# taz.de -- Dörfer wehren sich gegen Kohleabbau: Demonstrieren, besetzen, klagen
       
       > Die Klimabewegung hinterfragt nach dem Kohleausstiegsgesetz ihre
       > Strategie. Eine Gruppe will Verfassungsbeschwerde einreichen.
       
 (IMG) Bild: Protest gegen die Zerstörung von Dörfern durch den Braunkohletagebau in Keyenberg im Mai 2020
       
       Berlin taz | In der Klimabewegung rumort es. Ihr großes Ziel, in
       Deutschland [1][den Kohleausstieg] einzuleiten, ist mit dem am Freitag
       beschlossenen Kohleausstiegsgesetz erreicht. Aber: Dass das letzte
       Kohlekraftwerk erst 2038 vom Netz muss, ist den Aktivist:innen viel zu
       spät.
       
       Fridays for Future ruft schon zu neuen Freitagsstreiks auf – aber manche
       Stimmen fordern, dass sich die Klimabewegung komplett neu sortiert. „Es ist
       nicht von der Hand zu weisen, dass das eine krachende Niederlage für uns
       als Klimabewegung ist“, sagt Tadzio Müller von der Rosa-Luxemburg-Stiftung,
       der seit Jahren in der Koordinierung verschiedener Klimaproteste aktiv ist.
       „Seit zwölf Jahren veranstaltet der gemäßigte Teil Demos, der radikalere
       Teil Klimacamps und Tagebaubesetzungen – und die Politik ignoriert uns,
       obwohl wir mittlerweile so viele sind.“
       
       Müllers Fazit: „Wir müssen umdenken und zusammen massenhaft zivilen
       Ungehorsam betreiben: mit der Basis von Fridays for Future, der Protestform
       von Extinction Rebellion und der Besetzungstaktik von Ende Gelände.“ Er
       wünscht sich Blockaden mitten in den Innenstädten, bei denen die
       Aktivist:innen sich strategisch in verschiedenen Gruppen („Fingern“)
       bewegen – und Fridays for Future bringen die vielen Teilnehmer:innen mit.
       
       Eine Gruppe im Rheinland will erst mal juristisch ansetzen: Die
       Gemeinschaft „Menschenrecht vor Bergrecht“ hat eine Verfassungsbeschwerde
       gegen das Kohleausstiegsgesetz angekündigt. Sie besteht aus Menschen, die
       nahe dem Tagebau Garzweiler II leben.
       
       ## Gesetz sieht Abbaggern von Dörfern vor
       
       Den will der Energiekonzern RWE erweitern – und müsste dafür fünf
       umliegende Dörfer abbaggern. Im Kohleausstiegsgesetz stehen die Pläne als
       „energiepolitisch und energiewirtschaftlich“ notwendig festgeschrieben.
       Diese Notwendigkeit zweifeln die Anwohner:innen des Tagebaus an – und damit
       auch die Grundlage für ihre Umsiedlung. Mit dieser Argumentation wollen sie
       nun vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.
       
       „Die Bundesregierung ignoriert mit diesem Gesetz die Grundrechte der im
       Tagebaugebiet lebenden Menschen, insbesondere die Achtung der Menschenwürde
       und Gesundheit sowie das Eigentumsgrundrecht und die damit verbundenen
       Interessen auf Bewahrung von Wohnung und Heimatort“, meint Rechtsanwalt
       Dirk Teßmer, der die Gruppe vertritt. Auch mit dem Anspruch auf einen
       effektiven Rechtsschutz sei das Gesetz nicht vereinbar. „Die
       Grundrechtsverstöße sind so eklatant, dass das Gesetz vor dem
       Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben kann“, sagt Teßmer.
       
       Der Passus zu Garzweiler II war in früheren Versionen des Gesetzes nicht
       vorgesehen. Sein Inhalt ist umstritten. RWE geht davon aus, bis 2038 noch
       763 Millionen Tonnen Kohle zu brauchen. Dafür müsste die Grube wachsen.
       
       Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat im Auftrag von
       Greenpeace im Mai ein Gutachten zu Garzweiler II angefertigt. Die
       Wissenschaftler:innen kommen darin zu dem Schluss, dass Deutschland die
       zusätzliche Kohle nicht braucht, weil die erneuerbaren Energien ausgebaut
       werden.
       
       Die Bürger:innen, die sich bei Menschenrecht vor Bergrecht organisieren,
       haben gemeinsam ein Grundstück im Ort Keyenberg gekauft. Das wollen sie
       zusätzlich zu ihren privaten Grundstücken gemeinschaftlich verteidigen.
       Lang Zeit haben sie dafür nicht: Keyenberg soll den Kohlebaggern im Jahr
       2023 weichen.
       
       6 Jul 2020
       
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 (DIR) Susanne Schwarz
       
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