# taz.de -- Die Wahrheit: Liegen und liegen lassen
       
       > Im Homeoffice zu Pandemiezeiten werden immer mehr Faulenzer zu
       > leidenschaftlichen Bettanbetern und verlernen das Arbeiten ohne
       > Schlafanzug.
       
 (IMG) Bild: So lässt es sich jederzeit im Lockdown aushalten: ein einfaches Bett in der Schweiz
       
       Die nun schon einige Monate dauernde Pandemie zeitigt problematische
       Langzeitfolgen, eine davon ist die [1][Homeoffice]-Verwahrlosung. Immer
       mehr Daheimarbeiter und -arbeiterinnen wollen ihr Bett gar nicht mehr
       verlassen und sich stattdessen in der neu gewonnenen Bequemlichkeit
       einrichten.
       
       Bei den Videokonferenzen mit den Kollegen kann man die schlampigen
       Schluffis nicht gleich ausmachen, da ja nur ihr Kopf zu sehen ist. Ist aber
       immer die gleiche Tapete im Hintergrund? Oder dominiert ein Kopfkissen den
       Bildausschnitt? Wirkt der Konferenzteilnehmer ungewaschen oder
       unausgeschlafen? Hat er Federn im Haar? Wer hier fünfmal ja sagen muss, hat
       es mit Sicherheit mit einen notorischen Im-Bett-Bleiber zu tun.
       
       Diesen Typus des „Bettmenschen“ hat es schon immer gegeben. Die
       prominentesten Dauer-fläzer waren Thomas Hobbes, René Descartes und Winston
       „Bettwurst“ Churchill. Marcel Proust suchte die verlorene Zeit im Bett, und
       Truman Capote blieb kaltblütig ganze Tage dort und behauptete kategorisch,
       nur im Bett arbeiten zu können.
       
       ## Fünfzig goldene Bettpfosten
       
       Alexander der Große war auch ein ganz großer Im-Bett-Bleiber, er regierte
       fläzend von seinem Bett unter einem goldenen Baldachin mit fünfzig goldenen
       Pfosten. Kein Problem in einer Zeit ohne Paparazzi und Kameras.
       
       Das Herumlungern auf dem Bett war ohnehin ein Privileg der Könige. Das
       berühmte „Lit de justice“ ist ein Beleg dafür. Im Ancien Régime war dies
       eine besondere Sitzung des Parlaments in Anwesenheit des französischen
       Königs. Der Thron erinnerte an ein baldachingekröntes Himmelbett mit fünf
       Kissen. Eines benutzte der matte König für seine Arme, auf einem saß er,
       eines war für den Rücken und das fünfte für den Laptop. Diese bequeme
       Inszenierung ging zurück auf die Merowinger, die große Herumfläzer und
       Wälzer waren. „Müde wie ein Merowinger“, sagt man ja noch heute.
       
       Auch Bernadotte, der Horizontale, war so ein Müßiglieger. Der einstige
       König von Schweden ging abends um elf Uhr zu Bett und verließ es erst
       wieder am folgenden Nachmittag um vier Uhr. Im Winter – also fast immer in
       Schweden – empfing er seine Minister im Bett, und dort unterzeichnete er
       die Akten, berichtet die „Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens“ 1906
       leicht pikiert.
       
       ## Gedichte aus der Matratzengruft
       
       Der berühmteste Bettlägrige allerdings war der Dichter Heinrich Heine, der
       seine späten Jahre nur noch im Bett verbrachte, das er als „Matratzengruft“
       bezeichnete. Bis zu seinem Tod verließ er seine Bettstatt kaum und
       verfasste als „Lazarus“ düstere Gedichte. Heine – der erste Grufti.
       
       [2][Und was spricht gegen das Arbeiten im Bett?] Muskeln und Knochenbau
       bilden sich zurück, doch solange man ein Nackenkissen verwendet, sieht die
       Bettenwirtschaft laut „Betten-ABC“ keine begründeten Einwände dagegen. Das
       Wall Street Journal meldete dazu, dass laut einer unabhängigen Untersuchung
       der dortigen Bettenfabrikanten 80 Prozent aller New Yorker Berufstätigen
       regelmäßig im Bett arbeiten.
       
       Die Probleme für die berufstätigen Bettwürste kommen meist erst nach dem
       Lockdown, also nach dem Lockup: Zurück im Büro lagern sich die verwöhnten
       Flachmänner bequem auf dem weichen Teppichboden, andere richten sich ein
       Kissenlager auf dem Schreibtisch ein. Dabei tragen sie ihre schluffigen
       Schlafanzüge, was zu unnötigen innerbetrieblichen Kontroversen führt:
       Anzugträger stehen unversöhnlich Schlafanzugträgern gegenüber!
       
       Deshalb bieten findige Coaches Wiedereingliederungskurse an, bei denen die
       Teilnehmer wieder lernen, wie früher herumzustehen und im Sitzen zu
       arbeiten. Später einmal, in der Nach-Coronazeit, wird man sicherlich
       kopfschüttelnd auf diese „Stehaufmännchen-Kurse“ zurückblicken!
       
       25 Aug 2020
       
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