# taz.de -- Wurde Oury Jalloh ermordet?: Ministerium blockiert Aufklärung
       
       > Juristen sollen Ermittlungsfehler im Fall Oury Jalloh prüfen. Jetzt wurde
       > bekannt: Das Justizministerium Sachsen-Anhalt behindert die Experten
       > dabei.
       
 (IMG) Bild: Eine Kerze zum Gedenken an Oury Jalloh
       
       Berlin taz | Das CDU-geführte Justizministerium von Sachsen-Anhalt
       blockiert die Aufarbeitung des Falles [1][Oury Jalloh]. Staatssekretär
       Josef Molkenbur lehnt es ab, dass Staatsanwälte frei und unbeaufsichtigt
       mit zwei Sachverständigen sprechen, die der Landtag von Sachsen-Anhalt
       eingesetzt hatte, um die Ermittlungen in dem Fall zu überprüfen. Der
       Spiegel hatte zuerst darüber berichtet.
       
       Die beiden Juristen sollen klären, ob bei den Ermittlungen in dem Fall des
       2005 in einer Dessauer Polizeizelle verbrannten Sierra Leoners Oury Jalloh
       Fehler gemacht worden sind. Obwohl alle Indizien auf eine Tötung Jallohs
       hindeuten, waren die Mordermittlungen eingestellt worden.
       
       Bei den Sachverständigen handelt es sich um den Grünen Jerzy Montag und den
       konservativen Juristen Manfred Nötzel. Sie hatten in den vergangenen
       Monaten bereits mit PolizeibeamtInnen gesprochen, ohne dass das zuständige
       Innenministerium Einwände erhoben hätte.
       
       Das Justizministerium [2][erklärte nun], es habe „nicht die geringsten
       Vorbehalte“ gegen die beabsichtigten Befragungen der StaatsanwältInnen –
       allerdings nur in Sitzungen des Rechtsausschusses und somit im Beisein von
       Mitgliedern der Landesregierung. Fragen sollten vorab geschickt werden.
       Alles andere sei nicht mit der Landesverfassung vereinbar.
       
       ## „Schwere Beeinträchtigung unserer Arbeit“
       
       Montag lehnt dies ab: Die JustizbeamtInnen nur in einem solchen Setting
       befragen zu können sei „eine schwere Beeinträchtigung unserer Arbeit für
       das Parlament“ schrieb er in einer Mail an Molkenbur. Er bitte „dringlich“
       darum, die Entscheidung zu überdenken.
       
       Es geht insgesamt um Gespräche mit sieben JustizbeamtInnen, darunter wohl
       mindestens drei StaatsanwältInnen: Neben Sachsen-Anhalts
       Noch-Generalstaatsanwalt Jürgen Konrad dürfte dies der langjährige Leitende
       Oberstaatsanwalt in Dessau, Folker Bittmann sein. Der hatte, nach 12 Jahre
       währenden Ermittlungen, im April 2017 erklärt, er gehe von einer Tötung
       Jallohs aus. Bittmann hatte dabei einzelne Beamte aus dem Dessauer Revier
       als Tatverdächtige benannt.
       
       Kurz darauf war ihm der Fall entzogen und an die Staatsanwaltschaft Halle
       übertragen worden. Dort entschied die Chefin der Anklagebehörde, Heike
       Geyer, im November 2017, den Fall einzustellen – was für viel Empörung
       sorgte. Geyer soll jetzt aufsteigen: Im Juni 2020 wurde [3][bekannt], dass
       Geyer Konrad nachfolgen und Generalstaatsanwältin von Sachsen-Anhalt werden
       soll.
       
       Dem Vernehmen nach war es nun Geyer, die sich nicht von den beiden
       Sachverständigen befragen lassen wollte, woraufhin das Justizministerium
       das Gespräch ersteinmal blockierte.
       
       Bemerkenswert an dem Vorgang ist, dass das Justizministerium beteiligt war,
       als 2018 der Rechtsausschuss des Landtags den Untersuchungsauftrag für
       Montag und Nötzel festlegte – und ein Fragerecht für die beiden explizit
       festschrieb. Einwände gab es damals keine.
       
       ## Krach in der Koalition
       
       Die Ablehnung von Montags Anfrage ist eine der ersten Amtshandlungen des
       Staatssekretärs Molkenbur. Sein Vorgänger Hubert Böning (CDU) war Mitte
       Juni in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden. Grund war der Skandal
       um den Fluchtversuch des Halle-Attentäters Stephan Balliet. Im Landtag von
       Magdeburg heißt es, nur durch die Demission von Böning konnte
       Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU) ihren eigenen Rücktritt abwenden.
       Böning hatte den Sachverständigen Montag und Nötzel vor einigen Wochen noch
       in Aussicht gestellt, die StaatsanwältInnen in der Causa Oury Jalloh
       befragen zu können.
       
       Eigentlich hatten Montag und Nötzel ihren Untersuchungsbericht im August
       vorlegen wollen. Daraus wird nun wohl nichts. SPD und Grüne, die in
       Sachsen-Anhalt mit der CDU in einer Kenia-Koalition regieren, haben das
       Thema für kommenden Dienstag im Koalitionsausschuss angesetzt. Auch bei der
       letzten Landtagssitzung vor der Sommerpause am Mittwoch spielte der Fall
       eine Rolle.
       
       Die Linken-Abgeordnete Henriette Quade sagt, sie sei von Anfang an dafür
       gewesen, keine Sachverständigen, sondern gleich einen parlamentarischen
       Untersuchungsausschuss einzusetzen. „Ich sehe mich jetzt bestätigt“. Von
       der vom Justizministerium vorgeschlagenen Befragung im Rechtsausschuss hält
       sie nichts: Dort seien „keine vertraulichen Gespräche“ mit Montag und
       Nötzel möglich. Die Behauptung, eine Befragung außerhalb des
       Rechtsausschusses sei verfassungswidrig, sei „Quark“, sagt Quade.
       
       SPD-Fraktionssprecher Martin Krems-Möbbeck nennt die Verweigerung des
       Justizministeriums „äußerst irritierend“. Das Fragerecht für Montag und
       Nötzel sei der „klare politische Wille“ des Landtags. Die Arbeit der beiden
       mache „gar keinen Sinn wenn sie nicht die Möglichkeit haben, diese
       Gespräche zu führen.“
       
       „Der Ball liegt beim Justizministerium“, sagt Sebastian Striegel,
       Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen. „Wir bestehen darauf, dass
       die beiden die Gespräche mit den Staatsanwälten führen dürfen.“
       
       8 Jul 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Vor-15-Jahren-starb-Oury-Jalloh/!5650368
 (DIR) [2] http://www.presse.sachsen-anhalt.de/index.php?cmd=get&id=911613&identifier=6c1eb61e5ddf6df2ff6b934c3413bb01
 (DIR) [3] https://www.presseportal.de/pm/47409/4617746
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Jakob
       
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