# taz.de -- Kaufhäuser hoffen auf Mietsenkung: Der Kampf um Karstadt
       
       > Ob die Rettung einzelner Galeria-Karstadt-Kaufhof-Filialen in Berlin
       > gelingt, ist weiterhin offen. Jobs werden wohl auf jeden Fall verloren
       > gehen.
       
 (IMG) Bild: Proteste am Leopoldplatz: Die Mitarbeiter*innen des Weddinger Kaufhauses hoffen auf eine Rettung
       
       BERLIN taz | Das neu aufgestellte gelbe Schild am Eingang ist das
       vielleicht wichtigste der Weddinger Karstadt-Filiale. Darauf aufgeführt:
       das Reisebüro, das Service-Center, das Restaurant und die Kassen der
       Lebensmittelabteilung. Der Hinweis „Jede Stimme zählt“ macht klar: Hier
       handelt es sich nicht um eine normale Etagenübersicht – es soll für die
       Rettung der gesamten Filiale an der Müllerstraße unterschrieben werden.
       
       Dass Unterschriften jetzt noch etwas ändern können, ist allerdings
       unwahrscheinlich. Die Signa Holding, Eigentümerin der
       Galeria-Karstadt-Kaufhof-Konzerns, hatte am 19. Juni die Schließung von
       sechs ihrer insgesamt elf Berliner Filialen angekündigt. Seit dem 1. Juli
       läuft nun das Insolvenzverfahren der Galeria Karstadt Kaufhof GmbH, in dem
       deutschlandweit Möglichkeiten ausgelotet werden sollen, deren
       Zahlungsunfähigkeit zu vereiteln.
       
       Neben dem Kaufhaus im Wedding sind Filialen in der Gropiusstadt, in
       Charlottenburg, Tempelhof, Hohenschönhausen, im Ringcenter an der
       Frankfurter Allee und Karstadt Sport am Kranzler-Eck betroffen. Alle mieten
       ihre Ladenflächen bei verschiedenen Vermieter*innen oder
       Mall-Eigentümer*innen. Sollten sie tatsächlich schließen, würden 1.000 bis
       1.200 Beschäftigte ihre Jobs verlieren.
       
       Der [1][umstrittene Neubau] des Karstadt-Hauses am Hermannplatz soll nach
       Informationen des RBB trotz der geplanten Schließungen gebaut werden. Die
       Immobilie will die Signa Prime Selection AG realisieren – eine weitere
       Firma, des Signa-Gründers René Benko, die unter anderem das KaDeWe besitzt.
       Anders sieht es in Tegel aus: Dort wird die geplante Filiale in der
       Fußgängerzone nicht mehr entstehen.
       
       ## Noch nichts entschieden
       
       Im Servicecenter der Weddinger Filiale scheint die Stimmung besser, als man
       erwarten könnte. Das Weddinger Kaufhaus schreibt schwarze Zahlen. Warum es
       trotzdem auf der Schließliste steht, mochte die Signa Holding der taz nicht
       mitteilen.
       
       „Ob unsere Filiale wirklich schließt, müssen wir abwarten. Noch ist nichts
       entschieden“, sagt eine Verkäuferin am Schalter freundlich und erklärt:
       „Wir machen hier erst einmal den normalen Sommerschlussverkauf.“ Mit dem
       bunten Rabatt-Schildern zwischen den Warenregalen scheint tatsächlich alles
       normal – wenn da nicht die Unterschriftenliste auf dem Tresen wäre.
       
       Thea Mesli, graue Haare, Maske mit Schmetterlingsmuster, hat gerade
       Tiefkühl-Brezeln und neue Blusen gekauft. „Ich habe großes Interesse am
       Erhalt des Kaufhauses“, sagt sie. Sie sei aus Charlottenburg in den Wedding
       gezogen; seitdem kaufe sie bewusst bei Karstadt ein, um die Filiale zu
       unterstützen.
       
