# taz.de -- Corona killt Café-Kultur: Innen maximal fünf Personen
       
       > Melanie Bremecker betreibt in Bremen das Café „Marianne“. Ende September
       > ist Schluss: Die Pandemie hat sie in die Knie gezwungen.
       
 (IMG) Bild: Gemütlich heißt immer auch: Abstand halten fällt schwer
       
       Bremen taz | Melanie Bremecker lächelt zwar, aber das ist ein trauriges
       Lächeln. „Es geht mir, ehrlich gesagt, so schlecht wie noch nie“, sagt sie.
       Die Gastronomin sitzt auf einem Kissen im Fenster ihres kleinen Cafés
       „Marianne“, versteckt in einer Seitenstraße des Bremer Viertels und schaut
       aus dem Fenster. Es ist ein heißer Sommertag. Sie trinkt Wasser mit
       Eiswürfeln und Zitrone. Draußen auf den bunten Stühlen an den bunten
       Tischen ist jeder Platz besetzt. Drinnen sitzt niemand. Auf einem Schild an
       der Tür steht, dass nur maximal fünf Personen gleichzeitig im Laden sein
       dürfen – wegen Corona.
       
       Im Sommer 2011 beschlossen zwei Frauen, beide mit dem Namen Melanie,
       gemeinsam ein Café aufzumachen – Sie nannten es: Nein, nicht Melanie,
       sondern „Marianne“. Der 35-Quadratmeter-Laden, der früher einmal ein
       Friseurgeschäft gewesen war, an der Ecke Berliner Straße, etwas abseits vom
       Trubel im Steintor, wurde in liebevoller Handarbeit von den beiden Melanies
       umgebaut. Es gab Kuchen und selbstgebackene Waffeln, Kekse und Biobrot.
       Später kam dann das allseits beliebte Frühstück dazu. Auf einem Zettel
       konnte man mit einem Bleistift ankreuzen, was man auf seinem
       Frühstücksteller haben wollte: Von selbstgemachtem Aufstrich über Hummus
       bis Müsli war alles dabei. Die meiste Arbeit machten die Gastronominnen
       selbst. Es wurde gebacken, belegt, gemixt und gekocht. 2014 zog es Melanie
       Wernthal nach Berlin. Die andere, Melanie Bremecker, machte in Bremen
       weiter.
       
       Wie die meisten Cafés im Viertel musste auch die „Marianne“ während des
       Lockdowns Anfang des Jahres schießen. Am 23. Mai gab es die
       Wiedereröffnung. Aber der Schein trügt: Der Laden hat nicht überlebt. „Am
       23. September werde ich den Schlüssel abgeben“, sagt Bremecker. Die
       44-Jährige schaut sich um. Es riecht nach frischen Waffeln und Kaffee. Eine
       junge Frau steht hinter dem Tresen und nimmt gelegentlich Bestellungen auf.
       „Wir haben damals, 2011, am 23. September aufgemacht. Jetzt machen wir neun
       Jahre später am selben Tag zu, das finde ich eine runde Sache“, sagt
       Bremecker. Eigentlich sei sie immer ein Stehaufmännchen gewesen. „Ich
       konnte immer aus Scheiße Gold machen.“ Jetzt hat die Pandemie sie in die
       Knie gezwungen.
       
       „Sehr viele fühlen sich bedroht“, sagt Natalie Rübsteck,
       Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes Bremen
       (Dehoga). Bei einer Befragung hätten in Niedersachsen 65 Prozent der
       Befragten angegeben, dass sie sich aufgrund der Coronapandemie jetzt
       existenzielle Sogen machen würden, in Bremen seien es 63 Prozent.
       „Problematisch ist in Bremen vor allem der oft eingeschränkte
       Platzbereich“, sagt Rübsteck. Es gäbe viele Cafés mit kleiner Ladenfläche
       und wenigen Sitzplätzen. Häufig seien etwa 50 Prozent der Sitzplätze
       draußen.
       
