# taz.de -- Waffenscheine in Niedersachsen: Sind Sie Extremist? Bitte ankreuzen
       
       > Niedersachsen kann das neue Waffengesetz nicht wie gefordert umzusetzen.
       > Der Verfassungsschutz ist mit der Datenabfrage für Jäger überfordert.
       
 (IMG) Bild: Wer eine Waffe trägt, muss erst seine Eignung beweisen – theoretisch jedenfalls
       
       Hannover taz | Der unbekannte Verfasser ist sauer. In einem Schreiben von
       acht Seiten, gerichtet an alle Fraktionen im niedersächsischen Landtag,
       legt der Jäger dar, was er für einen rechtlichen Skandal hält: Das Land
       Niedersachsen verzichtet offenbar bisher darauf, beim Verfassungsschutz
       nachzufragen, wenn jemand einen Waffenschein beantragt. Obwohl das
       Waffengesetz dies neuerdings so vorschreibt.
       
       Stattdessen verlangt man von Menschen, die einen Jagdschein beantragen,
       eine Selbstauskunft, in der steht: „Es ist mir nicht bekannt, dass bei der
       zuständigen Verfassungsschutzbehörde Tatsachen vorliegen, die Bedenken
       gegen die Zuverlässigkeit gemäß §5 Abs. 2 und 3 WaffG begründen.“
       
       Dies, bemerkt Helge Limburg, rechtspolitischer Sprecher der Grünen im
       Landtag, sei auf zwei Ebenen drollig: Erstens sei ja wohl kaum anzunehmen,
       dass sich Verfassungsfeinde hier mal eben freiwillig offenbarten. Und
       zweitens sollten Extremisten im Idealfall ja auch keine allzu präzise
       Vorstellung davon haben, wie viel der Verfassungsschutz über sie weiß oder
       nicht weiß.
       
       Entstanden ist diese Regelung nämlich für genau jene Fälle, die
       strafrechtlich noch nicht so einschlägig in Erscheinung getreten sind, dass
       man ihnen deshalb den Waffenbesitz verwehren kann – sie aber [1][aufgrund
       ihrer extremistischen Haltung trotzdem im Visier] der Behörden sind.
       
       ## Behelfslösung, weil der Datenabgleich nicht klappt
       
       Eine solche automatische Abfrage beim Verfassungsschutz ist in den
       vergangenen Jahren immer mal wieder diskutiert worden. Auch Niedersachsens
       Innenminister Boris Pistorius (SPD) hatte sich im Bundesrat schon einmal
       dafür stark gemacht. Eine [2][politische Mehrheit auf Bundesebene fand sich
       dafür aber] erst Ende 2019, unter dem Eindruck des [3][Attentats in Halle]
       und des Mordes an Walter Lübcke.
       
       Im Februar traten diese und einige andere Änderungen des Waffengesetzes nun
       in Kraft. Doch mit der Umsetzung hapert es offenbar. Zum neuen Jagdjahr,
       das immer am 1. April beginnt, beantragten nach Auskunft des für die
       Jagdaufsicht zuständigen Landwirtschaftsministeriums circa 20.000
       Jäger:innen in Niedersachsen einen neuen Jagdschein. Die technischen
       Voraussetzungen für einen Datenabgleich beim Verfassungsschutz lägen aber
       noch nicht vor, erklärte Ministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) dem erbosten
       Jäger im Juni.
       
       Deshalb versucht man nun offenbar, mit der Behelfslösung der Selbstauskunft
       über die Runden zu kommen. Immerhin sind die Jäger:innen in Sachen
       Extremismus bisher auch nicht besonders aufgefallen: Die meisten Amokläufer
       oder Attentäter haben ihre Waffen entweder legal als Sportschützen erworben
       oder sich gleich illegal beschafft.
       
       Für bloße Waffennärr:innen sind die Hürden beim Jagdrecht ungleich höher
       als im Vereinssport, die Vorbereitungskurse kosten viel Zeit und Geld.
       [4][Allerdings erscheint es auch nicht so unwahrscheinlich, dass sich
       beispielsweise unter Reichsbürger:innen] oder völkischen Siedler:innen
       Jagdliebhaber:innen finden.
       
       ## Auch rechtlich ist die Selbstauskunft problematisch
       
       Der Grüne Limburg findet das Vorgehen der Landesregierung grob fahrlässig
       und unverantwortlich. „Wenn dadurch auch nur eine Waffe in die Hände von
       Verfassungsfeinden gelangt, ist die Ministerin mitverantwortlich. Diese
       Praxis muss sofort geändert werden“, sagt er. Die Fraktion plant dazu eine
       Anfrage nach der Sommerpause.
       
       Auch rechtlich erscheint die Selbsterklärung, so wie sie formuliert ist,
       einigermaßen problematisch. Ohne weitere Erläuterungen wird den
       Betreffenden nämlich auch noch ein Rechtsmittelverzicht abverlangt. Für den
       Fall, dass eine nachträgliche Überprüfung beim Verfassungsschutz doch
       irgendwelche Erkenntnisse zu Tage fördert, will man so die Erlaubnis ganz
       fix wieder einkassieren können.
       
       Angesichts der Tatsache, dass der niedersächsische Verfassungsschutz auch
       schon wegen widerrechtlich gespeicherter Daten in die Schlagzeilen geriet,
       erscheint das gewagt. Der Beschwerde führende Jäger wittert darin
       jedenfalls einen klaren Rechtsbruch und will die Selbstauskunft nicht
       unterschreiben.
       
       Aus dem Landwirtschaftsministerium ist bis Redaktionsschluss keine
       Stellungnahme zu bekommen. Im Bilde ist man dort allerdings. Bevor sich der
       Jäger an die Abgeordneten wandte, beschwerte er sich mehrfach bei der
       Ministerin.
       
       18 Jul 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nadine Conti
       
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