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