# taz.de -- Bremer Pflegeheime ohne Kontrolle: Die Seuche als Krisenhelfer
       
       > Dank Corona wird Bremens Heimaufsicht aufgestockt. Deren Regelkontrollen
       > sind weiterhin ausgesetzt – aber dieser Pflicht kommt sie eh nicht nach.
       
 (IMG) Bild: Zu zweit und doch allein gelassen: BewohnerInnen eines Pflegeheims
       
       BREMEN taz | Es war schon ein wenig mager, was da am Donnerstag der
       Sozialdeputation vorgelegt wurde. Sechzehn luftig gestaltete Seiten
       umfasste der „[1][Bericht der Wohn- und Betreuungsaufsicht 2018/2019]“ –
       einschließlich Deckblatt, Inhaltsangabe, Erläuterung des allgemeinen
       Zuständigkeitsbereiches der Wohn- und Betreuungsaufsicht und Vorblick auf
       das Jahr 2020. Im letztendlich bloß neun Seiten kurzen Tätigkeitsbericht
       steht im Grunde genommen nichts, was man nicht eh schon wusste.
       
       Dabei hätte er spannend werden können, denn Ende 2017 wurde das bremische
       [2][Wohn- und Betreuungsgesetz (BremWoBeG)] novelliert und auch eine neue
       [3][Fachkraftquote] wurde beschlossen. Was sich durch die Neuerungen in den
       Einrichtungen und der Arbeit der Heimaufsicht verändert hat, findet sich im
       Bericht aber nicht.
       
       Stattdessen nur, was ohnehin Anfang 2020 durch eine Anfrage der CDU bereits
       [4][ans Tageslicht] gekommen war: dass die Heimaufsicht 2019
       Pflege-Einrichtungen fast nur wegen Beschwerden und nur zweimal anlasslos
       kontrolliert hat. Und dass es im Jahr davor kaum besser aussah: 2018 gab es
       gerade mal vier Prüfungen ohne vorherige Beschwerde.
       
       Das BremWoBeG schreibt aber vor, dass jede der insgesamt 190 stationären
       Einrichtungen in Bremen einmal im Jahr ohne Anlass durch die Heimaufsicht
       kontrolliert werden muss. Dass dieses Gesetz regelhaft missachtet wird,
       findet Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) freilich nicht so schlimm:
       „Wenn die Wohn- und Betreuungsaufsicht eine anlassbezogene Prüfung
       vornimmt, schätzt sie immer auch die Gesamtsituation in der Einrichtung ein
       und besucht Nutzerinnen und Nutzer, um sich einen unmittelbaren Eindruck
       von deren Wohlergehen zu verschaffen“, sagte sie in der Sozialdeputation.
       
       ## Missstände im Verborgenen
       
       Die anlassbezogenen Prüfungen – 234 waren es im Jahr 2019 und 218 im Jahr
       davor – gingen zum größten Teil auf Beschwerden wegen Mängel in der Pflege
       zurück. Beschwerden aufgrund freiheitsentziehender Maßnahmen wie
       beispielsweise die Fixierung dementer Menschen gebe es eher selten, sagte
       Stahmann. Das sei aber nicht unbedingt ein gutes Zeichen. Vieles könne im
       Verborgenen stattfinden.
       
       Das ist vor allem in Bremen leicht möglich, weil es ja eben keine
       unangekündigten Regelkontrollen gibt. Aber auch das scheint aus
       Behördensicht kein allzu großes Problem zu sein, denn wenn die Heimaufsicht
       anrückt, weil es bereits Beschwerden gab, nimmt sie „generell auch den
       Freiheitsentzug in den Blick“, so Stahmann.
       
       Grund für die fehlenden Kontrollen ist – und auch das ist nichts Neues –
       die schlechte Personalausstattung der Heimaufsicht. Vier zusätzliche
       Vollzeitstellen wollte die Sozialsenatorin deshalb aus dem Haushalt
       finanziert bekommen, bewilligt wurde aber bloß eine. Jetzt bekommt sie nun
       doch die gewünschten Stellen – wegen Corona. In einer Tischvorlage für die
       Senatssitzung vom 23. Juni heißt es dazu: „Die Bremische Wohn- und
       Betreuungsaufsicht kann ihre Aufgaben im Zusammenhang mit der
       Corona-Pandemie in den Pflegeeinrichtungen personell nicht erfüllen.“
       
       ## Linke hatte zehn Stellen gefordert
       
       Dass diese vier Stellen bereits vor der Pandemie dringend nötig waren,
       angesichts der derzeitigen Lage – neben ihrer normalen Arbeit muss die
       Heimaufsicht zurzeit auch engmaschig Hygieneberatungen und -kontrollen
       durchführen – also eigentlich noch mehr Mitarbeitende benötigt würden,
       monierte in der Deputation Sigrid Grönert, sozialpolitische Sprecherin der
       CDU: „Auch wenn es mich natürlich freut, dass die vier Stellen genehmigt
       worden sind.“
       
       Dafür wurde sie von Sofia Leonidakis (Linke) angepfiffen: „Wir haben an
       dieser Stelle geliefert und das könnte man auch mal anerkennen“, sagte sie
       und: „Ob die vier Stellen ausreichen, kann sich ja erst zeigen, wenn der
       Normalzustand wieder da ist.“ Noch vor zwei Jahren hatte die Linksfraktion
       eine Aufstockung der Heimaufsicht um [5][zehn Stellen gefordert] – und das,
       obwohl damals noch weitaus mehr Regelprüfungen stattfanden.
       
       Die sind jetzt wegen der Pandemie bis Ende September komplett ausgesetzt –
       ganz offiziell per Verfügung durch die Sozialsenatorin. Derweil soll laut
       Bericht „ein Verfahren entwickelt werden“, damit die Regelprüfungen künftig
       „deutlich gesteigert“ werden können.
       
       28 Jun 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://sd.bremische-buergerschaft.de/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZYfTbtHZrLLdo-r2r5PBBTNeB0-TKrJN6AC2WYDpRhab/TOP_7_L_Anlage_1_Bericht_Wohn-_und_Betreuungsaufsicht.pdf
 (DIR) [2] /Altenpfleger-Alexander-Wendt-ueber-das-Betreuungsgesetz/!5464799
 (DIR) [3] /Nachts-im-Pflegeheim/!5458927
 (DIR) [4] /!5661547/
 (DIR) [5] /!5501261/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schnase
       
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       Erhöhung der Quote abgelehnt.