# taz.de -- Unterernährung durch Corona: Das Jahr des Hungers
       
       > Laut Welternährungsorganisation hungern weniger Menschen als gedacht,
       > statt 820 „nur“ 690 Millionen. Warum das trotzdem keine gute Nachricht
       > ist.
       
 (IMG) Bild: Positivbeispiel Kenia: Zwiebelhändler in Nairobi während der Pandemie
       
       Berlin taz | Das Jahr 2020 wird voraussichtlich das weltweit schlimmste
       Hungerjahr seit Langem: Schon seit 2015 haben weltweit immer mehr Menschen
       nicht genug zu essen, nun kommen die Auswirkungen der Coronapandemie dazu.
       Die Welternährungsorganisation FAO schreibt in ihrem [1][am Montag
       veröffentlichten Bericht], der ökonomische Einbruch durch Covid-19 treibe
       83 bis 132 Millionen Menschen zusätzlich in die Unterernährung.
       
       Selbst bei einer wirtschaftlichen Erholung im kommenden Jahr wird sich die
       Situation für viele nicht sofort wieder verbessern. Die Hilfsorganisation
       [2][Oxfam warnt], an Hunger infolge der Pandemie könnten mehr Menschen
       sterben als am Virus selbst, bis zu 12.000 Menschen täglich.
       
       Insgesamt litten im Jahr 2019 weltweit fast 9 Prozent der Menschen, rund
       690 Millionen, dauerhaft Hunger, insgesamt rund 2 Milliarden zumindest
       zeitweise. Für 1 weitere Milliarde Menschen ist gesundes Essen unbezahlbar,
       sie kommen gerade so über die Runden. Übrigens leben laut FAO auch in
       Deutschland 600.000 Menschen, die ernste Schwierigkeiten haben, sich genug
       Nahrung zu leisten. Dafür waren 2016 15,3 Millionen Menschen hierzulande
       übergewichtig, Tendenz steigend.
       
       Es gibt in dem jährlich erscheinenden Bericht auch gute Nachrichten: Neue
       Daten aus China zeigen, dass dort schon seit Längerem die Zahl der
       dauerhaft unterernährten Menschen deutlich niedriger ist als angenommen.
       Offenbar ist das Problem so gut wie besiegt. Bisher ging die FAO noch davon
       aus, dass rund 8,5 Prozent der Chinesen von der ärgsten Form des Hungers
       betroffen sind. Nach neuen Untersuchungen sind es aber weniger als 2,5
       Prozent. Mittlerweile sind deutlich mehr Kinder in China übergewichtig als
       unterernährt. Das führt dazu, dass die FAO die absolute Zahl der Hungernden
       weltweit von 820 Millionen auf 690 Menschen nach unten korrigiert hat.
       
       ## 60 Millionen mehr Hungernde
       
       Aber das heißt eben nicht, dass im vergangenen Jahr die Differenz, also 130
       Millionen Menschen, auf einmal genug zu essen gehabt hätten. Es heißt nur,
       dass China schon wesentlich länger mehr Menschen ausreichend ernährt, der
       FAO bisher aber nicht die Daten dafür geliefert hat. Ohne diesen
       statistischen Effekt sieht die Lage düster aus: Auch ohne Corona rutschten
       2019 10 Millionen Menschen zusätzlich in eine akute Hungerkrise, seit 2015
       sind es sogar 60 Millionen zusätzlich.
       
       Das, obwohl die UN-Staaten ebenfalls 2015 feierlich verkündeten, bis 2030
       den Hunger weltweit zu halbieren. Hält allerdings der Trend der letzten
       Jahre an, haben bis dahin 840 Millionen Menschen nicht genug Nahrung.
       Hinter der Zahl verbirgt sich auch das Schicksal von Hunderten von
       Millionen von Kindern, die, so schreibt das Kinderhilfswerk Unicef, auch
       bei „moderater“ Mangelernährung in ihrer gesamten geistigen und
       körperlichen Entwicklung geschädigt würden.
       
       Die Gründe für die schlechte Entwicklung sind laut FAO vielfältig. Oft sei
       es die Kombination aus Konflikten und klimatischen Schocks wie die
       [3][Hungersnot in Ostafrika]. Die Mittel im Kampf gegen den Hunger seien
       zwar von Land zu Land unterschiedlich. Generell müssten aber gerade kleine
       Nahrungsmittelprodu-zent*innen unterstützt werden. Es fehle oft an
       Infrastruktur wie Straßen oder Lagerstätten, der Report schlägt auch eine
       andere Handelspolitik oder Geldtransfers an Arme vor. Generell sei genug
       Nahrung für alle vorhanden.
       
       Die FAO zeigt auch, wie es besser gehen kann: Im Kakuma Camp im Norden
       Kenias leben rund 190.000 Geflüchtete. Dort hat die lokale Regierung mit
       Mikrokrediten Einzelhändler unterstützt und Bauern der Region direkt mit
       Lebensmittelhändlern aus dem Camp zusammengebracht. Die Versorgungslage
       besserte sich – nun wird das Modell für Flüchtlingscamps in Bangladesch
       oder dem Libanon adaptiert.
       
       13 Jul 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.fao.org/publications/sofi/2020/en/
 (DIR) [2] https://www.oxfam.org/en/research/hunger-virus-how-covid-19-fuelling-hunger-hungry-world
 (DIR) [3] /Drohende-Hungersnot-in-Ostafrika/!5677278
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ingo Arzt
       
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