# taz.de -- Abgeordnetenhaus aus den Ferien zurück: Ein Ziel, viele Wege
       
       > Alle Fraktionen wollen Aufklärung der Neuköllner Anschläge, aber auf
       > unterschiedliche Art. SPD sieht keine rechtsextremen Netzwerke in der
       > Polizei.
       
 (IMG) Bild: Unter den Attacken in Neukölln waren auch viele Brandanschläge auf Autos
       
       taz | Berlin Es sind interessante Dinge zu beobachten an diesem Vormittag
       im Abgeordnetenhaus, als es in der Plenarsitzung um rechten Terror geht,
       vor allem die weiter unaufgeklärte Anschlagserie in Neukölln. Da wollen
       angeblich alle das Gleiche, aber nicht auf demselben Weg. Da beklatscht ein
       SPDler einsam und leise Worte des CDU-Fraktionschefs, da lobt die AfD einen
       SPD-Innenpolitiker. Der wiederum kriegt in der rot-rot-grünen Koalition
       fast nur von seinen eigenen Sozialdemokraten Beifall, als er den
       Verfassungsschutz für unverzichtbar erklärt. Und alle stehen noch unter dem
       Eindruck der Autobahn-Attacke vom Dienstag, die weder rechts- noch
       linksextrem, sondern vielleicht islamistisch motiviert war (siehe S. 22).
       
       „Lehren aus dem NSU: Rechte Gewalt und ihre Strukturen effektiv bekämpfen“
       ist die Debatte überschrieben. Anlass sind die rund 70 Straftaten in
       Neukölln seit 2016, die Rechtsextremisten zugeordneten werden. Zuletzt gab
       es den Vorwurf, zuständige Staatsanwälte könnten durch Nähe zu
       Rechtsextremen befangen sein – wofür es laut Generalstaatsanwältin aber
       keine Anhaltspunkte gibt.
       
       Nach Wahrnehmung von Anne Helm, der neuen Chefin der Linksfraktion, haben
       durch die Anschläge viele Menschen das Vertrauen in Rechtsstaat und
       Sicherheitsbehörden verloren, ja, sie hätten sogar Angst vor der Polizei.
       Die Grüne June Tomiak sieht nicht nur Einzelfälle: „Wir haben ein Problem
       mit der Polizei, dem Verfassungsschutz und der Justiz.“
       
       Das ist nicht die Sichtweise von Frank Zimmermann, dem führenden
       SPD-Innenpolitiker. Er drängt nicht minder auf Aufklärung, lehnt aber eine
       pauschale Kritik ab. „Ich bin für Differenzierung“, sagt er, auch wenn das
       vielleicht keine Schlagzeilen bringe. „Aus meiner Sicht gibt es für ein
       rechtsextremes Netzwerk in der Berliner Polizei keinen Anhaltspunkt.“
       Begeisterung bricht bei Linkspartei und Grünen auch nicht aus, als er sagt:
       „Die Expertise des Verfassungsschutzes ist unverzichtbar.“ Lob gibt es für
       seine Worte von AfD-Redner Karsten Woldeit – der dann rechtsextreme
       Attacken mit einer größeren Zahl linksextremer und islamistischer
       aufrechnet.
       
       ## Linksfraktion will Untersuchungsausschuss
       
       CDU-Fraktionschef Burkard Dregger wiederum hält der Koalition vor, das
       Vertrauensverhältnis zur Polizei beschädigt zu haben – und kommt deshalb
       nochmals auf das vor den Ferien beschlossene Antidiskriminierungsgesetz zu
       sprechen. „Sie legen den Sicherheitsbehörden Steine in den Weg“, sagt
       Dregger, „Ideologie dominiert den Verstand.“ Eine Formulierung findet er
       immerhin, die zumindest auch den Beifall des SPD-Abgeordneten Thomas
       Isenberg bekommt: „Jede Form von Extremismus ist abzulehnen.“
       
       Jeder der drei Koalitionspartner skizziert seinen eigenen Weg zu mehr
       Aufklärung: Die Linksfraktion fordert einen Untersuchungsausschuss, die
       Grüne Tomiak will eine breit angelegte Enquetekommission, und SPDler
       Zimmermann unterstützt den Vorschlag seines Parteifreunds, Innensenator
       Andreas Geisel. Der hat eine externe Begutachtung durch eine
       Sonderkommission angekündigt.
       
       Geisel kündigt am Ende der Debatte einen Untersuchungsbericht zur Causa
       Neukölln an, der Ende August dem Innenausschuss vorliegen soll. Namen für
       die Sonderkommission mag er an diesem Donnerstag nicht nennen, nur so viel
       sagen: Ihre Mitglieder hätten „umfangreiche Erfahrungen im Kampf gegen
       Rechtsextremismus“. Der Senator sieht dabei aber nicht nur die
       Sicherheitsbehörden gefordert: „Die Extremisten haben nur eine Chance, wenn
       die Mitte der Gesellschaft ihre Taten geschehen lässt.“ Der Staat muss aus
       seiner Sicht zwar Orientierung geben – „was ist richtig, was ist falsch?“
       –, aber Engagement müsse von jedem Einzelnen kommen: „Das geht nicht von
       allein weg.“
       
       20 Aug 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Alberti
       
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