# taz.de -- SPD im Vorwahlkampf: Mehr Kanten, bitte!
       
       > Die SPD braucht keinen Kanzlerkandidaten, wenn sie weiterhin bei 15
       > Prozent verharrt. Die Partei sollte sich Gedanken machen, warum das so
       > ist.
       
 (IMG) Bild: Mag sein, dass die SPD Olaf Scholz nominiert – aber braucht sie überhaupt einen Kanzlerkandidaten?
       
       Berlin taz | Die SPD will einmal mutig sein: Schon nach der Sommerpause
       will sie ihren Kanzlerkandidaten, der wohl Olaf Scholz heißen wird, küren.
       Und Co-Chef Norbert Walter-Borjans [1][schließt ein Bündnis mit der
       Linkspartei zumindest nicht aus], weil sonst die „Verteidiger des ‚Weiter
       so‘ schon gewonnen hätten“. Das ist natürlich etwas kompliziert-verdruckst
       ausgedrückt, aber für SPD-Verhältnisse geradezu verwegen.
       
       Nur: Es wird nichts nützen. Das Fenster der Gelegenheit stand bei der Wahl
       2013 weit offen; SPD, Grüne und Linke erreichten damals die
       parlamentarische Mehrheit für eine Koalition, die die SPD aber
       ausgeschlossen hatte. Heute liegt die SPD bei Umfragen stabil bei 15
       Prozent; aus dem 20,5-Prozent-Tief der vergangenen Wahl ist sie [2][bis
       heute nicht herausgekommen]. Sinnlos ist deshalb auch die Fixierung auf
       einen Kanzlerkandidaten, die mehr mit Symbolik, medialen Erwartungen und
       „Haben wir immer so gemacht“ zu tun hat.
       
       Schon immer? Mitnichten. Erst mit Willy Brandt wurde ein offizieller
       Kanzlerkandidat gekürt, die Idee hatten sich seine Wahlstrategen aus den
       USA abgeschaut. Brandts Vorgänger Kurt Schumacher und Erich Ollenhauer
       waren, ziemlich bescheiden, Spitzenkandidaten. Beide erreichten bei den
       Bundestagswahlen jeweils um die 30 Prozent, ein Wert, von dem die
       SPD-StrategInnen heute nicht zu träumen wagen.
       
       Die SPD braucht keinen Kanzlerkandidaten, solange sie keinen findet, hinter
       dem sich die unterschiedlichen Strömungen der Partei glaubhaft sammeln
       können und der gleichzeitig einen Aufbruchsgeist über die Stammklientel
       hinaus vermitteln kann. So wie es Martin Schulz 2017 zumindest für ein paar
       Wochen zu gelingen schien.
       
       Statt sich der Illusion hinzugeben, dass man 2021 ernsthaft die Kanzlerin
       oder den Kanzler stellen kann, sollte die SPD einmal darüber nachdenken,
       warum sie eigentlich bei 15 Prozent verharrt, obwohl sie als netter
       Gemischtwarenladen mit allerlei Spiegelstrich-Forderungen daherkommt.
       Womöglich gerade deshalb? Wer wenig zu verlieren hat, sollte sich das
       Privileg erlauben, nicht jedem gefallen zu wollen.
       
       9 Aug 2020
       
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