# taz.de -- Die Wahrheit: Ich bin nicht mia
       
       > Lebenslänglich Bayer: Wieder ist der FC Bayern Meister geworden. Und
       > wieder muss ich mich dafür bei Gott und der Welt entschuldigen.
       
 (IMG) Bild: Direkt neben dem Marienplatz: Kitsch von abrundtiefer Hässlichkeit
       
       Seit Dienstagabend hagelt es wieder einmal Glückwünsche. Nicht wirklich
       herzliche, eher höhnische. Der FC Bayern München ist Meister geworden, und
       auch wenn ich nun wirklich nichts, aber auch gar nichts dafür kann, laden
       die Leute ihren Ärger darüber bei mir ab. Lange hat mich das geärgert. Es
       gab Zeiten, da habe ich versucht zu erklären, dass ich ein Löwe bin, ein
       Blauer, ein 60er, dass ich mit den Roten nichts zu schaffen habe, dass ich
       früher mitgebrüllt habe, als es in der Kurve hieß: „Tod und Hass dem FCB!“
       Es hat nichts geholfen.
       
       Mit dem Schlusspfiff des Spiels der Bayern in Bremen lief eine erste
       Nachricht auf meinem Smartphone ein: „Danke für diese spannende Saison!“
       Ich erkläre mich schon lange nicht mehr. Es ist sinnlos. „Das haben sie ja
       wieder toll hingekriegt, deine Bayern“, sagt einer, den ich sonst
       eigentlich eher schätze. Meine Bayern! So als wäre mit der Bayerischen
       Staatsbürgerschaft die Mitgliedschaft bei diesem Verein verbunden, als
       würden die Behörden in München die Geburtsurkunden mit dem Wappen des FC
       Bayern stempeln. Es ist ein Trauerspiel.
       
       Einmal hat mir einer zum Geburtstag ein Rasierwasser aus dem Fanshop des FC
       Bayern geschenkt. Und ein paar Leute glauben jedes Jahr, ich würde mich
       freuen, wenn sie so tun, als würden sie sich mit mir über den Titel freuen,
       als hätte ich die Meisterschaft diesmal wirklich verdient: „Über die Saison
       betrachtet, das muss ich ganz ehrlich sagen, wart ihr die beste
       Mannschaft.“ Oh je!
       
       Unter diesen schleimbeuteligen Scheingratulanten sind bekennende Herthaner,
       Leute, die aus Tassen mit dem Werder-Bremen-Logo trinken, solche, die sich
       nicht schämen, mit einem Trikot des 1. FC Nürnberg durch die Stadt zu
       laufen, und andere traurige Gestalten.
       
       Was soll ich da noch sagen? Meistens sage ich gar nichts, verhalte mich so,
       wie sich mein jeweiliger Gegenüber wahrscheinlich den typischen Bayernfan
       vorstellt, wie einer, dem niemand „Mia san mia“ auf dem Körper tätowieren
       muss, weil ihm diese ekelhafte Selbstzuschreibung ohnehin auf die Stirn
       geschrieben steht.
       
       Aber was soll ich all denen entgegnen, die mich nun wieder mindestens eine
       Woche lang nicht mit dem Allerwertesten anschauen, weil sie mich dafür
       verachten, dass ich die Liga so langweilig gemacht habe? Was sage ich zu
       einem, der mir dafür die Schuld gibt, dass der Meister schon feststeht,
       bevor der erste Ball in einer Saison gespielt ist? Wie tröste ich jemanden,
       der sich beklagt, dass sein 1. FC Kaiserslautern wohl nie mehr deutscher
       Meister wird, weil ich mit meinem Geldsack jede Chancengleichheit zu Tode
       gekauft habe?
       
       Vielleicht versuche ich es doch noch einmal mit den Blauen. Am Dienstag,
       während die Bayern in Bremen gerade die für den Titel noch nötigen Punkte
       geholt haben, saß ich mit ein paar Freunden in München zusammen und habe
       mir angeschaut, wie der TSV 1860 München mit 0:2 bei Viktoria Köln verloren
       hat. Noch irgendwelche Fragen?
       
       19 Jun 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Rüttenauer
       
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