       Eine andere Kundin hat sich vor dem Eingang eine Zigarette angesteckt. „Ich
       komme zum Mittagessen, um Kleidung oder Parfum zu kaufen, hierher“, sagt
       sie. Schlimm fände sie den möglichen Verlust aber trotzdem nicht: „Es gibt
       hier ja zum Glück noch genug andere Läden im Kiez.“
       
       ## Bedrohung für den Kiez
       
       Wenn allerdings passiert, was Gewerkschaften und Senat befürchten, würden
       mit der Karstadt-Schließung auch die umliegenden Geschäfte in
       Mitleidenschaft gezogen. Die Filialen im Wedding oder in Tempelhof gelten
       als Ankermieter: Sie ziehen weiteres Gewerbe und Kaufkraft an. Fällt diese
       Sogwirkung weg, könnten sich ganze Einkaufsstraßen verändern.
       
       Die Verhandlungen zwischen der Berliner Wirtschaftssenatorin Ramona Pop
       (Grüne) und den Vermieter*innen liefen deshalb auf Hochtouren, teilt ein
       Sprecher der Senatsverwaltung für Wirtschaft auf taz-Anfrage mit. Solange
       das Insolvenzverfahren noch laufe, verhandele die Stadt mit allen
       Akteur*innen. Wichtigstes Ziel sei dabei die Senkung der Mieten.
       Diesbezüglich zeigte sich die Wirtschaftssenatorin im Abgeordnetenhaus
       zuletzt „vorsichtig optimistisch“.
       
       Unterstützung kommt auch von den Bezirken. So möchte der Bezirk Mitte die
       Weddinger Filiale mit dem umliegenden Einzelhandel vernetzen und gemeinsame
       Interessen berücksichtigen – etwa verbesserte Rad- und Fußwege. Durch
       verstärkte Zusammenarbeit soll so ein attraktiverer Standort entstehen, von
       dem auch das Kaufhaus profitieren könne.
       
       In den Gropius-Passagen im Neuköllner Süden hat Galeria-Karstadt-Kaufhof
       zwei Etagen zwischen Primark und einem Waffelladen gemietet. Auch hier
       liegen Unterschriftenlisten aus: Der Mall-Eigentümer soll die Miete senken.
       Am vergangenen Donnerstag protestierten die Mitarbeiter*innen für den
       Erhalt ihrer Filiale.
       
       Die Gewerkschaft Verdi hat eine Aktionswoche ins Leben gerufen: Seit
       vergangener Woche protestieren Karstadt-Mitarbeiter*innen vor wechselnden
       Filialen, als Nächstes am Dienstag in Hohenschönhausen. Ob die Aktionen den
       Vermieter tatsächlich zu einem Entgegenkommen bewegen, kann in den
       Gropius-Passagen niemand abschätzen. „Wir wissen auch nicht mehr, als in
       der Presse steht“, sagt eine Verkäuferin.
       
       ## Jobs könnten trotz Rettung verloren gehen
       
       Andreas Splanemann, Pressesprecher des Verdi-Landesbezirks
       Berlin-Brandenburg, zeigt sich diesbezüglich wenig optimistisch. Für ihn
       ist klar: „Verdi kämpft um jeden Arbeitsplatz.“ Die Herausforderung sei
       groß, denn Galeria Karstadt Kaufhof stünde finanziell mit dem Rücken zur
       Wand. Die Mieten für die Ladenflächen seien höher als marktüblich, sagt
       Splanemann.
       
       Doch selbst im Falle einer Rettung einzelner Filialen seien die
       Konsequenzen für die Mitarbeiter*innen ungewiss, befürchte der
       Verdi-Sprecher: „Galeria Karstadt Kaufhof könnte vermehrt Fremdfirmen
       hereinholen und trotzdem Stellen abbauen.“ Splanemann redet vom
       Shop-in-Shop-Konzept: Bereits jetzt sei ein Drittel der
       Karstadt-Beschäftigten bei Fremdfirmen angestellt, so der Verdi-Sprecher.
       
       Sollten weitere Firmen in die Kaufhäuser geholt werden, könnten zwischen
       einem Viertel und einem Drittel der Stellen abgebaut werden. Für die
       Angestellten wäre das dramatisch, besonders weil der Einzelhandel unter den
       Coronafolgen leide: „Die Chancen stehen momentan schlecht auf dem
       Arbeitsmarkt. Es werden wohl noch weitere Pleitewellen im Einzelhandel
       folgen.“
       
       13 Jul 2020
       
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