       „Die Läden, die einen Außenbereich haben, die haben es meist noch ganz
       gut“, sagt sie. Angst hätten viele jetzt vor dem Herbst – wenn es kälter
       werde und die Außenplätze langsam wegfielen. „Wir arbeiten auf allen Ebenen
       daran, dass es da weitere Unterstützungen gibt“, sagt Rübsteck. „Aber eine
       Lösung gibt es da noch nicht.“ Das Wirtschaftsressort stehe im engen
       Kontakt mit der Dehoga, sagt auch Kai Stührenberg, Sprecher von Senatorin
       Kristina Vogt (Die Linke). „Wichtig ist, dass es nicht zu einem erneuten
       Lockdown kommt und wir alles tun, um eine Steigerung der Infektionen zu
       vermeiden.“
       
       „Hier drinnen ist es jetzt einfach nicht mehr so gemütlich“, sagt Melanie
       Bremecker. Auf der Platte eines Tisches, an dem unter normalen Umständen
       etwa sechs Leute Platz gefunden hätten, stehen jetzt Stühle ineinander
       verkeilt – hier soll keiner mehr sitzen, aus Abstands- und Hygienegründen.
       In einer Ecke beim Fenster, neben dem Tresen, direkt hinter der großen
       Kaffeemaschine, wo es immer gemütliche zwei Plätze gab und einen kleinen
       Tisch, darf jetzt nur noch eine Person sitzen – „einladend“ ist anders.
       
       5.000 Euro hat Melanie Bremecker beantragt, als es hieß, es gebe jetzt die
       sogenannte Corona-Soforthilfe in Bremen. Sieben Wochen hat es gedauert, bis
       sie Geld bekam. Sieben Wochen, in denen sie zum ersten Mal in ihrem Leben
       richtige Existenzangst hatte, wie sie sagt. Sieben Wochen, in denen sie nur
       mit Erspartem und Unterstützung durch ihren Vater über die Runden kam. Als
       das Corona-Geld dann endlich kam, waren ihr nur 2.300 Euro bewilligt
       worden. Mit Hilfe ihres Vaters legte sie Widerspruch ein. Es dauerte wieder
       Wochen. In einem Brief vom Amt erfuhr sie, dass gerade alles überlastet
       sei, sie müsse sich noch weiter gedulden.
       
       Als sie ihren Laden im Mai dann wieder öffnen konnte, waren die Sorgen aber
       längst nicht passé. Ihr Umsatz sei, im Vergleich zum Vorjahr um diese Zeit,
       um etwa 50 Prozent eingebrochen. „Ich habe mir, als ich wieder geöffnet
       hatte, anfangs selber keinen Lohn gezahlt“, sagt Bremecker. Ihre Aushilfen
       habe sie entlassen müssen. „Ich stand von morgens bis abends alleine hier
       im Laden, weil ich es mir nicht leisten konnte, jemanden zu bezahlen“, sagt
       sie. Weil sie sich auch noch um ihre achtjährige Tochter kümmern musste,
       musste sie die Öffnungszeiten reduzieren. Ein Teufelskreis.
       
       Wie es nun im September für Melanie Bremecker weitergeht, weiß sie noch
       nicht. „Ich würde mir wünschen, nach der ganzen Sache erst mal ein wenig
       Ruhe zu haben und mich um mich kümmern zu können“, sagt sie. Ihre
       Gesundheit habe stark gelitten. Ihr Rücken bereite ihr durchgehend
       Schmerzen. „Ich habe ein bisschen Angst, dass das Amt mir sagt, dass ich
       wieder in meinem alten Beruf arbeiten muss.“ Bremecker ist gelernte
       Erzieherin. Sie wünscht sich eigentlich, sich selbst aussuchen zu können,
       was sie als nächstes macht. Aber die Existenzangst wird ihr keine
       Verschnaufpause gönnen. „Ich habe Schulden, die werde ich nicht so schnell
       los“, sagt sie. Ihre positive Einstellung hat zwar einen Dämpfer bekommen,
       aber ganz verschwunden ist sie nicht: „Ich wäre gerne von alleine
       gegangen“, sagt Bremecker. „Aber es ist okay, dass jetzt etwas Neues
       kommt.“
       
       24 Aug 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Mahé Crüsemann
       
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