# taz.de -- Kino in Berlin: Überwindung durch Film
       
       > Autokinos feiern in Zeiten von Corona ein Comeback. Da der Hype wohl nur
       > von kurzer Dauer sein wird, seien hier auch noch andere Pogramme
       > empfohlen.
       
 (IMG) Bild: Die 18-jährige Jean Seberg in Otto Premingers „Saint Joan“ (1956)
       
       Ein seltsames Comeback in den Zeiten von Corona feierte zuletzt das
       Autokino. Zuvor konnte es in Berlin ja nie so richtig Fuß fassen. Kein
       Wunder, denn irgendwie assoziiert man Autokino doch mit einer sehr lockeren
       amerikanischen Lebensart: Convertible-Straßenkreuzer und laue Sommernächte
       in Südkalifornien. Was den Preußen ja doch ein wenig abgeht. Aber Corona
       lässt momentan ja sowieso nichts Legeres zu.
       
       Im [1][Carrona-Autokino] beim Olympiastadion muss man mit Hygiene-Abstand
       in der eigenen Karosse sitzenbleiben, Cabriolets sind nur mit geschlossenem
       Verdeck zulässig, und Tickets sind lediglich Online zu erwerben
       (www.carrona.de). Wer sich davon angesprochen fühlt, sollte das Autokino
       lieber bald ausprobieren, denn wirklich zukunftsträchtig scheint mir dieses
       Konzept nicht zu sein.
       
       Immerhin gibt es demnächst einen schönen Film zu sehen: „Greatest Showman“,
       das Langfilmdebüt des australischen Regisseurs Michael Gracey, erwies sich
       2017 als das beste Filmmusical seit Jahrzehnten. Das liegt in dieser sehr
       freien Biographie des amerikanischen Zirkuspioniers P.T. Barnum, der Mitte
       des 19. Jahrhunderts mit einer Show menschlicher Kuriositäten für Aufsehen
       sorgte, nicht zuletzt an den musikalischen Fähigkeiten des australischen
       Superstars Hugh Jackman.
       
       Der ist nicht nur gut bei Stimme, sondern tanzt mit Frack und Zylinder auch
       so ansprechend, dass es keines die Räume eng machenden Corps de Ballet
       bedarf, um einen auf der Stelle tretenden Star zu kaschieren. Mit
       kitschigen Bühnenmusicals sollte man das Filmmusical sowieso nicht in einen
       Topf werfen. Es ist eine ganz eigene Kunst, die im besten Fall dem, was das
       Kino eigentlich ausmacht, ganz nahe kommt: maximale Stilisierung und
       maximale Verdichtung (19. 8., 20.30 Uhr, 26. 8., 20.15 Uhr, Carrona
       Autokino).
       
       Der erste schwarze Hauptdarsteller in einem amerikanischen Film noir war
       der nicht nur als Sänger populäre Harry Belafonte: Seine
       Produktionsgesellschaft Harbel hatte die Rechte an William P. McGiverns
       Roman „[2][Odds Against Tomorrow]“ erworben, und Belafonte beauftragte den
       (wegen der Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei) auf der schwarzen
       Liste stehenden Autor Abraham Polonsky mit der Realisierung eines
       Drehbuchs, das dieser unter Pseudonym verfasste.
       
       Regisseur Robert Wise setzte das Skript schließlich in einen bitteren Film
       noir um: Während die Geschichte eines Banküberfalls im Roman ein Happyend
       hat, scheitert der Coup im Film, weil der verbitterte Verlierer Earl Slater
       (Robert Ryan) und der elegante, aber leichtsinnige Nachtclubsänger Johnny
       Ingram (Belafonte) immer wieder in unversöhnlichem (Rassen-)Hass aneinander
       geraten. Das dramatische Finale lässt sie schließlich als verkohlte Leichen
       zurück – es ist nicht mehr erkennen, wer weiß und wer schwarz war (26. 8.,
       20 Uhr, [3][Arsenal 1]).
       
       Gerade als die Europäer Ende der 1950er Jahre eine recht pralle
       Weiblichkeit in Gestalt von Sophia Loren und Gina Lollobrigida nach
       Hollywood exportierten, entwickelte sich eine zerbrechlich wirkende
       amerikanische Schauspielerin mit kurzen blonden Haaren auf dem alten
       Kontinent zur Verkörperung eines modernen Frauentyps.
       
       1956 hatte Regisseur Otto Preminger die 18-jährige Jean Seberg unter großem
       Medienrummel für die Titelrolle seiner Verfilmung von George Bernard Shaws
       „[4][Saint Joan]“ ausgewählt, in dem sie eine heilige Johanna gibt, die
       ihren Anklägern ebenso naiv wie glaubensfest gegenübertritt.
       
       Allerdings wäre ihr erster Film beinahe zu ihrem letzten geworden: Aufgrund
       eines technischen Defekts entging Seberg in der finalen
       Scheiterhaufen-Szene nur knapp der leibhaftigen Verbrennung. Im
       Zeughauskino gibt es für Premingers Klassiker, in dem Adolf Wohlbrück als
       undurchsichtiger Ankläger Cauchon auftritt, noch Restkarten, also schnell
       bestellen (22. 8., 21 Uhr, Zeughauskino).
       
       In Planung, aber noch nicht abschließend genehmigt, ist eine Open
       Air-Aufführung von F.W. Murnaus „Nosferatu“ (1921) am 26. 8. um 20.30 Uhr
       in der Greifenhagener Straße vor dem Kino Krokodil. Jürgen Kurz würde den
       Stummfilm am Flügel begleiten, der Eintritt wäre frei. Die Vorstellung
       hätte natürlich Symbolcharakter – schließlich geht es in Murnaus
       wunderbarem Vampirklassiker auch um die Überwindung einer Seuche. Über die
       weitere Entwicklung der Genehmigung informiert man sich am besten über die
       Webseite des Kinos ([5][www.kino-krokodil.de]).
       
       12 Aug 2020
       
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 (DIR) [5] http://www.kino-krokodil.de
       
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