# taz.de -- Frauen in Führungspositionen: Karriere im Eimerchen
       
       > Mutterschutz ist für eine Vorständin nicht vorgesehen. Das offenbart, wie
       > sehr das deutsche Gesetz noch in den 50er Jahren steckt.
       
 (IMG) Bild: Diane Keaton mit Karrierehemmnis im Film „Baby Boom“
       
       Die ideale deutsche Mutter schneidet morgens um sechs Uhr Apfelschnitzen
       und stanzt belegte Toastbrote zu Sternen für die Butterbrotdosen aus. Das
       glockenhelle Kinderlachen beim Picknicken auf karierten Decken ist ihr
       größter Lohn. Abends hat sie Mehl auf der Nasenspitze und Sand in Schuhen.
       
       Die weniger gute Version einer Mutter geht Vollzeit arbeiten, wirkt immer
       gehetzt, überfordert, hat ein merkwürdiges Elternsexleben und bei jeder
       Konferenzschalte Kacke unter den Fingernägeln. Kindergartenplätze sind rar,
       [1][der grüne Rotz in der Kita ihres Kleinkindes ist allgegenwärtig].
       Irgendwann klappt sie zusammen und sieht ein, dass eine verlängerte
       Elternzeit doch vernünftiger wäre.
       
       Mittelschichtmütter scheitern an fehlenden Betreuungsplätzen, innerer
       Zerrissenheit und schlechter Baby-Work-Life-Balance, Frauen mit Kindern in
       Führungsetagen schlicht am deutschen Gesetz. Das zeigt der Fall von
       Vorzeige-Gründerin und Vorständin Delia Lachance.
       
       Lachance war zum 1. März von ihrem Amt als Vorstandsmitglied von Westwing
       zurückgetreten – „weil die rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland für
       Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften aktuell nicht die Möglichkeit
       vorsehen, Mutterschutz und Elternzeit in Anspruch zu nehmen“, heißt es in
       einer Erklärung von Westwing.
       
       ## Auch Männer betroffen
       
       Die Meldung hatte bereits im März in der deutschen Wirtschaft für Empörung
       gesorgt. Die Lobbyinitiative #Stayonboard rund um die Digitalunternehmerin
       Verena Pausder trommelt seitdem für eine Änderung des Aktiengesetzes
       zugunsten von Müttern. Nun hat das Bundesjustizministerium erstmals zur
       Initiative Stellung genommen und angekündigt, weiter zu prüfen, heißt es in
       einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion.
       
       [2][So oder so ist die Karriere also oft im Eimerchen]. Tatsächlich aber
       gibt es hierzulande das grundsätzliche Problem, dass längerfristige
       Abwesenheit Vorstandsmitglieder zur Niederlegung ihres Mandats zwingt.
       Bleibt jemand im Amt, bestehen auch die Pflichten weiter, die die Position
       mit sich bringt – inklusive des Haftungsrisikos. Auch männliche
       Vorstandsmitglieder sind davon betroffen.
       
       Schwangere Vorstände sind in diesem rechtlichen Konstrukt allerdings erst
       gar nicht vorgesehen. Das ist sogar politisch gewollt, wie der
       [3][Leitfaden des Bundesfamilienministeriums zum Mutterschutz] von 2020
       nahelegt. Darin steht, dass Geschäftsführerinnen juristischer Personen oder
       Gesellschaften vom „MuSchuG“ ausgenommen sind.
       
       Ja, Vorständin müsste man sein, dachte ich einst, als meine einjährige
       Tochter hochfiebrig mit eitriger Mittelohrentzündung und mein Sohn mit
       Lungenpfeifen zur üblichen Winter-Grippe-Saison zu Hause bleiben mussten.
       Vorständin müsste ich werden und gleich zwei Kindermädchen einstellen, die
       mir meinen Nachtschlaf sichern könnten. Dass eine Vorständin oder weibliche
       Führungskraft im Jahr 2020 von den gesetzlichen Errungenschaften einer
       Arbeitnehmerin wie mir träumen könnte, kam mir nicht in den Sinn.
       
       ## Dann eben Apfelbrei
       
       In Nancy Meyers Kultfilm „Baby Boom“ aus dem Jahr 1987 kämpft die
       Unternehmensberaterin J.C. Wiatt (gespielt von Diane Keaton) mit Baby gegen
       ihre grauhaarigen alten Männer-Kollegen, um Partnerin zu werden. Sie
       scheitert. Am Ende findet sie ihre Erfüllung, als sie (mehr durch Zufall)
       ein Start-up für Baby-Apfelbrei gründet. Die Botschaft ist
       unmissverständlich: Jede Bestrebung, die Mütter von ihrer eigentlichen
       biologischen Bestimmung (dem Baby) und aus ihrem natürlichen sozialen
       Gefüge (Heim & Herd) entfernt, rächt sich und kostet nur Zeit und Nerven.
       In Amerika war damals, als „Baby Boom“ in die Kinos kam, die Devise hip:
       „You can’t have it all“ (dt. „Du kannst nicht alles haben“). Nicht Karriere
       und Kinder gleichzeitig.
       
       In Deutschland sind laut dem Ministerium von Franziska Giffey (SPD) keine
       Mütter von Babys als Vorständinnen vorgesehen. Dasselbe gilt übrigens auch
       für Selbstständige und natürlich für die Väter. Auch hier lautet die
       Aussage für alle Eltern, dass Leistung sich nicht lohnt.
       
       Meine Tochter ist heute sechs Jahre alt, sie sieht mir zu, wie ich um sechs
       Uhr morgens Butterbrotdosen mit Melonen- und Birnenstücken kuratiere. „Ich
       will später mal keine Kinder. Viel zu anstrengend“, sagt sie trocken. Ich
       kann sie verstehen.
       
       10 Sep 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Muetter-und-Familien-in-der-Corona-Krise/!5682410
 (DIR) [2] /Vorstaende-von-Dax-Unternehmen/!5147744
 (DIR) [3] https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/leitfaden-zum-mutterschutz/73756
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Caroline Rosales
       
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