# taz.de -- Wettbüro in Hamburg verstößt gegen Gesetz: Kurzer Weg zum Geld
       
       > Im Stadtteil Wilhelmsburg hängt ein Geldautomat direkt neben dem Eingang
       > zu einem Wettbüro. Das ist verboten. Die Glücksspielaufsicht will den
       > Fall prüfen.
       
 (IMG) Bild: Verboten dicht aneinander: Eingang des Wettbüros und der Geldautomat
       
       Hamburg taz | Den Eingang des Sportwettbüros „Tipico“ trennen keine zwei
       Meter vom nächsten Geldautomaten. Tatsächlich befindet sich der rote
       Haspa-Automat im Reinstorfweg in Wilhelmsburg sogar an der gleichen
       Hausfassade – und das, obwohl das verboten ist.
       
       Im Gesetz zum veränderten Glücksspielstaatsvertrag steht, dass „technische
       Geräte zum Abheben von Bargeld“ nicht an zugehörigen Gebäudeteilen von
       Wettvermittlungsstellen oder an zugehörigen Flächen bereitgehalten werden
       dürfen. Doch in Wilhelmsburg halten sich daran weder das millionenschwere
       Unternehmen Tipico noch die Sparkasse.
       
       Süchtige Spieler, so berichtet es ein Betroffener der taz, hätten keine
       Selbstbeherrschung, wenn der Geldnachschub so nah sei. Der 36-Jährige, der
       in diesem Artikel anonym bleiben möchte, hat selbst bei Tipico mit
       Fußballwetten angefangen. Er kritisiert, dass häufig Geldautomaten in der
       Nähe stünden. „Das ist bewusst so gemacht“, ist er sich sicher. Man wolle
       Süchtigen „das Geld aus der Tasche ziehen“. Eine gewisse Entfernung zu den
       Wettbüros sei wichtig, „da man in den Minuten über sein Handeln nachdenken
       kann“.
       
       Der Innenbehörde war nicht bekannt, dass Tipico in Wilhelmsburg gegen die
       gesetzlichen Vorgaben verstößt. Die Filiale im Reinstorfweg wird im Netz
       gar nicht angezeigt und auf Google Maps als geschlossen gemeldet. Sie
       müssten den Sachverhalt nun prüfen, sagt Behördensprecher Frank
       Reschreiter.
       
       ## Immer mehr als das gesetzte Limit
       
       Sollten die Vorwürfe zutreffen, werde die Glücksspielaufsicht entscheiden,
       „welche ordnungsrechtlichen Schritte wegen dieses Rechtsverstoßes
       eingeleitet werden“. Leider sei es keine Seltenheit, „dass die Betreiber
       von Wettvermittlungsstellen die gesetzlichen Vorgaben nicht beachten“. In
       diesem konkreten Fall drohe Tipico ein Bußgeld von bis zu einer halben
       Million Euro.
       
       Suchttherapeut Abuzer Cevik von der Beratungsstelle Kodrobs in Wilhelmsburg
       hält solche Verstöße von Wettanbietern für ein großes Problem. Sportwetten
       und Glücksspiel seien in gleichem Maße gefährdend, sagt er. „Wenn ein
       Geldautomat einen Kilometer entfernt wäre anstatt nur einen Meter, dann ist
       die Wahrscheinlichkeit größer, dass die Person nicht weiterspielt.“
       
       Die Psychologin Marita Junker vom Boje-Suchthilfezentrum betont auch, dass
       die leichte Verfügbarkeit von Geldnachschub sämtliche Schutzmechanismen
       untergrabe, wodurch „deutlich mehr eingesetzt wird als das ursprünglich
       gesetzte Limit“.
       
       Nun könnte argumentiert werden, dass in Zeiten von Onlinekonten sowieso
       jeder überall auf Geld zugreifen könne. Doch die digitalen Spielkonten
       werden mithilfe eines Barcodes aufgeladen. Die Spieler kaufen den Code an
       Tankstellen oder Supermärkten und scannen ihn ein, um ihr Konto zu füllen.
       Das heißt, selbst zum virtuellen Bankautomat muss ein Weg zurückgelegt
       werden.
       
       Der betroffene 36-Jährige habe die Tipico-App mittlerweile von seinem
       Smartphone gelöscht, nachdem er wieder auf ein lockendes Angebot
       reingefallen sei. Aber: „Es ist viel schwieriger, an einem Wettbüro
       vorbeizugehen“, sagt er. Die Atmosphäre ziehe ihn an. Dort könne man sitzen
       und etwas trinken – und gewonnenes Geld wieder verwetten.
       
       In der Filiale vor Ort ist es dunkel. Die Fenster sind abgeklebt. Oliver
       Kahn wirbt mit seinem Konterfei an der Außenwand um neue Zockende. Ein
       Mitarbeiter steht hinter einer hohen Theke. An den Wänden stehen Automaten,
       an denen Wetten abgeschlossen werden können. Fußballspiele sind der
       Klassiker, aber auch auf Volleyball oder sogar Schach kann hier gewettet
       werden. Er kontrolliere nicht, wer „wo Geld abhebe und ausgebe“, sagt der
       Mitarbeiter.
       
       ## Tipico fühlt sich im Recht
       
       In diesem Raum war früher eine Sparkassenfiliale, seit 2004 gibt es nur
       noch den Geldautomaten. Die Haspa weist die Verantwortung von sich. Der
       Automat sei vor dem Einzug des Wettanbieters installiert worden, sagt
       Haspa-Media-Relations-Leiter André Grunert. Die Haspa sei nicht der
       Vermieter und habe deshalb keinen Einfluss darauf, „wer zu welchem Zweck im
       Laufe der Jahre Flächen in dem Gebäude“ angemietet habe.
       
       Das Unternehmen Tipico ist sich jedoch ebenfalls keiner Schuld bewusst. Ein
       Sprecher, der aus Malta anruft und nicht namentlich genannt werden soll,
       schickt ein Statement, das „ausschließlich als vollständige Antwort“
       veröffentlicht werden darf.
       
       „Die Filiale unseres Franchisepartners war bis 2010 eine Filiale der
       Hamburger Sparkasse mit dem bis heute bestehenden Geldautomaten. Der
       Geldautomat befindet sich außerhalb der angemieteten Räume. Es liegt damit
       kein Verstoß gegen das Hamburger Ausführungsgesetz vor, weil sich der
       Automat nicht in den vom Franchisepartner angemieteten Räumen befindet. Mit
       der Entfernung wären wir aber einverstanden und werden das Gespräch mit der
       Hamburger Sparkasse suchen, eine finale Lösung liegt aber außerhalb unseres
       Einflussbereiches.“
       
       Eine freundliche Erwiderung, doch die Rechtsordnung ist eindeutig: Entweder
       muss das Wettbüro weg oder der Geldautomat.
       
       4 Jul 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Maike Krob
       
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